Ein Mühlviertler Unternehmen hatte wegen der guten Auftragslage Überstunden angeordnet. Am nächsten Tag war ein ganzes Dutzend der Mitarbeiter plötzlich krank.
Dass zwölf Mitarbeiter eines großen oö. Unternehmens Ende 2017 zeitgleich in den Krankenstand gegangen sind, sieht der Dienstgeber als "Arbeitsboykott" wegen zuvor angeordneter Überstunden. Durch die Aktion seien ihm Kosten in der Höhe von 250.000 Euro entstanden, berichtete die Wirtschaftskammer OÖ am Montag. Zehn der Betroffenen seien gekündigt worden, zwei hätten das Dienstverhältnis selbst gelöst.
Den Namen des Unternehmens nannte die Kammer (WKOÖ) nicht. Nur soviel: Es handle sich um einen Hightech-Betrieb aus dem Mühlviertel, der mehr als 100 Mitarbeiter beschäftige. Dieser habe wegen der guten Auftragslage für eine gewisse Zeit Überstunden angeordnet. Das habe einigen Beschäftigten wohl nicht gepasst, "weshalb diese kurzerhand beschlossen, gleichzeitig in den Krankenstand zu gehen", heißt es in einer Aussendung.
Wegen der Angelegenheit gingen am Montag die Wogen hoch: 12 Mitarbeiter eines oberösterreichischen Unternehmens gingen in den Krankenstand, das Unternehmen spricht von einem "Boykott" der Arbeitnehmer und kündigte zehn von ihnen. Ein Skandal? Jedenfalls nicht der erste in Österreich im Zusammenhang mit Krankenständen. Bruckberger
Den größten Aufreger schafften die staatlichen ÖBB im Jahre 2009: Damals war bekannt geworden, dass das Unternehmen Diagnosedaten seiner (kranken) Mitarbeiter systematisch in der EDV erfasst und auch elektronisch ausgewertet hatte. Hunderte Mitarbeiter sahen sich in Karriere und Vorrückungen gezielt behindert, weil bei Entscheidungen über Beförderungen auch die Anzahl der Krankenstandstage berücksichtigt wurden. Die Sache landete beim Arbeits- und Sozialgericht. APA/NEUMAYR/SB
Auch die AUA schaffte es wegen Krankenständen in die Schlagzeilen - allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: In der Weihnachtswoche 2013 gab es bei den Piloten "doppelt so viele Krankenstände wie sonst", verlautete damals aus dem Unternehmen. 1441 Passagiere mussten wegen ausgefallener Flüge umgebucht werden. Im Raum stand eine abgesprochene Aktion der Piloten gegen die Sparpläne des AUA-Vorstands. Das Schauspiel wiederholte sich Mitte 2014 - da mussten an einem Wochenende acht Flüge gestrichen werden. APA/ROBERT JAEGER
Kein Einzelschicksal der AUA: Erst im vergangenen September musste die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin wegen einer ungewöhnlich hohen Zahl an Krankmeldungen ihrer Piloten rund hundert Flüge annullieren. Laut "Bild"-Zeitung handelte es sich um eine koordinierte Aktion der Piloten, weil die Geschäftsleitung damals Verhandlungen zum Übergang des Personals auf den potenziellen neuen Eigentümer abgebrochen hatte. APA/dpa/Marcel Kusch
Ein generell raues Klima scheint es im Handel zu geben. Bei der Österreich-Tochter der britischen Kette Sports Direct wurde 2015 ein Vorfall publik, der für heftige Diskussionen sorgte: Ein 42jähriger Filialleiter befand sich wegen Burnouts im Langzeit-Krankenstand. Als er nach einjähriger Pause wieder an seinen Arbeitsplatz zurück wollte, erhielt er die "Fristlose": Ein Privatdetektiv hatte im Auftrag des Unternehmens ein GPS-Ortungsgerät ans Auto des Mitarbeiters montiert und damit mannigfaltige Aktivitäten des Erkrankten belegt. Sports Direct bestritt diese Methoden erst gar nicht. REUTERS
Detektive im Einzelhandel - das ist kein Einzelfall: 2013 schickte der Wäschekonzern Palmers zwei langgedienten Verkäuferinnen im Krankenstand Detektive nach. Die beiden Mitarbeiterinnen wurden fristlos entlassen, weil sie während des Krankenstands das Haus verlassen hatten. Es war ihnen freilich keine Bettruhe verordnet worden - die Arbeiterkammer klagte. Palmers meinte damals, dass die Beauftragung eines Privatdetektivs rechtlich zulässig sei und außerdem "nur in absoluten Ausnahmefällen" passiere. APA/ROLAND SCHLAGER
Auch die stadteigenen Wiener Linien hatten ihren Krankenstandsskandal. Der ereignete sich 2009, als FPÖ und Grüne dem Unternehmen vorwarfen, "Spitzel" zur Überwachung krankgemeldeter Mitarbeiter einzusetzen. Die Wiener Linien meinten damals in einem Statement lapidar, dass so eine Vorgangsweise in vielen österreichischen Unternehmen üblich seien. Das Kontrollamt wurde eingeschaltet. Und stellte fest, dass die Maßnahmen "durchaus geeignet erschienen, präventiv die Zahl von Krankenstandsmissbräuchen gering zu halten". Die Presse/Fabry
Wo es Ärger mit Krankenständen gab
Gesamtschaden von 250.000 Euro
Das Unternehmen habe "diese besondere Art des Arbeitsboykotts - wie beabsichtigt - ins Mark getroffen", so die WKOÖ weiter. Denn obwohl die Kollegenschaft zusätzliche Mehrstunden geleistet und das Unternehmen kurzfristig neue Mitarbeiter gefunden habe, sei es zu Lieferengpässen gekommen. Der Firma sei ein Gesamtschaden von rund 250.000 Euro entstanden.
Die zwölf Dienstnehmer hätten Krankschreibungen bekommen, erklärte Erhard Prugger, Leiter der Abteilung Sozial- und Rechtspolitik in der oö. Wirtschaftskammer der APA. Aus der gesamten Situation sei aber klar gewesen, dass es sich um einen "Boykott" gehandelt habe. Denn am Vortag seien alle zwölf noch gesund gewesen und hätten heftig mit der Geschäftsführung diskutiert, schilderte er. Es sei zu der Zeit auch kein Infekt in dem Betrieb umgegangen.
Die WKOÖ kritisierte in ihrer Aussendung die "Aktion, die an Dreistigkeit und Illoyalität gegenüber dem Arbeitgeber und gegenüber den Kolleginnen und Kollegen kaum mehr zu überbieten war". Einzelne Mitarbeiter würden Krankenstände immer wieder als Druckmittel einsetzen, um persönliche Ziele durchzusetzen. "Würde es keine Kündigungsmöglichkeit im Krankenstand mehr geben, wären die Unternehmen an solche illoyalen Mitarbeiter auch noch unzumutbar lange gebunden", so die WKOÖ. Erst kürzlich hatte der oö. AK-Präsident Johann Kalliauer gefordert, dass Kündigungen während des Krankenstands verboten werden.
Ein Drittel der unselbständig Beschäftigten gehe laut Arbeitsgesundheitsmonitor auch krank zur Arbeit. Angst vor Konsequenzen und Pflichtgefühl gegenüber Kollegen werden als Hauptgründe genannt.
Auch im Branchenvergleich gibt es deutliche Differenzen. Mehr als zehn Prozent der Krankenstandstage in Oberösterreich entfallen bereits auf psychische Erkrankungen.
Zwölf Technosert-Mitarbeiter gingen zeitgleich in Krankenstand. Nun wird immer mehr Kritik an der oberösterreichischen Firma laut. Die Arbeitnehmervertreter sprechen von einem "Schuss ins Knie" für die Wirtschaftskammer.
Laut einem anonymen Brief wurden zwölf Mitarbeiter, die gleichzeitig in Krankenstand gingen, jahrelang gemobbt. Großteils handelte es sich offenbar um junge Mütter.