Olympiasieger Hirscher: Die deutlichste aller Antworten

Marcel Hirscher mit der goldenen Medaille
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VIDEO: Einer der erfolgreichsten Skifahrer der Geschichte ist nun auch Olympiasieger: Marcel Hirscher ist mit Gold in der Kombination furios in seine letzten Winterspiele gestartet. Niemand wandelt Druck und Erwartungen so konsequent in Erfolg um wie der Annaberger.

Marcel Hirscher ist Medienprofi durch und durch. Unermüdlich liefert er Antworten auf die immer gleichen Fragen, im Zielraum, bei Pressekonferenzen oder Sponsorenevents, er verzichtet dabei auf Phrasen, gibt durchaus Einblick in sein Seelenleben. Hirscher spielt für einen Beitrag auch schon einmal Schere, Stein, Papier mit Reportern, wenn diese darum bitten, und als er in Pyeongchang, warum auch immer, als Cristiano Ronaldo des Skisports bezeichnet wurde, kostete ihn das nicht mehr als ein Lächeln. Doch diese eine Frage nach dem fehlenden Olympiagold wurde selbst für Hirscher zum unerträglichen Ohrwurm.

Das erste Mal wurde sie wohl gestellt, als er vor vier Jahren „nur“ mit Slalomsilber aus Sotschi nach Hause kam, heuer wurde sie dann zum ständigen Begleiter. „Jeden Tag“ habe er sie gehört, erzählte er jetzt in Südkorea – und musste plötzlich lachen. Denn Hirscher wird diese Frage nie wieder beantworten müssen, der seit mittlerweile sieben Jahren beste Skifahrer der Welt ist nun auch Olympiasieger.

Gleich seine erste Chance nutzte der Salzburger und gewann die alpine Kombination vor dem französischen Duo Alexis Pinturault und Victor Muffat-Jeandet. Dass der sonst im Weltcup stark vernachlässigte Bewerb in Jeongseon mit einem anspruchsvollen Slalom und einer nicht allzu schweren und darüber hinaus verkürzten Abfahrt – Hirscher verlor nur 1,32 Sekunden auf Kitzbühel-Sieger Thomas Dreßen – eindeutig den Technikspezialisten zugutekam, ist nur ein Nebengeräusch im Freudentaumel der Skination.

Diese hatte Hirscher schon im Vorfeld zum Star dieser Spiele erklärt. Nicht alle glaubten ihm, als er erklärte, für ihn sei seine Karriere schon nach dem ersten seiner sechs Gesamtweltcupsiege perfekt gewesen. Dennoch ist es erstaunlich, wie der 28-Jährige immer wieder Erwartungsdruck in Erfolge ummünzt. „Das Schlimmste wäre gewesen, ich wäre heimgekommen, und eine perfekte Saison würde niedergemacht, weil halt das Gold fehlt“, meinte er nach dem Titelgewinn.

Unglaubliches Comeback nach Knöchelbruch

Da schien längst vergessen, dass Hirscher noch im August einen Knöchelbruch erlitten, die Vorbereitung verpasst und einen Kaltstart in die Saison hingelegt hatte. Mit bisher zehn Siegen und Olympiagold ist es schon jetzt seine beste überhaupt, möglich war das nur dank eines seit Jahren erprobten perfekten Umfelds. Stellvertretend für das Team Hirscher sprach Coach Michael Pircher in Südkorea aus, was sein Schützling so nie gesagt hätte: „Unser Ziel war Gold, nicht Silber.“ Der Schladminger, eigenen Angaben zufolge ein „cooler Hund“, vergoss sogar ein paar Tränen.

Die Goldmedaille gehört auch Hirschers Team, das sich einst mit dessen ersten Erfolgen formte und im Laufe der Zeit immer größer wurde. Inzwischen stehen dem Tennengauer auch ein eigener Physiotherapeut und ein eigener Konditionstrainer zur Verfügung, dank ihrer Arbeit vermochten in Jeongseon auch Windböen von bis zu 75 km/h das 1,73 Meter große Kraftpaket nicht zu verblasen.

Coach Pircher aber führte vor allem die Leistung in der Abfahrt – im Training hatte Hirscher noch über dreieinhalb Sekunden Rückstand – einmal mehr auf das richtige Set-up zurück. Dafür verantwortlich sind die beiden Atomic-Serviceleute des ÖSV-Stars und drei weitere Materialexperten im Werk in Altenmarkt. 70, 80 Paar Skier stellen sie dort ihren Topstars pro Saison zur Verfügung.

Olympia-Abschied steht fest

Bei Atomic geht auch Vater Ferdinand ein und aus, der Skischulbetreiber aus Annaberg ist zweifellos eine der Schlüsselpersonen in der nun vergoldeten Karriere des Sohnes, auch wenn dieser in jungen Jahren in der Skihotelfachschule Bad Hofgastein und in den ÖSV-Kadern zahlreiche Förderer hatte. Sonst unterstützend bei den meisten Rennen mit von der Partie, fehlt der Vater wegen seiner Flugangst in Pyeongchang.

Auf die Frage nach einem Karriereende des Sohnes meinte Hirscher senior unlängst: „Wenn es ihn nicht mehr freut, dann soll er es lassen.“ Seit geraumer Zeit wird spekuliert, ob Europas Sportler des Jahres nach Olympiagold nicht die Bretter an den Nagel hängen könnte. „Er ist der größte Skifahrer der Geschichte, kann alle Rekorde brechen“, erklärte der Zweitplatzierte der Kombination, Alexis Pinturault. „Es hängt nur davon ab, wie lange er weitermachen will.“ Fest steht, dass Hirscher in den nächsten drei Jahren aufhören wird. In Pyeongchang hatte er klargestellt, dass es für ihn keine weiteren Winterspiele geben wird.

Die Frage nach dem Rücktritt: Sie wird wohl die nächste Dauerschleife in Hirschers außergewöhnlicher Karriere sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.02.2018)

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