Fewa Wolle, weiße Weste – und Blüten im Februar

Die großen Roben der Künstlerinnen, als die Show schon vorbei ist: Spät in der Nacht, im Opernsalon, treffen sich vor allem die Künstler der Oper im informellen Rahmen.
Die großen Roben der Künstlerinnen, als die Show schon vorbei ist: Spät in der Nacht, im Opernsalon, treffen sich vor allem die Künstler der Oper im informellen Rahmen. (c) Luiza Puiu
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Stilkritik. Recht brav und bieder fand Modemann Mario Soldo das Operndefilee – und vermisst „endlich wieder eine Dame im Frack“.

Wien. Er ist ein wohlwollend-kritischer Beobachter: Mario Soldo, Wiener Modelagent und Modeexperte und selbst mit einem gesunden Hang zur Exzentrik ausgestattet, verfolgt den Opernball stets feierlich vor dem Fernseher – und lädt parallel auf Facebook zum gut besuchten Läster-Thread. 290 Teilnehmer tauschten sich gestern dort in 2300 (!) Kommentaren aus.

Und dann, spät in der Nacht, doch fast ein Ball wie jeder andere um so eine Uhrzeit.
Und dann, spät in der Nacht, doch fast ein Ball wie jeder andere um so eine Uhrzeit. (c) Luiza Puiu

Modisch die rote Karte erteilt er ausgerechnet jener Dame, die eigentlich ein paar Stäubchen Hollywoodglanz verbreiten sollte – der „echt netten“ Melanie Griffith. „Mit Fewa Wolle gewaschen“ sei ihr schlichtes schwarzes Kleid wohl, urteilt Soldo, und meint damit weniger den Recyclingaspekt (er liebe den kürzlich verstorbenen Azzedine Alaïa, dessen 20 Jahre alte Langarmanfertigung Griffith ausgeführt hatte) als die Anmutung eines Wollkleides. „So schlicht, dass es keinen Spaß mehr macht.“ Da half Griffiths rotes Collier rund um den engen Rundhalsausschnitt auch nicht mehr. Zumal die Kette zu lang war, um mit dem seltsamen Kragen abzuschließen.

Von der Staatsspitze hingegen erwartet man natürlich per se nicht Glanz und Glamour – einen Gefallen habe sich Ministerin Elisabeth Köstinger mit ihrer grauen Silvia-Schneider-Kreation aber auch keinen getan. „Ein Kleid, das aussieht wie ein Top mit Rock und Gürtel, das ist mehr After-Work-Clubbing als Opernball.“ Kanzler Kurz leuchtete (da ohne Orden) in purer weißer Weste, dessen Freundin, Susanne Thier, wirkte auf Soldo hingegen etwas verloren. First Lady Doris Schmidauer erinnerte ihn in ihrer (wiewohl typgerechten) Zurückhaltung ein wenig an Müsli: „Frugal“.

Das häufigste Motiv der Nacht: das eigene Gesicht. Selfies, wohin man schaut.
Das häufigste Motiv der Nacht: das eigene Gesicht. Selfies, wohin man schaut.(c) Luiza Puiu

Sonst seien durchaus große Roben und Grandezza zu sehen gewesen. Barbara Rett in Rot von J. C. Hoerl „in Mode und Gehabe ein absoluter Hingucker“, wie auch Model und Aktivistin Waris Dirie (in Schneider) und Opernsängerin Nina Adlon, ebenfalls in Hoerl. Daneben sei ihm, berichtet Soldo, auch Modemacherin Anelia Peschev positiv aufgefallen (Ballorganisatorin Maria Großbauer etwa trug ein Kleid von ihr), wie auch alle anderen Austro-Designer: „Griffith hätte aus dem Vollen schöpfen können.“ Dazu zählen auch die Steirerinnen Lena Hoschek und Eva Poleschinski, die im Gleichklang pastellige Blüten und Zweige verbreiteten. Ähnlich naturnah: Mirjam Weichselbraun im (deutschen) Label Kaviar Gauche.

Schneider-, Schmink- und Frisurenservice – alles inklusive.
Schneider-, Schmink- und Frisurenservice – alles inklusive.(c) Luiza Puiu

Apropos: Frühlingsgefühle gut und schön, so Soldo – „aber was die Damen vergessen: Es ist noch immer Februar.“ Da und dort hätten etwa auch Handschuhe oder eine Stola gutgetan. „Vor allem beim Ankommen waren manche einfach zu nackt, da wird einem ja beim Zuschauen kalt.“ Auch indoor bepelzt: Maxi Blaha – sie warb als Emilie Flöge für ihr Einpersonenstück im Belvedere.

Accessoires ausbaufähig

Generell, meint Soldo, sei der Umgang mit Accessoires ausbaufähig. Schuhe und Handtaschen, Spangen und Schmuck – „dieses eine Mal im Jahr“ sollten sie in einer Farbe koordiniert sein. Und die Haare mehr als nur eben da (wie bei Nina Proll). „Viel zu wenig Spektakel, doch ein bisschen brav und bieder“, lautet Soldos Resümee. Einen Wunsch hat er auch. „Es sollte sich wieder einmal eine Frau im Frack auf den Opernball trauen.“ Zumindest auch vor der Kamera – eine Fotografin im Schwalbenschwanzanzug wurde immerhin gesichtet. (tes)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2018)

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