Gastkommentar

Österreich und der Kosovo: Werdegänge zweier Republiken

100 Jahre Republik Österreich, zehn Jahre unabhängiger Kosovo.

Österreich feiert den 100., der Kosovo den zehnten Geburtstag seiner Republik. Die Werdegänge beider Länder waren nicht einfach. 1918 war der Zeitpunkt der Bildung der Republik Deutschösterreich aus der Zerfallsmasse der Habsburger-Monarchie, für den Kosovo dagegen erfolgte damals die Wiedereinfügung unter serbisch-jugoslawische Herrschaft. Während die Österreicher 1918/19 mit vielen Nachkriegsmühen und Selbstzweifeln zu tun hatten, hätte sich die Mehrheit der Kosovoaren wohl damals gern schon für eine Selbstständigkeit entschieden wie 90 Jahre später – hätte man sie nur gefragt.

In der Folge kamen beiderseits Jahre der Herausforderungen und bald auch der Diktatur. Österreichs Eigenständigkeit fiel der nationalsozialistischen Politik zum Opfer, während in der Sicht der meisten Kosovaren mit dem Kriegsausbruch von 1941 ein Unterdrücker auf den anderen folgte. 1945 begann für Österreich die Erfolgsepoche der Zweiten Republik. Im Kosovo brach eine teilautonome Existenz in einem Jugoslawien unter kommunistischer Herrschaft an. Deren Niedergang zeichnete sich schon bald nach dem Tod des Integrationsfaktors Tito ab.

1989 kam der große Wandel. Während aber Österreich am 17. Juli 1989 um die Mitgliedschaft in der Europäischen Gemeinschaft ansuchte, begann in Jugoslawien neben mehr Selbstbestimmung und Demokratie mancherorts deren Unterdrückung. Das serbische Dominanzstreben war die glatte Antithese zum europäischen Geist.

Österreichs Vorreiterrolle

Österreich strebte innerhalb der EG einen höheren Status auf europäischer und internationaler Ebene an. Der autonome Status des Kosovo wurde gewaltsam beseitigt. Sofort zeigte sich indes die besondere österreichische Positionierung zugunsten der dortigen Freiheits- und Menschenrechte. Diese Vorreiterrolle, die jahrelang von allen Nationalratsklubs getragen wurde, markiert bis heute eine der wesentlichen Kontinuitätslinien der Wiener Südosteuropapolitik.

1995 brachte den Beitritt Österreichs zur EU und dem Kosovo den Beginn einer Eskalation. Unter dem ersten österreichischen EU-Ratsvorsitz 1998 war die Kosovo-Frage eine der Prioritäten.

Kosovo am Anfang des Wegs

Der Wiener Diplomatie gelang die Eröffnung eines EU-Büros in Prishtina, der Belgrader Botschafter Wolfgang Petritsch wurde zum Sonderbeauftragten der EU für den Kosovo. So war es kein Zufall der Geschichte, dass wenige Jahre später wieder in Wien mit dem Ahtisaari-Plan der entscheidende diplomatische Schritt zur Lösung der Kosovo-Frage erfolgte – und genauso wenig ein Zufall, dass dieser Durchbruch maßgeblich durch Albert Rohan gelang, den langjährigen Mastermind der Außen- und Südosteuropapolitik Wiens.

2008 markiert für die Beziehungen einen neuen großen Schritt. Seit der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo durch Österreich gibt es enge bilaterale Kooperation. Beide Republiken bieten heute nicht nur für die eigenen Bürger, sondern auch für ihre Nachbarländer Stabilität.

Der Kosovo steht aber erst am Anfang eines Wegs hin zu nationalstaatlicher Selbstvergewisserung. Nach 100 Jahren seiner Republik ist Österreich ein politisches und wirtschaftliches Modell, von dem die junge kosovarische Republik noch viel profitieren kann.

Faruk Ajeti ist Politikwissenschaftler in Wien und 2. Sekretär der Botschaft der Republik Kosovo; er hat diesen Beitrag als Privatperson mitverfasst.

Konrad Clewing ist Historiker am Leibniz-Institut für Ost- und Südosteuropaforschung und Vorstand des Albanien-Instituts e.V.

Am 12. April eröffnet eine von den beiden gestaltete Ausstellung zur österreichisch-albanisch-kosovarischen Beziehungsgeschichte im Presseclub Concordia (bis 30. 4.)

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.02.2018)

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