Missbrauchsvorwürfe gegen Kahr: "Verband sollte sich seiner Geschichte stellen"

Charly Kahr
Charly Kahrimago/Eibner
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Die Skitrainer-Legende Kahr wird unter anderem beschuldigt, in den Sechzigern eine damals 16 Jahre alte Sportlerin vergewaltigt zu haben. Ex-Skirennläuferin Werdenigg will den Verband zur Verantwortung ziehen.

Kurz vor Beginn der Olympischen Winterspiele in Pyeongchang erschüttern neue Missbrauchsvorwürfe den Österreichischen Skiverband (ÖSV). Zwei ehemalige Rennfahrerinnen erheben in einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ schwere Vorwürfe der Vergewaltigung und Nötigung gegen den legendären ÖSV-Trainer Karl „Charly“ Kahr. Der Zeitung liegen nach eigenem Bericht eidesstattliche Aussagen der beiden Frauen, die anonym bleiben, vor.

Eine Betroffene schildert, dass sie im Winter 1969/70 im Alter von 16 Jahren von Kahr vergewaltigt wurde. „Ich habe schon geschlafen, da ist Kahr auf einmal ins dunkle Zimmer gekommen und hat mich vergewaltigt. Ich habe ihn erst bemerkt, als er schon auf mir lag. Er war ganz sicher nicht betrunken“, wird die Frau zitiert. Aus Angst und Scham habe sie alles über sich ergehen lassen. „Ich hätte mich wehren sollen. Aber das traust du dich in dem Moment nicht. Er war mein Trainer, du hast zu ihm aufgeschaut als 16-jähriges Mädchen.“ Erst ein halbes Jahr später habe sie sich einer Teamkollegin anvertraut. Sie sagt: „Ich weiß, dass ich nicht die Einzige war.“

"So, heut' bist du dran"

Eine andere ehemalige Weltcupfahrerin berichtet von zwei Übergriffen. Den ersten Vorfall hatte sie bereits Mitte November im „Standard“ dargestellt, dabei jedoch noch nicht den Namen Kahr genannt. Dieser habe sie 1976 in Kanada mit den Worten „So, heut' kommst du dran“ in ein Hotelzimmer gezerrt. Zeuge dieses Vorfalls soll Toni Sailer gewesen sein. „Neben ihm war noch ein Bett, da lag der Toni Sailer drin, relativ besoffen, zwei leere Whiskeyflaschen neben ihm. (...) Ich glaube, Sailer hatte den Oberkörper frei, er hat auf jeden Fall gegrinst“, erzählte die Frau gegenüber der „SZ“. Sie habe sich losreißen und im Badezimmer verschanzen können und erst später das Zimmer verlassen. Der zweite Fall habe sich im Winter 1968/69 zugetragen, damals noch minderjährig, wurde sie von Kahr auf einer Zugfahrt in sein Abteil geholt und ihr Kopf unter eine Skijacke auf seinem Schoß gedrückt – auf seinen entblößten Penis. Es sei damals ein offenes Geheimnis gewesen, dass Kahr „jede wollte und mit fast jeder geschlafen hat“, so die Frau.

Ex-Rennläuferin Nicola Werdenigg, die vergangenen November als Erste Missbrauchsvorwürfe gegen den ÖSV öffentlich gemacht und die Causa damit ins Rollen gebracht hat, fordert den Österreichischen Skiverband auf, sich seiner Geschichte zu stellen und Verfehlungen aufzuarbeiten.  "Natürlich kann man Präsident Peter Schröcksnadel nicht für die Taten von damals verantwortlich machen", sagt Werdenigg dem "Standard". Aber: "Es wäre schön, wenn er sich auch auf die Seite der ehemaligen SportlerInnen stellen würde. Das wäre ein Zeichen."

Die Vorwürfe seien ihr bekannt gewesen, sagt sie in dem Interview. Kahr sei "immer besonders rau und unsensibel in Erscheinung getreten, nicht nur gegenüber Frauen." Gegenüber der "Süddeutschen Zeitung hatte sie Kahr und Sailer für eine „Verrohung“ im Skiverband verantwortlich gemacht. „Die zwei haben in den Betrieb der Serviceleute und anderen Trainer Sodom und Gomorrha reingebracht. Es gab keine Grenzen mehr“, sagt sie.

Kahr-Anwalt dementiert Vorwürfe

Strafrechtlich dürften die Taten verjährt sein. Der heute 85-jährige Kahr trainierte von 1966 bis 1970 die österreichischen Alpinfrauen und war von 1976 bis 1985 Cheftrainer der alpinen ÖSV-Herren. Der einst so erfolgreiche Skitrainer, der 21 Ehrungen, darunter das silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich erhalten hat, ließ über Anwalt Manfred Ainedter die Vorwürfe dementieren. "Das ist glatte Verleumdung. Tatsache ist, es ist nicht wahr." Außerdem sagte der Rechtsanwalt: "Es ist kein Zufall, dass so etwas kurz vor Beginn der Olympischen Spiele veröffentlicht wird. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass auf diesem Wege versucht wird, auf die österreichische Mannschaft Einfluss zu nehmen."

Von Verbandsseite hieß es auf „SZ“-Anfrage: „Dem ÖSV sind keine Übergriffe von Karl Kahr bekannt.“ Vonseiten des Skiverbandes werde es keine direkte Stellungnahme geben, erklärte ÖSV-Pressechef Josef Schmid am Freitag auf APA-Anfrage in Pyeongchang. Bis die Staatsanwaltschaft Innsbruck neue Erkenntnisse habe, würden zu dieser Causa nur PR-Beraterin Heidi Glück bzw. Opferschutzanwältin Waltraud Klasnic sprechen.

>>> Zum Artikel in der "Sueddeutschen"

>>> Zum Artikel im "Standard"

(red/APA)

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