Die Goldmission des Unvollendeten: "Das ist meine letzte Chance"

Marcel Hirscher: Er steht am Start, sieht die Piste – fehlt nur noch der Lauf.
Marcel Hirscher: Er steht am Start, sieht die Piste – fehlt nur noch der Lauf.(c) APA/EPA/CHRISTIAN BRUNA
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Marcel Hirschers Vita fehlt nur noch olympisches Gold, in Pyeongchang bietet sich die erste Chance in der Kombination. Der Salzburger aber sagt: "Favoriten sind andere."

Wenn Marcel Hirscher zur Medien-Audienz bittet, dann kommen sie alle. Der Pressekonferenzsaal im Österreich-Haus nahe Alpensia war so gut gefüllt wie noch nie in den vergangenen Tagen. Das war auch nicht anders zu erwarten, der Salzburger bewegt die Massen, begeistert, polarisiert mitunter. Aus österreichischer Sicht soll, nein muss, Hirscher der Star dieser Winterspiele werden. Wer zehn Saisonrennen gewinnt, den Weltcup dominiert, der muss doch auch bei Olympia seinen Triumphzug vollbringen.

Für den Annaberger, 28, würde sich die Aufgabe Pyeongchang zweifelsohne weit angenehmer gestalten, könnte er schon olympisches Gold sein Eigen nennen. Der Ski-Superstar hat ja fast alles bereits gewonnen, was es zu gewinnen gibt: 55 Weltcupsiege, sechs WM-Goldmedaillen, in wenigen Wochen wird mit hoher Wahrscheinlichkeit der siebente Gesamtweltcupsieg – in Serie – folgen. Und doch ist Hirscher, der Gigant, irgendwie unvollendet. Mehr als eine Silbermedaille (Slalom 2014) war dem 28-Jährigen bei Olympischen Spielen bislang nicht vergönnt. Auch deshalb sind in Südkorea alle Augen auf ihn gerichtet.

Ausnahmsweise Außenseiter

Hirscher musste schmunzeln, als er sich auf die Prognose des US-Sportmagazins „Sports Illustrated“ berief, wonach Österreich bei den Spielen fünf Goldene gewinnen wird, allein drei durch ihn. Sein trockener Kommentar: „Ich kann nur verlieren.“

Die erste Chance, den Traum von Gold endlich zu verwirklichen, hat der Salzburger bereits am Dienstag in der Kombination (Abfahrt 3.30 Uhr, Slalom 7 Uhr, live in ORF 1). Mit der Abfahrtsstrecke in Jeongseon kam der Kombi-Weltmeister von 2015 in den drei Trainingsläufen allerdings schlecht zurecht, lag abgeschlagen zurück. Auf Vincent Kriechmayr, den Schnellsten des Abschlusstrainings, fehlten ihm 3,66 Sekunden, für ihn noch besorgniserregender aber war, „dass die anderen Techniker eine Sekunde schneller sind. Ich hatte gehofft, mithalten zu können.“ Es bedarf also einer Steigerung, um in der Abfahrt in den Top 30 zu landen, im Slalom nicht nach diesen starten zu müssen. „Das würde die Chance auf eine Medaille zunichtemachen.“

Fährt er noch in Peking 2022?

Favoriten seien diesmal andere, er nannte die beiden Franzosen Alexis Pinturault und Wengen-Sieger Victor Muffat-Jeandet namentlich, auch seinen Landsmann Marco Schwarz. „Der kann hier Großes leisten.“ Für Hirscher ergibt sich also eine ungewohnte Situation, sie dürfte ihm regelrecht fremd sein. Nicht als Favorit in ein Rennen zu starten, das war zuletzt zu Saisonbeginn nach seinem in der Vorbereitung erlittenen Außenknöchelbruch der Fall gewesen.

Trotz seiner Erfolge hat Hirscher es auch stets verstanden, Understatement auf hohem Niveau zu betreiben. Wohl in der Hoffnung, sich ein kleines Stück weit vom öffentlichen Druck zu befreien. Umso wertvoller wäre für ihn eine Kombinationsmedaille zu Beginn dieser Spiele. „Sie würde den ersten großen Druck von mir nehmen“, sagt Hirscher. „Alles, was dann noch kommen würde, wäre Zugabe.“ Understatement in Reinkultur, denn in Riesentorlauf und Slalom wäre alles andere als Gold für den Atomic-Piloten sehr wohl eine Enttäuschung.

Hirscher, der diese Antwort in Pyeongchang gab, bevor überhaupt die Frage danach gestellt wurde, sieht sich zum letzten Mal im Zeichen der fünf Ringe starten. „Ich weiß, dass es meine letzten Olympischen Spiele werden, das es meine letzte Chance ist, Gold zu gewinnen.“ Vielleicht ist aber auch das Understatement und Hirscher fährt in Peking 2022 noch Ski. Vor allem dann, sollte er in Pyeongchang nicht vergoldet werden.

Das Monsterprogramm

Auf die Skiherren wartet nach der Absage der Abfahrt ein Monsterprogramm mit vier Rennen in drei Tagen. Der „Königsbewerb“ wird nun am Donnerstag ausgetragen, der Super-G auf Freitag verschoben. Zuvor geht am Dienstag die Kombination in Szene. „Das wird zäh“, meinte Matthias Mayer. Der Abfahrts-Olympiasieger startet in allen drei Bewerben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.02.2018)

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