Schattenwirtschaft: Es wird immer weniger gepfuscht

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Die Schattenwirtschaft wird heuer um fünf Prozent schrumpfen, erwartet Ökonom Friedrich Schneider. Auftrieb bekommt der Pfusch aber durch die kalte Progression – und durch Flüchtlinge.

Wien. 18,288 Milliarden Euro. So viel wird in Österreich heuer im Pfusch erwirtschaftet werden, prognostiziert der Linzer Ökonom Friedrich Schneider. Die Schattenwirtschaft werde damit um gut fünf Prozent schrumpfen und, gemessen am offiziellen BIP, den tiefsten Wert seit Anfang der 1990er Jahre erreichen, erwartet der Experte.

Österreich ist zudem jenes Land innerhalb der EU, in dem am wenigsten gepfuscht wird. Knapp dahinter rangieren laut Schneiders Auswertung die Niederlande und Luxemburg. Am anderen Ende der Skala: Bulgarien – dort macht der Pfusch beinahe ein Drittel des offiziellen BIP aus –, sowie Kroatien und Rumänien.

Aber warum könnte der Pfusch heuer so stark zurückgehen? Vor allem liegt das laut Schneider am erwarteten Wirtschaftswachstum von rund drei Prozent sowie am Rückgang der Arbeitslosigkeit um rund 20.000 Personen. Österreich könnte allerdings noch wesentlich besser dastehen. Allein durch eine Abschaffung der kalten Progression könnte die Schattenwirtschaft um 505 Mio. Euro pro Jahr gesenkt werden. Schneider geht dabei von einer früheren Untersuchung aus, wonach ein Wegfall des Steuerauftriebs eine Entlastung von rund 860 Mio. Euro bringen könnte. „Die kalte Progression trifft insbesondere mittlere und untere Einkommensschichten und stellt ein Grenzkalkül dar: Von so und so viel Prozent Lohnsteigerung werden ungefähr 40 Prozent durch die kalte Progression wegbesteuert.“ Entsprechend hoch sei der Effekt auf die Schattenwirtschaft.

Auch eine befristete Mehrwertsteuerrückvergütung bei arbeitsintensiven Dienstleistungen, eine Fortsetzung des Handwerkerbonus in unlimitierter Form sowie eine Senkung der Lohnnebenkosten könnten den Pfusch noch stärker zurückdrängen, meint der Ökonom. Die langen Wartezeiten, bis Flüchtlinge offiziell arbeiten dürfen, spielen ebenfalls eine Rolle: Schneider geht davon aus, dass heuer rund 40.000 Flüchtlinge als Pfuscher aktiv werden. Angenommen, ein Flüchtling verdient fünf Euro pro Stunde und arbeitet 80 Stunden pro Monat – dann kommt er im Jahr auf 4800 Euro. Insgesamt ergibt das ein Gesamtvolumen von 192 Mio. Euro.

Pfuschen neben dem Job

Der „typische Pfuscher“ ist das allerdings nicht: Vielmehr stammen zwei Drittel der in der Schattenwirtschaft erzielten Wertschöpfung von Menschen, die einen offiziellen Job haben. „Sie sind selbstständig oder unselbstständig beschäftigt, tragen die volle Abgabenlast und versteuern nur die schwarzen Überstunden nicht“, sagt Schneider. 17 Prozent der Wertschöpfung im Pfusch entfallen auf Arbeitslose und Frühpensionisten, 16 Prozent gehen auf organisierte Kriminalität zurück.

Der größte Verlierer durch die Schattenwirtschaft ist, wenig überraschend, der Staat. Laut dem Ökonomen macht der Ausfall an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zwischen zwei und 3,5 Mrd. Euro jährlich aus. Die Sozialversicherungsbeiträge fallen dabei viel stärker ins Gewicht, der Steuerausfall halte sich in Grenzen, „weil das schwarz verdiente Geld sofort wieder in der offiziellen Wirtschaft ausgegeben wird“. Auch die Krankenversicherungen zahlen drauf: „Sie tragen die erhöhten Kosten der zusätzlichen Unfälle der Pfuscher“, einschließlich jener Fälle, in denen Arbeitsunfähigkeit die Folge ist.

„Wir alle profitieren“

Schneider nennt allerdings auch Profiteure: „Die Wirtschaft und wir. Das heißt, jeder, der pfuscht oder pfuschen lässt. Viele Häuser und Eigenheime gäbe es ohne Pfusch nicht.“ 40 Prozent der im Pfusch erbrachten Leistungen würden in der offiziellen Wirtschaft nicht nachgefragt, 25 Prozent würden ansonsten „im Do-it-yourself“ erledigt, schätzt er.

Die Auftraggeber als Profiteure – das will Renate Scheichelbauer-Schuster, WKÖ-Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, nicht so stehenlassen: „Ohne Rechnung kein Anspruch auf Gewährleistung“, kontert sie. Schneiders Vorschläge, um die Schattenwirtschaft noch mehr zurückzudrängen, begrüßt sie indes als „richtungsweisende Maßnahmen“. Im Branchenvergleich wird übrigens im Baugewerbe und Handwerk am meisten gepfuscht, rund 39 Prozent der Schattenwirtschaft entfallen darauf. Schneider schätzt, dass heuer allein hier rund 7,1 Mrd. Euro „schwarz“ umgesetzt werden. Sonstige Gewerbebetriebe und haushaltsnahe Dienstleistungen machen mit 17 Prozent bzw. 3,1 Mrd. Euro die zweitgrößte Gruppe aus. (cka)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

THEMENBILD: 'SCHWARZARBEIT'
Österreich

Starke Konjunktur drängt Milliardengeschäft Pfusch zurück

Der Pfusch soll heuer um mehr als fünf Prozent zurückgehen, prognostiziert der Linzer Ökonom Schneider. Das Aus für die "kalte Progression" würde die Schattenwirtschaft weiter reduzieren.
Unternehmen

40 Prozent der Auslandsfirmen am Bau unter Lohndumping-Verdacht

Eine Baustellenprüfung der BUAK hatte über 4000 Baustellen in ganz Österreich kontrolliert. Bei heimischen Firmen dagegen bestehe nur bei einem Prozent der Verdacht auf Unterentlohnung.
 Dem Staat entgehen Milliarden durch Schwarzarbeit
Österreich

Dem Staat entgehen durch Pfusch Milliarden - ein "Kavaliersdelikt"

Dem Staat entgehen Milliarden durch Schwarzarbeit. Doch Pfusch gilt den meisten als Kavaliersdelikt. Zur Reduktion der Schattenwirtschaft hat Volkswirtschafts-Professor Friedrich Schneider einige Rezepte parat.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.