Der Kampf um die alten Häuser

Zu spät zum Eingreifen: Markus Landerer von der Initiative Denkmalschutz vor dem vergangenes Wochenende abgerissenen Landhaus Ottakring.
Zu spät zum Eingreifen: Markus Landerer von der Initiative Denkmalschutz vor dem vergangenes Wochenende abgerissenen Landhaus Ottakring.(c) Stanislav Jenis
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Der Abriss des Ottakringer Landhauses sorgte für Empörung. Doch alte Gebäude verschwinden laufend und weniger öffentlich beachtet. Die Initiative Denkmalschutz will das nicht zulassen.

Es ist ein Wahnsinn, sagt der ältere Herr. Das schöne alte Gasthaus. Auf einmal waren da nur noch Trümmer. Und ein Stück des alten Ottakring, das Landhaus, ist nur noch in Resten hinter einem Bauzaun zu sehen. Immer wieder bremsen sich Autos am Ende der Albrechtskreithgasse ein, schauen die Insassen auf die Baustelle, wo noch bis vor einigen Tagen ein Lokal war. Und die Anrainer sagen schwermütige Sätze, dass etwas verloren gegangen sei, das hier dazugehört habe.

„Es ist ein prominenterer Fall, weil es ein Gasthaus war“, sagt Markus Landerer. Ein Ort, den viele Menschen besucht haben, mit dem sie Erinnerungen verbinden. Und der dann auch schnell medial aufgegriffen wurde. „Weil da Emotionen dahinterstecken.“ Ein Einzelfall sei der Abriss des Ottakringer Landhauses aber keinesfalls.

Als Vorstand der Initiative Denkmalschutz hat Landerer tagtäglich mit ähnlichen Fällen zu tun, die an seinen Verein herangetragen werden. Von alten Häusern, die von einem Tag auf den anderen plötzlich nicht mehr da sind. „Mein Eindruck ist, je versteckter ein Haus ist und je weniger Öffentlichkeit es gibt, desto leichter geht das.“

Dass der Abriss des Landhauses ausgerechnet an einem Samstag, noch dazu am Beginn der Semesterferien, begann, hält er für keinen Zufall. Landerer erinnert sich an einen ähnlichen Fall, den Abriss eines Hauses neben der Klimt-Villa in Unter Sankt Veit 2002 – unmittelbar am Wochenende zu Beginn der Sommerferien. In so einem Fall seien die Behörden nicht mehr erreichbar, die vielleicht noch einschreiten könnten – und auch die Öffentlichkeit bekomme nicht so viel mit. Am Ende wurden dann Fakten geschaffen.

Im Fall des Landhauses sei nun ein ebenerdiges Haus aus der Gründerzeit beseitigt worden, wie es einst typisch für die Wiener Vorortestruktur war – mittlerweile seien solche Gebäude nur mehr sehr selten zu finden. Um das Erscheinungsbild dieses Hauses zu erhalten, meint man bei der Initiative, hätte die Stadt längst eine Schutzzone erlassen müssen. Mit einer solchen Zone kann die Stadt unabhängig davon, ob ein Haus denkmalgeschützt ist oder nicht, charakteristische Ensembles vor dem Abbruch schützen.

Solche Zonen im Flächenwidmungsplan werden vom Gemeinderat beschlossen – in der Regel auf Vorschlag der für Stadtgestaltung zuständigen MA 19. Allein, wo gewidmet wird und wo nicht, sei nicht immer nachvollziehbar, meint Landerer. So seien etwa zuletzt in Margareten und der Leopoldstadt mehrere Häuser und Ensembles für schutzwürdig erachtet worden, in Meidling dagegen sehr wenige – obwohl es seiner Ansicht nach auch dort zahlreiche gute Kandidaten gebe.

Technische Abbruchreife. Auch beim Ottakringer Landhaus sei laut MA 19 eine Schutzzone geprüft worden – doch sei laut der Wiener Bauordnung kein erhaltenswertes Ensemble gegeben gewesen, weil es dafür mindestens drei kultur- oder architekturhistorisch interessante Objekte brauche. Allerdings sei man sich in der Stadt bewusst, dass man es mit einer Gesetzeslücke zu tun habe und die Bauordnung geändert werden solle. So solle künftig der Abbruch eines Gebäudes außerhalb einer Schutzzone, das vor 1945 errichtet worden ist, nur mehr nach Vorlage bei der MA 19 möglich sein.

Wobei selbst die Lage in einer Schutzzone keine Garantie dafür ist, dass alte Häuser vor dem Abriss geschützt sind. So gibt es etwa den viel zitierten Begriff der technischen Abbruchreife. Der wird von Immobilienbesitzern immer wieder ins Spiel gebracht, um auch solche Häuser entfernen zu können. Hier muss der Besitzer mit einem Gutachten nachweisen, dass eine Sanierung nicht mehr rentabel ist.

Und dem gehe der Initiative Denkmalschutz zufolge oft voran, dass das Gebäude mutwillig verfallen gelassen wird. Landerer berichtet etwa von einem 1772 errichteten Haus in der Strozzigasse, das 2015 einen negativen Abbruchbescheid erhalten habe. Um das Haus sanieren lassen zu können, habe der Altstadterhaltungsfonds sogar 69.000 Euro zur Verfügung gestellt – doch habe die Eigentümerin die Summe verfallen lassen. Die Stadt sei in solchen Fällen machtlos, könne keinen Eigentümer zur Sanierung zwingen. Immerhin habe es aber im Vorjahr doch noch eine Einigung gegeben.

Um solche Problemfälle gar nicht erst aufkommen zu lassen, fordert die Initiative Denkmalschutz, dass insbesondere in Fällen jahrelanger Vernachlässigung keine Abbruchbewilligungen mit der Begründung der technischen oder wirtschaftlichen Abbruchreife mehr erteilt werden sollen, sondern umgekehrt die Stadt die Wiederherstellung des baulich guten Zustands durchsetzen kann.

Dass eine Stadt wächst und mehr Wohnraum gebraucht wird, das steht auch für Landerer nicht zur Debatte. Und dass manches alte Haus weichen muss, um Platz für ein großes Wohnprojekt zu machen, das komme eben vor. Allerdings wehre man sich dagegen, dass hier viele Dinge intransparent passieren – und vieles über die Köpfe der Bürger hinweg beschlossen werde. Er rät Anrainern, die um ein erhaltenswürdiges Gebäude fürchten, sich bei einem Verdacht sofort an den Bezirk zu wenden – und da nicht nur an die Bezirksvorstehung, sondern an alle Parteien. „Wichtig ist, dass die Bürger dem eigenen Bezirk Rückmeldungen geben.“ Der könne dann im Gemeinderat Druck machen – und er habe doch ein gewisses politisches Gewicht. Und natürlich, so Landerer, sei man dankbar, wenn eine Kopie davon auch an seinen Verein gehe.

Auf einen Blick

Abbruch.Vergangenes Wochenende wurde das Ottakringer Landhaus abgerissen – für viele Anrainer überraschend. Nun wurde Kritik laut, dass die Stadt hier keine Schutzzone errichtet hat. Bei der zuständigen MA 19 argumentiert man, dass eine Schutzzone für ein einzelnes Gebäude gesetzlich nicht möglich sei – doch wolle man eine entsprechende Lücke in der Bauordnung bald schließen.

Schutzzonen werden vom Gemeinderat für den Flächen-widmungsplan beschlossen. In solchen Zonen dürfen Änderungen und Abbrüche nur unter bestimmten Voraussetzungen und mit Zustimmung des Gemeinderats erfolgen. Eine Garantie für den Erhalt eines alten Hauses ist das aber nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2018)

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