Crashkurs Arbeitsrecht: Das designte Kassapult

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Folge 61. Felix B. setzt in seiner Boutique ein besonders elegantes Designer-Möbel als Kassapult ein. Das Möbel hat keinen Freiraum für die Beine einer davorsitzenden Person. Die Angestellte Anna S. ist Kassiererin und möchte sich bei der Arbeit gelegentlich setzen können.

Der Schutz der Arbeitnehmer vor den Gefahren für das Leben und die Gesundheit am Arbeitsplatz gehört zu den frühesten Anliegen des Arbeitnehmerschutzes.

Der Gesetzgeber verwirklicht die Ziele des Arbeitnehmerschutzes auf mehreren Ebenen: Einerseits bestehen zahlreiche Vorschriften des öffentlichen Rechts, die Vorgaben für die Sicherheit von beispielsweise Maschinen, Werkzeugen und Einrichtung des Arbeitsplatzes enthalten. Der Verstoß gegen diese Vorschriften ist in der Regel verwaltungsstrafrechtlich sanktioniert.

Andererseits besteht im Rahmen des Arbeitsvertrages für den Arbeitgeber die Verpflichtung, den Arbeitnehmer vor Gefahren am Arbeitsplatz zu schützen (Fürsorgepflicht). Verletzt der Arbeitgeber die Fürsorgepflicht, kann er schadenersatzpflichtig werden. Schließlich ist in Betrieben die Mitwirkung des Betriebsrates und von Sicherheitsvertrauenspersonen vorgesehen.

Gefahrenquellen erkennen

Um zu gewährleisten, dass am Arbeitsplatz alle Gefahren für Leben und Gesundheit der Arbeitnehmer erkannt und entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden, muss der Arbeitgeber den Arbeitsplatz umfassend evaluieren. Die Gestaltung und Einrichtung der Arbeitsplätze, die Gestaltung und der Einsatz von Arbeitsmitteln, die Gestaltung der Arbeitsverfahren und Arbeitsvorgänge sind zu berücksichtigen. Es geht darum, dass Gefahren ermittelt und beurteilt werden sowie darum, dass auf dieser Grundlage Maßnahmen ergriffen werden, die die ermittelten Gefahren vermeiden oder vor ihnen effektiv schützen.

Ein Beispiel, das auch für den im Vergleich zu einem Arbeitsplatz am Hochofen relativ gefahrlosen Arbeitsplatz in einem Büro relevant ist, ist die Befüllung von Saftflaschen mit ätzenden Reinigungsmitteln. Wenn ein Arbeitnehmer direkt aus der Flasche Saft trinken will, kann es sein, dass er zu spät merkt, dass sich in der Flasche kein Saft, sondern gesundheitsschädliches Reinigungsmittel befindet.

Die Arbeitsplatzevaluierung muss bei der Einrichtung des Arbeitsplatzes erfolgen. Eine neuerliche Evaluierung ist erforderlich, wenn die Einrichtung geändert wird oder neue Arbeitsmittel eingeführt werden. Aber auch ein Unfall am Arbeitsplatz ist Anlass für eine Überprüfung der Beurteilung. Die Ergebnisse der Evaluierung, muss der Arbeitgeber schriftlich in sogenannten „Sicherheits- und Gesundheitsschutzdokumenten“ festhalten.

Detaillierte und gleichzeitig hohe Anforderungen werden auch an Büro-Arbeitsstühle gestellt. Ist die Arbeit ganz oder teilweise im Sitzen zu verrichten, so hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmern geeignete Sitzgelegenheiten zur Verfügung zu stellen. Darunter fallen geeignete Arbeitstische, Werkbänke usw. Bei Bildschirmarbeitsplätzen müssen Drehstühle mit Gleitern oder Rollen vorhanden sein, welche kippsicher sind. Arbeitssitze müssen den menschlichen Körpermaßen angepasst sein und eine solche Form und Höhe aufweisen, dass sie eine ungezwungene Körperhaltung zulassen und die Beine vom Körpergewicht entlasten.

Dies ist nicht nur für herkömmliche Büro-Arbeitsstühle, sondern auch für Arbeitsplätze von Kassieren von Bedeutung. Auch wenn grundsätzlich vorgesehen sein sollte, dass der Kassier im Stehen arbeitet, muss er die Möglichkeit haben, sich zu setzen. Gegenebenfalls ist auch eine Fußstütze beizustellen, damit die Beine entlastet sind. Das Kassapult muss so gestaltet sein, dass der Kassier einen Freiraum für die Beine hat und Ausgleichsbewegungen ausführen kann.

Fazit

Das elegante Designer-Möbel, das Felix B. für seine Boutique als Kassenarbeitsplatz einsetzt, entspricht nicht den strengen Vorgaben des Arbeitnehmerschutzes. Felix B. wird daher eine andere Lösung finden müssen.

 

Dr. Kurt Wratzfeld
Dr. Kurt Wratzfeld(c) Felicitas Matern

Kurt Wratzfeld ist Partner bei der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp) mit Spezialisierung in den Bereichen Arbeitsrecht, Prozessführung, Betriebspensionsrecht und allgemeines Zivilrecht. Er ist Autor zahlreicher Publikationen.

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