Chaostage im ORF: Die FPÖ poltert, die ÖVP schweigt

Alexander Wrabetz.
Alexander Wrabetz. (c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Alexander Wrabetz bleibt vorerst ORF-Chef, doch sonst dürfte sich unter Kanzler Kurz einiges ändern. Von Gebühren bis Schlüsselpositionen.

Offiziell hält sich die ÖVP betont zurück, wann immer es derzeit um den ORF geht. Und überlässt das Poltern und Kritisieren lieber ihrem Regierungspartner, der FPÖ. Stellt man konkrete Fragen zu Reform- und Umbauplänen im ORF, bekommt man ausweichende oder keine Antworten – mit dem Hinweis auf die für März geplante Medienenquete, bei der all diese Themen mit Experten ausgiebig diskutiert werden sollen. Doch im Hintergrund überlegen sich Bundeskanzler Sebastian Kurz und sein Team natürlich genau, wie sie den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verändern könnten. Währenddessen vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine neue Aufregung über offizielle wie inoffizielle, konkrete und sehr vage Postenbesetzungen und Pläne wie zuletzt die angebliche Einstellung von FM4 bekannt wird. So entsteht der Eindruck, hier werde negative Stimmung gegen den ORF gemacht, um das Unternehmen und die leitenden Köpfe müde und mürbezumachen.

All diese ständig aufpoppenden Themen hängen einmal mehr, einmal weniger miteinander zusammen, haben aber letztlich immer damit zu tun, dass die Regierung mehr Einfluss auf die Berichterstattung im ORF haben will. Ein Überblick, welche Debatten rund um den ORF derzeit wie und warum geführt werden:


Das Bumerangthema Gebühren: Sie kommt alle Jahre wieder, die Debatte über Berechtigung und Höhe der Rundfunkabgaben. Diesmal entfachte sie Infrastrukturminister Norbert Hofer mit seinem erzürnten Tweet über die „Zeit im Bild“, die ihn in einem Beitrag zum Treffen der EU-Verkehrsminister vergessen hatte: Er stellte die Abschaffung der „Zwangsgebühren“ in den Raum, wie die FPÖ die Rundfunkgebühr konsequent nennt. Erstaunlich, weil Hans-Jörg Jenewein, der Mediensprecher der Partei, noch drei Tage davor im Ö1-Medienmagazin „Doublecheck“ erklärt hatte, dass die GIS-Gebühr zwar gesenkt werden solle, aber ein Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Österreich abgab.

Womöglich schielt die FPÖ bei diesem Thema zum Nachbarn und der No-Billag-Initiative der Schweizer Volkspartei SVP. Am 4. März stimmen die Bürger in einer Volksabstimmung über die Rundfunkgebühren ab, die dort die Billag einhebt. Eine aktuelle Umfrage des privaten Medienkonzerns Tamedia zeigt allerdings, dass 61 Prozent der Befragten gegen die Abschaffung sind. Die österreichische Debatte wird von der „Krone“ befeuert. Mit Schlagzeilen wie „Heftige Debatte um ORF-Gebühren“ und Verständnis für Minister Hofers Zorn über die "ZiB".

Die Cheffrage: Auf ewig in Stein gemeißelt ist die Entscheidung sicher nicht, aber vorerst heißt es einmal: Alexander Wrabetz bleibt. Im August 2016 wurde er zum dritten Mal für eine fünfjährige Amtszeit bis 2021 vom Stiftungsrat zum Generaldirektor bestellt. Vor allem die ÖVP will in der Öffentlichkeit nicht den Eindruck erwecken, den ORF radikal umzufärben. Deshalb soll er jetzt einmal bleiben, solang er sich als angenehmer Partner für die Bundesregierung erweist. So erzählt man es sich in ÖVP-Kreisen hinter vorgehaltener Hand. Als wahrscheinlich gilt, dass die Führungsetage unter Wrabetz bis zum Sommer umgebaut wird. So könnten Radiodirektorin Monika Eigensperger oder Programmdirektorin Kathrin Zechner für den von der FPÖ gestützten Onlinechef Thomas Prantner oder andere Kandidaten Platz machen. Schon bei seiner nächsten Sitzung am 22. März wird der Stiftungsrat in neuer Besetzung zusammenkommen. Die Parteien werden kommende Woche ihre neuen Räte bekannt geben, die FPÖ bekommt ja deutlich mehr als bisher, die SPÖ deutlich weniger, die Grünen verlieren mit dem verpassten Einzug ins Parlament ihren Vertreter im ORF-Aufsichtsrat, die Liste Pilz bekommt einen.


Umbau in der Information: Alexander Wrabetz gilt als Supertaktiker, der Entscheidungen auf die sehr lange Bank schiebt – um sie kurz vor oder in der Urlaubszeit zu fällen. Just in der vergangenen Wiener Ferienwoche hat der Chef den lang angekündigten Organisationsplan für die von ihm erfundenen „Channelmanager“ von ORF eins und ORF2 an Betriebs- und Redakteursrat verschickt. Jetzt rächt sich, dass er sich so lange Zeit gelassen hat mit dieser Personalie. Seit über einem Jahr ist der Organisationsumbau geplant, Stiftungsräte, darunter auch bürgerliche hatten mehrfach gefordert, mit dieser Entscheidung nicht zu lange zu warten. Als Kandidaten für diese neuen Posten werden schon länger ORFeins-Info-Chefin Lisa Totzauer und Innenpolitikressortleiter Hans Bürger, seit Kurzem auch „ZiB“-Redakteur Matthias Schrom und „Seitenblicke“-Chef Alexander Hofer genannt.

Kommen die Senderchefs, fallen Posten wie etwa jener des (von beiden Regierungsparteien nicht besonders geschätzten) „ZiB“-Chefredakteurs Fritz Dittlbacher weg. Die Information wird somit komplett umgebaut. Wie der „Standard“ berichtet, ist eine tägliche Nachrichtenshow auf ORF eins geplant. Das Konzept der 21-Uhr-Sendung mit dem Arbeitstitel „Newsroom eins“ ist bereits in Auftrag gegeben. Den langjährigen „ZiB 2“-Sendungsleiter Wolfgang Wagner hat das offenbar dazu bewogen, sich in letzter Sekunde um die Leitung des Politikmagazins „Report“ zu bewerben. Denn in der TV-Information besteht große Sorge, die „ZiB 2“ könnte durch die neue News-Show auf ORF eins und eine fehlende klare Führung journalistisch ausgehungert werden. Dass man mit nur 20 Mitarbeitern eine einstündige Nachrichtensendung bespielen kann, hält kaum jemand für realistisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2018)

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