Kerns „Österreich“-Boykott

Christian Kern.
Christian Kern. (c) APA/EXPA/JOHANN GRODER (EXPA/JOHANN GRODER)
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SPÖ. Die jahrelange Nähe zum Boulevard ging im Nationalratswahlkampf nach hinten los. Christian Kern spricht nun nicht mehr mit „Österreich“.

Wien. Jede Partei versucht auf ihre Weise, in den Medien gut wegzukommen. Die Strategie der SPÖ ist im Nationalratswahlkampf für Parteichef Christian Kern aber nach hinten losgegangen.

Seit jeher pflegt die Partei gute Kontakte zum Boulevard – und gilt als Miterfinder der Blätter „Österreich“ und „Heute“. So war „Heute“-Geschäftsführer Wolfgang Jansky einst Pressesprecher von Werner Faymann – „Österreich“-Herausgeber Wolfgang Fellner ist ein alter Freund des Ex-Kanzlers. Oftmals stand die SPÖ in der Kritik, überbordend viel Steuergeld in Form von Inseraten in diese Medien zu pumpen.

Im vergangenen Nationalratswahlkampf hat sich die SPÖ vorgenommen, das Inseratengeld für den Boulevard zu reduzieren – vor allem für „Österreich“ wurden die Zahlungen gedrosselt, die Partei kritisierte eine unseriöse Berichterstattung. Mit abnehmendem Inseratenvolumen wurde aber auch die Berichterstattung zunehmend unvorteilhafter für den SPÖ-Spitzenkandidaten. Zwischen Kern und der Zeitung kam es zu Zerwürfnissen, die schließlich in einem Boykott der Partei gipfelte, der bis heute aufrecht ist. Grund dafür waren die Veröffentlichungen zum sogenannten „Prinzessinnenpapier“. Dieses Psychogramm hatte SPÖ-Berater Tal Silberstein für den internen Gebrauch produzieren lassen – Kern wurde darin als Prinzessin mit Glaskinn beschrieben. Dieser war über die Berichte erzürnt und warf dem Medium vor, gegen ihn zu kampagnisieren. „Offenbar erwartet sich der Herausgeber dadurch mit anderen Kandidaten bessere Geschäfte“, sagte Kern damals. Und: „Ich mache da nicht mehr mit.“ Er stoppte alle Inserate, sagte alle Interviews ab.

Doris Bures und die alten Seilschaften

Bis heute ist das Verhältnis mit dem SPÖ-Chef zerrüttet, Gesprächsbasis gibt es keine. Die Berichterstattung über Kern ist nach wie vor nicht gerade wohlwollend – dafür aktivieren in der SPÖ manche offenbar alte Seilschaften. Seit Tagen berichtet „Österreich“ über die angeblich geplante Ablöse Kerns. Doris Bures, Zweite Nationalratspräsidentin und eine alte Vertraute Faymanns, wird schon als Nachfolgerin gehandelt. (ath)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2018)

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