Gründe genug für einen Ortswechsel gäbe es: Schon in der Vergangenheit wurde Port-au-Prince wiederholt von Beben verwüstet, das nächste Beben kommt bestimmt. Kleinere Städte sollen beim Aufbau gefördert werden.
Wien/Port-au-prince (som). Bernard Ethearts Plan klingt zunächst aberwitzig: Der Leiter des haitianischen Instituts für Landreform will Haitis Hauptstadt Port-au-Prince, nach dem Beben vom 12. Jänner zu mehr als 75 Prozent zerstört, an einen anderen Ort verlegen. Neu ist seine Idee indes nicht: Brasília, St. Petersburg, Washington D.C. oder das kasachische Astana sind allesamt geplante Städte, die einen Neuanfang signalisieren sollten.
Gründe genug für einen Ortswechsel gäbe es: Schon in der Vergangenheit wurde Port-au-Prince wiederholt von Beben verwüstet, und Seismologen sind sich sicher: Das nächste Beben kommt bestimmt; Prognosen halten einen 5,5 Punkte starken Erdstoß für möglich.
Der haitianische Seismologe Claude Prepetit fordert daher: „Wir müssen Port-au-Prince entvölkern.“ Zumindest für die Dauer der Aufräumarbeiten sollen die Bewohner der Stadt – zwei Millionen Menschen, ein Viertel der Landesbevölkerung – in mehreren Siedlungen im Umkreis untergebracht werden. Beim Wiederaufbau solle die Regierung den ökonomischen Aufbau der Regionen forcieren: „Haiti als Ganzes und nicht nur die ,Republik von Port-au-Prince'“ im Auge behalten, wie Prepetit fordert.
Kein neues „Duvalierville“
Bisher glich die Hauptstadt einem überbevölkerten Moloch, in den die Landbevölkerung auf der Suche nach Arbeit und in der Hoffnung auf ein besseres Leben zog – eine Hoffnung, die sich selten bewahrheitete. Mit der Entwicklung mehrerer urbaner Zentren will man diesen Sog künftig vermeiden. Ebenso sei beim Neubau auf eine verbesserte Erdbebensicherheit zu achten.
Apropos Planstadt: Eine solche sollte auch auf Haiti schon einmal errichtet werden – „Duvalierville“ unter dem Diktator Papa Doc. Heute trägt der Ort wieder seinen alten Namen Cabaret. Als neue, sichere Hauptstadt eignet sich das Städtchen indes nicht: Cabaret liegt nur 20 Kilometer nördlich von Port-au-Prince – mitten in der Bruchzone.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.02.2010)