Kritik an Noch-SPD-Chef Schulz alleine wäre nicht das Problem gewesen - die Art und Weise war es. Und dann gibt es noch viel zerschlagenes Porzellan in der SPD-Führungsriege.
Sigmar Gabriels Worte hatten den Rückzug von Martin Schulz eingeläutet. Schulz wird schon am Dienstag den SPD-Vorsitz an Andrea Nahles abgeben und vor allem auch nicht als Außenminister ins Kabinett Merkel einziehen. Dem geschäftsführende Minister Gabriel stünde also nichts im Wege, sein Amt zu behalten. Dennoch könnte es schwierig für ihn werden.
Seine Wortwahl über Schulz von vergangener Woche bedauert dessen-Vorgänger als SPD-Chef einem Bericht des "Tagesspiegels" zu Folge bereits. Denn, was viele Genossen irritierte, war die Erwähnung seiner kleinen Tochter. Gabriel hatte der Funke-Mediengruppe als Reaktion auf Schulz' beabsichtigten Wechsel ins Auswärtige Amt gesagt, seine Tochter Marie habe ihn mit den Worten getröstet: "Papa, jetzt hast du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht."
Gabriel bedauert Tochter-Zitat
Parteiinterne Kritiker werfen Gabriel dem "Tagesspiegel" zufolge vor, bei seiner Kritik an Schulz die eigene Tochter in geschmackloser Weise vorgeschoben zu haben. Es sei in seiner Umgebung kein Geheimnis, dass ihm dies leid tue und er es bedaure, seine Tochter überhaupt erwähnt zu habe.
Gabriel habe sich aber sehr über die SPD-Führung geärgert: Wer der Partei so lange gedient habe, den könne es nicht kalt lassen, wenn er seinen Rausschmiss über die Medien erfahre und kein Wort des Dankes zu hören bekomme.Nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen mit der Union war Gabriel mit der SPD-Spitze hart ins Gericht gegangen. Mit Blick auf die Ankündigung von Schulz, das Außenministerium übernehmen zu wollen, beklagte er Respektlosigkeit innerhalb der Partei und Wortbruch. Am Freitag verzichtete Schulz auf das Außenamt.
Zur politischen Zukunft Gabriels sagte SPD-Vize Ralf Stegner nun in der "Welt": "Er ist gewählter Abgeordneter des Deutschen Bundestags." Zum Vorwurf Gabriels, bei den Sozialdemokraten werde respektlos miteinander umgegangen, erwiderte der Parteivize: "Die SPD kämpft für Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität, das ist wichtiger als Personen." In den ARD-"Tagesthemen" antwortete Stegner am Freitagabend auf die Frage, ob Gabriel ein guter Außenminister sei: Gabriel "ist ein guter Außenminister gewesen".
Die Schwierigkeiten der Vergangenheit
Doch es sind auch persönliche Befindlichkeiten, weshalb Gabriel möglicherweise als Außenminister weichen muss: Sowohl seine neue Parteichefin Andrea Nahles, als auch der als Vizekanzler und Finanzministerin eingeplante Olaf Scholz sind nicht die größten Verbündeten Gabriels. Nahles musste Gabriels Sprunghaftigkeit und Spontaneität in ihrer Zeit Generalsekretär öfters ausbaden - und nicht nur Scholz könne über mehrere Erlebnisse mit dem damaligen Parteichef Gabriel berichten, in denen er das Vertrauen in Gabriel verlor, wie die "Süddeutsche Zeitung" berichtet.
Gabriels Rückzug von der Parteispitze vor der Bundestagswahl war von vielen Parteikollegen dankend angenommen worden - Stichwort Schulz-Hype. Danach konnte er als Außenminister Akzente setzen und stetig an Beliebtheit dazugewinnen. Doch benahm er sich teils weiter als Parteichef und untergrub die Autorität der neuen Parteiführung, was viele SPD-Verantwortliche ebenfalls nicht vergessen haben.
Es gibt aber auch Stimmen, die sich für einen Verbleib Gabriels im Außenamt einsetzen - etwa der frühere SPD-Minister Erhard Eppler: "Ich bin sehr froh, dass Sigmar Gabriel nun seine Arbeit im Auswärtigen Amt fortsetzen kann. Die Idee, den populärsten Sozialdemokraten kaltzustellen, wäre eine raffinierte Form der Parteischädigung", sagte Eppler der "Welt am Sonntag".
(klepa/APA/AFP)