ÖVP für tadellose Historiker in Kommission

„Jeder, der sich nicht der Geschichte stellt, wird von der Geschichte gestellt, schneller als man denkt“, sagt Sobotka.
„Jeder, der sich nicht der Geschichte stellt, wird von der Geschichte gestellt, schneller als man denkt“, sagt Sobotka.APA/FRANZ NEUMAYR
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Sobotka drängt auf international renommierte Forscher in der Historikerkommission. Kitzmüller verteidigt die Burschenschaften.

Wien. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) hat an die Eigenverantwortung der FPÖ bei der Aufarbeitung der eigenen Geschichte appelliert. „Jeder Parlamentarier muss wissen, in welchem Verein er tätig ist“, sagte er am Sonntag im ORF. Selbst sprach sich Sobotka dafür aus, die Historikerkommission mit unumstrittenen und international renommierten Wissenschaftlern zu besetzen.

„Kommissionen sind dann von Wert, wenn sie möglichst unabhängig sind“, meinte Sobotka zur von Vizekanzler und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache angekündigten Aufarbeitung der Geschichte des dritten Lagers. Und weiter: „Das liegt an der Partei der FPÖ, jene Historiker international auch auszuwählen, die tadellos in ihrem wissenschaftlichen Ruf sind und nicht unter Verdacht stehen, etwas unter den Tisch zu kehren.“

Sobotka drängt allerdings auch nicht. Bei der Historikerkommission – für deren Zusammenstellung laut Parteichef Strache Infrastrukturminister Norbert Hofer (FPÖ) die Federführung übernehmen soll – solle man in erster Linie auf Qualität setzen, nicht auf Zeit.

In die Causa, die durch die NS-verherrlichenden Texte im Liederbuch der Burschenschaft des inzwischen zurückgetretenen niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer ins Rollen gebracht wurde, will sich Sobotka grundsätzlich nicht einmischen. Nur so viel: „Jeder, der sich nicht der Geschichte stellt, wird von der Geschichte gestellt, schneller als man denkt“, sagte er.

Grundsätzlich erhofft sich der Nationalratspräsident, dass der antifaschistische Grundkonsens künftig verstärkt in der ganzen Gesellschaft Platz greift. Historische Aufarbeitung sei kein abgeschlossener Prozess, hier sei Bildungsarbeit gefragt. In diesem Sinne forderte der ehemalige Innenminister jeden auf, Vorfälle im Sinne der Wiederbetätigung oder des Antisemitismus zur Anzeige zu bringen – auch wenn man mit dem Strafgesetz nicht alles lösen könne.

„Alles normale Leute“

Die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ) hält die Historikerkommission „für per se nichts Schlechtes. Das ist sicher eine gute Ausgangslage, um allen linken Kräften entgegenzuwirken, die uns immer wieder Böses wollen“, sagt Kitzmüller, die selbst Mitglied in der Mädelschaft Iduna zu Linz sowie der pennalen Mädelschaft Sigrid zu Wien ist und in ihrem Kabinett auch Burschenschafter beschäftigt. „Die FPÖ hat nicht die Schirmherrschaft über die Burschenschaften“, sagt sie aber. „Eine Burschenschaft ist auch keine Vorfeldorganisation der FPÖ.“

„Die Burschenschafter, mit denen ich zu tun hatte, waren alles normale Leute“, sagt Kitzmüller. Einen „Narrensaum“, wie es der oberösterreichische Landesparteichef Manfred Haimbuchner formulierte, habe sie nicht festgestellt. Auch antisemitische oder rassistische Lieder habe sie nicht erlebt. „Die gab's in den Verbindungen und in meiner Gegenwart nicht.“ „Psychohygiene“ hält aber auch Kitzmüller für angebracht. „Man muss natürlich schauen, welche Verquickungen es im dritten Lager und bei den Burschenschaften gibt. Es versteht sich von selbst, dass diese Gedanken, die da verbreitet wurden, bei uns nichts zu suchen haben.“

Für die als rechtsextrem eingestufte Zeitschrift „Aula“ würde Kitzmüller heute übrigens nicht mehr schreiben. Sie sei damals gebeten worden, ihren Standpunkt zur Familie zu vermitteln. Und das habe sie getan. (APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.02.2018)

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