Strafrecht: Reform 2016 brachte strengere Strafen für Gewalt

Justitia im Justizpalast
Justitia im Justizpalast (c) Clemens Fabry (Presse)
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Richter, Rechtsanwälte, Wissenschafter und Oppositionspolitiker halten wenig bis nichts von einer weiteren Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualdelikten.

Richter, Rechtsanwälte, Wissenschafter und Oppositionspolitiker halten wenig bis nichts von einer weiteren Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualdelikten. Sie fordern, erst einmal zu untersuchen, wie sich die große Strafrechtsreform 2016 ausgewirkt hat. Denn diese brachte bereits strengere Strafen für Gewaltdelikte, um die Balance zu den Vermögensdelikten ausgewogen zu gestalten.

Aus Sicht der türkis-blauen Regierung ist die Balance allerdings immer noch nicht gegeben. Laut Regierungsprogramm ist die "weitere Strafverschärfung bei Gewalt- und Sexualdelikten" das vordringlichste Ziel im Justizbereich. Dass jetzt nicht Justizminister Josef Moser, sondern Innenministeriums-Staatssekretärin Karoline Edtstadler (beide ÖVP) die Strafrechtsnovelle vorbereitet, stieß in Juristenkreisen auf großes Befremden.

Die große Strafrechtsreform 2016 wurde unter Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) ausgearbeitet und trat am 1. Jänner 2016 in Kraft. Seither müssen Straftäter mit deutlich schärferen Strafen rechnen, wenn sie Leib und Leben ihres Opfers gefährdet haben - während gegen Vermögensdelikte erst bei einem höheren Schaden mit voller Härte vorgegangen wird. Rund 200 Tatbestände wurden im Strafgesetzbuch überarbeitet, um ein ausgewogeneres Verhältnis der Strafen von Gewalt- und Vermögensdelikten zu schaffen.

So wurde die Strafdrohung für Körperverletzung verdoppelt: auf absichtliche schwere Körperverletzung stehen seitdem bei schwerer Dauerfolge ein bis 15 Jahre Freiheitsstrafe, mit Todesfolge fünf bis 15 Jahre. Wer grob fahrlässig Menschen tötet, muss bis zu drei Jahre ins Gefängnis, sind mehrere Menschen (z.B. bei einem Autounfall) betroffen, bis zu fünf Jahre. Ein neuer Tatbestand wurde für die (schon davor strafbare) Zwangsheirat geschaffen, dafür drohen sechs Monate bis fünf Jahre.

"Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung"

Als "Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung" wurden auch Fälle strafbar, in denen sich Opfer aus Angst nicht wehren (Strafdrohung bis zu zwei Jahren Haft). Bis zu sechs Monate Haft drohen für entwürdigende Berührungen an Körperstellen, die der Geschlechtssphäre zuordenbar sind - der sogenannte "Po-Grapsch-Paragraf". Gänzlich neu strafbar wurde das Cybermobbing (eine Verletzung der Privatsphäre im Internet, die die Lebensführung des Opfers beeinträchtigt).

Verschärft wurde auch der Bereich der Verhetzung: Darauf stehen seit der Novelle bis zu zwei Jahre Haft, wenn ca. 30 Menschen (davor 150 Menschen) zu Gewalt aufgefordert oder zu Hass aufgestachelt werden; hört eine "breite Öffentlichkeit" (150 Menschen) zu, bis zu drei Jahre. Begehen "Aufgestachelte" eine Gewalttat, drohen dem Hetzer bis zu fünf Jahre Haft.

Im Drogenbereich wird seit Anfang 2016 verstärkt nach dem Grundsatz "Therapie statt Strafe" vorgegangen: Kauf und Besitz von Kleinstmengen für den Eigengebrauch führen nicht mehr automatisch zur Strafanzeige, wenn die Betroffenen mit den Gesundheitsbehörden kooperieren.

Reform brachte "zweite Chance"

Neben strengerem Vorgehen gegen Gewalttäter brachte die Reform des Vorjahres unter anderem auch eine "zweite Chance" und möglichst wenig Haft für Jugendliche - sie sollen wieder auf den "richtigen Weg" gebracht werden, U- und Strafhaft möglichst vermieden werden. Deshalb wurden mit der Reform des Jugendgerichtsgesetzes Alternativen zur Haft wie betreutes Wohnen, die Sozialnetzkonferenzen und die Jugendgerichtshilfe verankert.

Diese letzten beiden Punkte gingen der neuen Regierung offenbar zu weit. Im türkis-blauen Regierungsprogramm Justiz sind neben den strengeren Strafen für Sexual- und Gewalttäter auch Verschärfungen im Suchtmittelgesetz und für jugendliche Straftäter vorgesehen. So soll der Verkauf von Hanfsamen und Hanfpflanzen verboten und "einzelne Bestimmungen" des Suchtmittelgesetzes zum besseren Schutz Minderjähriger verschärft werden. Nicht sehr konkret sind die Pläne zu jugendlichen Straftätern: Es soll überprüft werden, ob die Strafdrohungen für junge Erwachsene an die der Erwachsenen angehoben werden; strafunmündigen Tätern drohen nicht näher definierte "effektive Maßnahmen".

(APA)

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