Neue, jüngere Köpfe für Deutschlands Kabinett

Thomas de Maizière ging als Grandseigneur. Ein politisches Amt sei nur auf Zeit verliehen, sagte der 64-jährige ein wenig wehmütig vor dem Konrad-Adenauer-Haus vor einer Reporterschar, damit es auch alle hören konnten. Er war einer der Schlüsselakteure der Ära Merkel, von Anfang an – seit November 2005 – dabei: als Kanzleramtsminister und später als Verteidigungsminister. Und stets agierte er als Diener seiner Herrin. Er sprang dort ein, wo die Kanzlerin ihn hinsetzte – zuletzt 2013 ins Innenministerium, als er Ursula von der Leyen als Verteidigungsministerin weichen musste.
Ein zweiter Schlüsselminister ging zunächst ohne große Worte. Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte als Außenminister seine Bestimmung gefunden. Als Nachfolger des designierten Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier schlüpfte der ehemalige Umweltminister der ersten großen Koalition unter Merkel mit Verve in die neue Rolle des Chefdiplomaten, wo er durch eine relativ unverblümte Sprache auffiel. Er fand Gefallen daran, und er es wäre am liebsten geblieben. Auch das Finanzministerium hätte er sich zugetraut. Ob er nach dem Rückzug von Schulz sein Ministerium behalten darf, ist unklar.

Die 47-jährige Ex-Juso-Chefin Andrea Nahles (SPD) ist erst im Oktober als Arbeitsministerin aus der Regierung ausgeschieden, um den SPD-Fraktionsvorsitz zu übernehmen – die wichtigste Schlüsselfunktion außerhalb des Kabinetts. „Ab jetzt gibt es auf die Fresse“, beschied sie ironisch der Kanzlerin. Als Ministerin hatte sie Respekt auch unter ihren konservativen Kollegen erworben. Mit einer mitreißenden Rede rettete die Rheinland-Pfälzerin aus der Vulkaneifel, Alleinerzieherin einer sechsjährigen Tochter, auf dem Parteitag in Bonn kürzlich die Entscheidung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Nun wird sie als erste Frau SPD-Chefin, nach Franz Müntefering das „schönste Amt nach dem Papst“. Einst hatte sie dazu beigetragen, die Parteichefs Rudolf Scharping und Müntefering zu stürzen. Inzwischen ist sie zur Pragmatikerin gereift. Schulz pries sie im Willy-Brandt-Haus als „Hammer und Amboss“ der SPD.

Der 43-jährige Niederbayer Andreas Scheuer aus Passau übernimmt von Alexander Dobrindt, seinem Vorgänger als CSU-Generalsekretär, das Verkehrsministerium, das nun mit den Agenden der Digitalisierung aufgepeppt ist. Er hat Fachkenntnis in dem Ressort – schließlich war er von 2009 bis 2013 Staatssekretär in dem Ministerium. Große Spuren hat er allerdings nicht hinterlassen. Seine Sporen erwarb sich Schauer als Scharfmacher der CSU in der Bundespolitik – wie die Generalsekretäre vor ihm, wie Edmund Stoiber oder Markus Söder. Peinlich war eine Plagiatsaffäre, bei der er schließlich den Doktortitel zurückgeben musste.

Die 39-jährige Fränkin Dorothee Bär (CSU), Mutter dreier Kinder, sitzt bereits seit zwölf Jahren im Bundestag und gilt als einer der Zukunftshoffnungen der CSU – und als Symbol für eine Verjüngung und eine Verweiblichung der Christsozialen. Sie ist ein gern gesehener Gast in TV-Talkshows. Das Ministerium für Entwicklung gilt als zweitrangig. Bär löst den CSU-Politiker Gerd Müller ab.

Zum Ende seiner Karriere gönnt sich der 68-jährige CSU-Chef Horst Seehofer, der im März das Amt als bayerischer Ministerpräsident an Markus Söder zurückgeben wird, eine Rückkehr nach Berlin. Hier ging sein Stern auf – als Abgeordneter, der mit der damaligen Oppositionsführer Merkel einen heftigen Strauß in der Gesundheitspolitik ausfocht, und später Agrarminister in der Koalition Merkel I. 2008 ging Seehofer zurück nach München, wo er in einer Doppelfunktion als Parteichef und Ministerpräsident auch die Politik in Berlin entscheidend mitbestimmte – oft als unliebsamer Zwischenrufer für die Kanzlerin, insbesondere als Mahner in der Flüchtlingspolitik.
Im Wahlkampf hat der CSU-Chef schon den Anspruch auf das Innenministerium erhoben – allerdings für Joachim Herrmann, den bayerischen Innenminister und zugleich seinen Favoriten für die Nachfolge als Parteichef. Der CSU-Chef müsse in Berlin eingebunden sein in die Regierung. Es war auch ein Manöver, um Söder als Nachfolger auszuschalten. Nun hat er sich selbst ein Ausgedinge in der Politik geschaffen. Das Innenministerium war bereits zu Zeiten Franz Josef Strauß' eine Erbpacht für die CSU – umso mehr, da jetzt die Heimat-Agenden dazugekommen sind.

Die 45-jährige CDU-Vizechefin Julia Klöckner ist als Merkel-Stellvertreterin eine langjährige Personalreserve der Christdemokraten in Berlin, wo sich als junge Abgeordnete von sich reden machte. Immer noch ist sie ein Stammgast in den Polit-Shows, und bei den Koalitionsverhandlungen verging zuletzt kaum ein Tag ohne eine Statement Klöckners. Das Magazin „Cicero“ rief sie vor wenigen Jahren bereits voreilig als Erbin Merkel aus.
Dafür muss sich die ehemalige Weinkönigin – und Tochter einer Weinbauern-Dynastie – aus Rheinland-Pfalz nun die Meriten erwerben – passenderweise als Agrarministerin. Zwei Mal war sie zuvor schon bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz als CDU-Spitzenkandidatin gescheitert – erst gegen den Amtsinhaber Kurt Beck, dann als eigentliche Favoritin 2016 gegen dessen Nachfolgerin Malu Dreyer.

Als SPD-Generalsekretär unter Gerhard Schröder hat sich der 59-Jährige Olaf Scholz (SPD) wegen seiner Phrasen den Beinamen „Scholzomat“ erworben. Als Bürgermeister in Hamburg gewann er an Souveränität – bis im Sommer das Chaos um den G20-Gipfel in der Hansestadt ausbrach, als im Schanzenviertel die Barrikaden brannten. Der passionierte Ruderer und Pragmatiker, ein Schulz-Stellvertreter, wurde immer wieder als SPD-Chef und als Kanzlerkandidat gehandelt. Er könnte neuer Finanzminister und Vizekanzler werden.

Der 59-jährige Saarländer Peter Altmeier (CDU), ein Bonvivant, ist ein Mann für alle Fälle innerhalb der CDU – und einer der wenigen engen Vertrauten der Kanzlerin. Noch zu Bonner Zeiten beteiligte er sich an der Pizza-Connection zwischen jungen CDU- und Grün-Abgeordneten, die das Terrain für eine künftige schwarz-grüne Koalition sondieren sollten.
Für Merkel wurde Altmeier unverzichtbar – zuerst als Verbindungsmann zur CDU-Bundestagsfraktion, später als Minister in vielfältigen Ressorts. Zunächst agierte er als Umweltminister, danach als Kanzleramtschef, der immer mehr Agenden an sich zog – die Flüchtlingspolitik und zuletzt gar noch das Wahlkampfmanagement. Als Wolfgang Schäuble als Bundestagspräsident im Oktober aus dem Kabinett ausschied, übernahm er nebenbei noch das Finanzressort. Dies hätte er dem Vernehmen nach auch gerne behalten. Nun übernimmt der umtriebige Politiker das Wirtschaftsministerium – um später vielleicht einmal als Kommissar nach Brüssel zu wechseln. So kolportiert es jedenfalls die Berliner Gerüchtebörse.

Einer, der für die Verjüngung der Union stehen könnte, ist Jens Spahn. Er gilt seit längerem als Hoffnunsträger der jungen, konservativen CDU-Anhänger. Im Interview mit der "Presse" [premium] gab er sich auf die Frage nach einem möglichen Ministeramt ausweichend: "Das würde auch niemandem helfen. Ich gehe immer mit dem um, was kommt."

Doch nichts wird es mit dem Außenminister-Posten für Martin Schulz. Der langjährige EU-Parlamentspräsident war in seiner politischen Karriere zuletzt nicht von Fortüne verfolgt. Erst hat er gegen Jean-Claude Juncker als Spitzenkandidat der Sozialdemokraten die EU-Wahl verloren. Dann kam er unverhofft zur Ehre – und Bürde – des SPD-Frontmanns gegen Angela Merkel und fuhr das historisch schlechteste SPD-Ergebnis bei Bundestagswahlen ein: 20,5 Prozent – ein Debakel. Als Parteichef unterliefen Schulz auch handwerkliche Fehler, zum Beispiel, als er eine Regierungsbeteiligung für sich und seine Partei aus – um eine halsbrecherische 180-Grad-Wende zu vollziehen. Erst als Außenminister angekündigt, verzichtete er nach heftiger partei-interner Kritik auf ein Regierungsamt.