Die Politik ist zurück auf dem Ball – mit vielen Debütanten und vermischten Rollen. Konservative geben sich unkonventionell, der (Ex-)Grüne gewährt „Küss die Hand“-Audienz.
Das, worauf in Wahrheit alle warten, hat in der Oper dann niemand mitbekommen. Der (potenzielle) Skandal, die Femen-Aktivistin, die auf dem Roten Teppich gegen den Besuch des ukrainischen Präsidenten, Petro Poroschenko, protestiert hatte, blieb drinnen unbemerkt. Ebenso wie die ziemlich überschaubare Anti-Ball-Demo.
Dabei spielte die Politik auf dem Ball diesmal keine kleine Rolle. Im Gegenteil. Nachdem im Vorfeld die (angekündigte, teilweise) Ballverweigerung der Regierungsspitzen fast für einen Aufruhr in der Walzerstadt gesorgt hätte, ist dann doch alles gut gegangen. Die Wichtigen waren da, Staatsball ist Staatsball, noch immer, der 62. Opernball ist sehr prominent besucht, aber beschaulich über die Bühne gegangen. Inszenierung geglückt.
Vor allem die des Kanzlers, auch wenn sich Sebastian Kurz nicht auf der Tanzfläche sehen ließ – er sei ein schlechter Tänzer, sagte er im Interview etwas kokett. Videos von Tanzschritten (so sie denn holprig ausgefallen wären) hätten wohl nicht zum sorgsam gepflegten Image gepasst. Was dafür gut passte: das dem Vernehmen nach günstige, von der Stange gekaufte Kleid von Lebensgefährtin Susanne Thier, das bodenständig-leutselige Foto bei Bitzingers Würstelstand oder die vorbildliche und symbolträchtige Gästeauswahl: Waris Dirie, Menschenrechtsaktivistin afrikanischer Herkunft, der junge, konservative (und schwule) irische Premier, Leo Varadkar, mit Partner Matthew Barrett oder Swatina Wutha und Felix Röper, das Paar mit Trisomie 21, das eröffnet hatte, wurden in die Kanzlerloge geladen.
Diversity in der Kanzlerloge
Der Ball, eine „Visitenkarte für die Stadt“, so Kurz – und wohl für ein nicht mehr so altbackenes Image seiner Partei. Immerhin war Türkis stark vertreten: Mit den Ministerinnen Elisabeth Köstinger und Margarete Schramböck und den Ministern Gernot Blümel und Hartwig Löger. Dass Letzterer als einziger mit Ehefrau, die übrigen türkisen Regierungsmitglieder allesamt mit nicht angetrauten Partnern gekommen sind, war dem Boulevard noch immer Schlagzeilen wert.
Aber das – die Abkehr von tradierten Bildern und Rollen – passt zum Imagewandel, um den sich auch Maria Großbauer auf dem Ball bemüht. Sie ist seit 2017 Organisatorin (nicht „Ballmutter“, so genannt zu werden findet sie „veraltet und schockierend“) und nun auch ÖVP-Nationalrätin. So hat sie im Vorfeld eine Debatte um Frauen und Empowerment organisiert. Da gehe es um Geschlechter, Klischees, Rollen, darum, dass prinzessinenhaft schöne Kleider an starken und gescheiten Frauen kein Widerspruch seien, hieß es da.
Wie Rollentausch (in Form einer resoluten Damenwahl) ausschauen kann, zeigte Großbauer spätnachts selbst: „Jedes Bezirksmusikantenfest hat seine Ehrendame, geh, sei so gut, Maria, dirigier uns einen Marsch!“, wurde sie vom Code 1842, einem Ensemble aus Musikern des Staatsopernorchesters und der Philharmoniker, bei einer Einlage im Opernsalon aufgefordert zu dirigieren. Tat sie, schnappte sich dann Parteikollegen Blümel – und die alte Floskel von der flotten Sohle umschreibt ganz gut, was die beiden unter Applaus hingelegt haben.
„Küss die Hand“
Aber trotz all der Bemühungen, mitunter geht es in der Oper noch zu, als sei die Kaiserzeit nie vorbeigegangen. In der Präsidentenloge etwa. Fast in Manier einer Audienz (und mitunter mit amüsiert-irritiertem Gesicht, als fände er das selbst auch ein wenig wunderlich) hielt Bundespräsident Van der Bellen nach der Eröffnung Hof: Wem die Herren vor seiner Logentür Einlass gewährten, durfte für Fotos und ein paar Höflichkeiten vorsprechen. Van der Bellen zeigte sich präsidial: Grüßt mit „Küss die Hand“, kleine Verbeugung inklusive.
Und dort standen sie nach der Eröffnung alle: Künstler, Minister – oder jene Leute, die überall dort stehen, rastlos wandern, wo sie Kameras vermuten, die selbst die Feststiege mehrmals nehmen.
Vor allem aber traf sich in den Gängen Politik. Karin Kneissl, obwohl parteilos als einzige Vertreterin des FPÖ-Regierungsteams auf dem Ball, stellte Van der Bellen überschwänglich eine Freundin vor. Poroschenko war dann, als etwa das Paar mit Trisomie 21 herzlich vom Präsidenten empfangen wurde, eher Zaungast.
Vor der Loge traf man Minister, Wirtschaftskammerpräsidenten Christoph Leitl, EU-Kommissar Johannes Hahn und Partnerin Susanne Riess, etwa. Letztere kamen übrigens mit Rot-weiß-rot-Schärpe. Die sah man in dieser Nacht auch an Van der Bellen oder Michael Häupl – sonst selten. Mangels Orden der neuen jungen Politiker? Oder ein Zeichen der Zeit – insgesamt sah man wenig Orden – und wenn, dann nicht immer von Bedeutung. Mit der großen Balletikette, wer was wann exakt wie trägt, ist es ohnehin vorbei – man betrachtet Kleider, Frisuren, die Clowns, die sich vor Boulevardkameras produzieren – aber das ist lang kein Skandal mehr.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.02.2018)