An Jesuiten-Schulen in Berlin, Hamburg und im Schwarzwald sind Schüler von zwei Patres missbraucht worden. Der Vatikan stellt sich hinter die Jesuiten, die nun das Vorgehen verurteilen.
Der Jesuitenorden in Deutschland hat nach dem Bekanntwerden von Missbrauchsfällen an Eliteschulen in Berlin, Hamburg und im Schwarzwald um Vergebung gebeten. Zwei frühere Jesuiten-Pater haben in den 70er und 80er Jahren als Lehrer etwa 20 Schüler am Berliner Elitegymnasium Canisius-Kolleg sexuell missbraucht. Außerdem sollen sie für weitere Missbrauchsfälle an Schulen in Hamburg und in St. Blasien im Südschwarzwald sowie in Einrichtungen in Göttingen, Hildesheim, Chile und Spanien verantwortlich sein.
In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung von Provinzial Stefan Dartmann heißt es: "Diese Opfer tragen belastende Erinnerungen mit sich und erheben jetzt ihre Stimme. Ich danke ihnen dafür. Ich bitte sie im Namen des Ordens um Entschuldigung für alle Missbräuche, die sie erlebt haben." Dartmann fügte hinzu: "Ebenso bitte ich um Entschuldigung für das, was von Verantwortlichen des Ordens damals an notwendigem und genauem Hinschauen und angemessenem Reagieren unterlassen wurde."
Der Vatikan unterstützt die scharfe Verurteilung des sexuellen Missbrauchs. Der Heilige Stuhl sehe die Bitte um Entschuldigung, wie sie Provinzial Dartmann vorgebracht hat, als "umfassend" an, erklärte Vatikan-Sprecher Pater Ciro Benedettini am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa. Er werde sich daher nicht noch in einer eigenen Stellungnahme äußern, sei aber in "völliger Übereinstimmung" mit dem, was Dartmann dazu gesagt habe.
Weitere Fälle in Hamburg und St. Blasien?
An einem ehemaligen Jesuiten-Gymnasium in Hamburg wird befürchtet, dass es mehr als die drei bisher bekannten Fälle gibt. Eines der Opfer habe "entsprechende Hinweise gegeben", sagte der Schulleiter der Sankt-Ansgar-Schule, Friedrich Stolze.
Besonders betroffen gemacht habe ihn der Fall einer Mutter, die ihm gesagt habe, dass ihr Sohn noch heute unter den seelischen Folgen des Missbrauchs leide. Die Schüler wurden Opfer eines heute 65-jährigen Jesuitenpaters, der laut dem Hamburger Bistum von 1979 bis 1982 an der Schule in der Hansestadt unterrichtet hatte. Der Mann hatte zugegeben, auch Schüler des Canisius-Kollegs in Berlin missbraucht zu haben. Der frühere Lehrer beantragte 1991 seinen Austritt aus dem Orden und lebt inzwischen in Chile.
Stolze kritisierte, dass der geständige Pater 1979 von Berlin nach Hamburg versetzt wurde, ohne dass die Hamburger über einen möglichen Verdacht informiert wurden. "Was ich nicht nachvollziehen kann: Wenn in Berlin was bekanntgewesen ist, dass dann die Person an eine andere Schule versetzt wird."
In Sankt Blasien (Baden-Württemberg) leitete die Staatsanwaltschaft am traditionsreichen Jesuiten-Kolleg ein Ermittlungsverfahren ein. Der geständige Jesuit war von 1982 bis 1984 in Sankt Blasien tätig. Zwei dortige Opfer haben sich bereits gemeldet. Die Schulleitung rechnet mit weiteren Fällen.
"Vorwürfe zu wenig ernst genommen"
Das norddeutsche Bistum Hildesheim räumte indes Fehler im Umgang mit einem zweiten beschuldigten Pater ein. Nach Angaben des Bistums informierte im Jahr 1993 eine Mutter den damaligen Hildesheimer Bischof Josef Homeyer darüber, dass der Pater ihre 14-jährige Tochter unsittlich berührt habe. "Daraufhin wurde Peter R. die Jugendarbeit verboten, dieses Verbot aber nicht konsequent durchgehalten."
Im Jahr 1997 seien dem Pater Unregelmäßigkeiten in seiner Amtsführung und weitere sexuelle Belästigungen vorgeworfen worden. Daraufhin sei dieser aus seiner damaligen Gemeinde versetzt worden. Der emeritierte Bischof Homeyer bedauerte seine damalige Haltung zutiefst. "Aus heutiger Sicht haben wir die Vorwürfe zu wenig ernst genommen und die Tragweite der weiteren Entwicklungen eindeutig unterschätzt", sagte er.
An einem Bonner Jesuiten-Gymnasium beraten die Lehrer, ob die "Präventivmaßnahmen in der Sache ausreichen". Der Rektor des Aloisiuskollegs in Bonn-Bad Godesberg, Theo Schneider, sagte der dpa: "Natürlich diskutieren wir im Kollegium diesen Fall mit den Schülern und der Elternschaft. Bislang sehen wir aber keine Verpflichtung, bei unsere ehemaligen Schülern nachzufragen."
Der Arbeitskreis Engagierter Katholiken in der CDU (AEK) zeigte sich erschüttert über die Missbrauchsfälle und forderte die Abschaffung der Verjährungsfrist in solchen Fällen. Gleichzeitig verteidigte der AEK die Sexuallehre der katholischen Kirche. "Der Versuch einzelner, für das abscheuliche Verhalten der Geistlichen wenigstens teilweise die Sexuallehre der Kirche verantwortlich machen zu wollen, ist ebenso abwegig wie unlauter", schrieb Martin Lohmann, Sprecher des Arbeitskreises. Missbrauch und Pädophilie nähmen insgesamt besorgniserregend zu und seien "sicher kein Spezifikum der katholischen Kirche".
(Ag.)