Mit einem Last-Minute-Ticket auf Anhieb Olympiasieger

Pyeongchang 2018 Winter Olympics
Pyeongchang 2018 Winter OlympicsREUTERS
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Der Tiroler David Gleirscher, 23, gewann sensationell Gold, es ist Österreichs erster Sieg in Pyeongchang und zugleich der erste im Herren-Einsitzer seit 50 Jahren. Dabei hätte er sich fast nicht für Südkorea qualifiziert.

Ein in lauter Schrei, wilde Umarmungen, ungläubige Blicke. Im Auslauf der Rodelbahn in Alpensia herrschte gehörige Aufregung, weil zu später Stunde schier Unglaubliches geschehen war. Der 23-jährige David Gleirscher, der wenig später lange Zeit nur ungläubig den Kopf schüttelte, hatte im Rodel-Einsitzer sensationell die gesamte Weltelite hinter sich gelassen. Der Olympiadebütant gewann Österreichs erste Goldmedaille im Herren-Einsitzer seit Manfred Schmid 1968 in Grenoble.

Nach dem ersten Tag hatte der Tiroler noch auf Platz zwei gelegen, nach dem dritten vor vier Läufen auf Platz drei. Dann folgte die Fahrt zu Gold, auch bedingt dadurch, dass der Olympiasieger von Vancouver (2010) und Sotschi (2014), Felix Loch, entscheidend patzte. Der Deutsche verspielte seinen komfortablen Vorsprung von über zwei Zehntelsekunden, fiel sogar auf Rang fünf zurück. Dann standen sie da, Gleirscher und Loch. Und beide schüttelten ungläubig den Kopf.

Last-Minute-Ticket nach Korea

Gleirscher wurde das Rodelgen in die Wiege gelegt. Sein Vater Gerhard ist dreifacher Olympiateilnehmer, fuhr 1994 und 1998 jeweils zu Platz sieben im Einsitzer. Wer im Vorfeld auf einen Medaillengewinn Gleirschers gesetzt hatte, war mutig, aber nicht verrückt. Der Tiroler hatte schon vergangenen November angedeutet, dass er mit der schnellen und technisch anspruchsvollen Bahn in Südkorea ausgezeichnet zurechtkommt.Im Training stellte er 2017 Bahnrekord auf. Mit Fortdauer des Bewerbs am Sonntag sollten einige Konkurrenten in einzelnen Läufen zwar schneller sein, aber keiner erreichte die Konstanz des Überraschungssiegers. Gleirscher, auch dieser Umstand macht die Geschichte hinter dieser Goldmedaille speziell, hatte sich erst im allerletzten Moment für diese Winterspiele qualifiziert. Mit einem sechsten Rang in Lillehammer löste er das dritte ÖRV-Ticket für Pyeongchang, setzte sich in der internen Qualifikation gegen seinen jüngeren Bruder Nico (20) und Armin Frauscher durch?– obwohl er als Einziger aus dem Trio keinen Podestplatz vorzuweisen hatte. Wolfgang Kindl und Reinhard Egger hatten ihre Tickets frühzeitig gebucht.

Im Weltcup (Debüt 2013) war Gleirscher bislang nicht sonderlich aufgefallen, als bestes Resultat steht ein vierter Platz zu Buche. Bei seinem Debüt im Zeichen der fünf Ringe aber trat er plötzlich ins Rampenlicht. Dass sich im Vorfeld medial alles auf Teamkollegen und Doppel-Weltmeister Wolfgang Kindl konzentriert hatte, war dabei gewiss kein Nachteil.

Medaillengaranten auf Kufen

Erfolge der österreichischen Rodler sind keine Seltenheit, sie haben sogar Tradition. Seit den Spielen 1992 in Albertville ist der Verband nie leer ausgegangen, das spricht für seine gute Arbeit. Mit Markus Prock?– er hat diesen Sport einst salonfähig gemacht?– fungiert ein Experte als Sportdirektor und Bahntrainer. Er spielt eine enorm wichtige Rolle, bringt sich in die Analysen ein, lässt Kontakte spielen und treibt das nötige Kleingeld bei Sponsoren auf für Innovation und Materialschlacht.
Der deutsche René Friedl, ebenfalls ein ehemaliger Weltklasserodler, leitet als Cheftrainer die Geschicke. Ex-Weltmeister Tobias Schiegl glänzt als Technikchef, er kümmert sich um die optimale Präparierung der Schlitten, stellt Schienen und Kufen ein. Nach Sotschi hatte der ÖRV nochmals Geld in die Hand genommen, auf dem Materialsektor einen großen Sprung vorwärts gemacht.

Die Initialzündung

Die Erfolge der Rodler sind alle vier Jahre ein kurzfristiger Sprung aus dem Schatten der weitaus präsenteren Alpinen und Skispringer. Vom ÖSV wird der ÖRV regelrecht vergessen, ist gewiss nicht die Nummer eins, nun aber hat ausgerechnet ein Rodler für die erste österreichische Medaille dieser Winterspiele gesorgt. Das wiederum könnte auf den weiteren Verlauf der Rodelbewerbe aus heimischer Sicht entscheidenden positiven Einfluss nehmen.

Denn die Last, zumindest eine Medaille beizusteuern, sind Österreichs Rodler schlagartig losgeworden. Die Doppelsitzer Penz/Fischler werden hoch gehandelt, Steu/Koller trauen Experten eine ähnliche Rolle zu wie Gleirscher. Bei den Damen benötigt es jedoch ein kleines Wunder für Edelmetall, im Teamsprint ist Österreich nur Außenseiter. Doch das war auch Gleirscher, der sein Glück nicht fassen konnte. „Was da passiert ist, ist der Wahnsinn“, sagte der Jungvater des erst sieben Monate alten Leon, der nicht als Feierbiest bekannt ist. An diesem Abend aber machte er eine Ausnahme.

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