Eine Wahl, bei der es wieder nur Sieger geben wird

(c) Moritz Wolf / imageBROKER / picturedesk.com
  • Drucken

Sonntag nächster Woche wird der Landtag in Innsbruck neu gewählt. Nicht weniger als 18 Prozent der Stimmen sind nach dem Aus dreier Parteien „auf dem Markt“.

Innsbruck. Es ist nicht einfach, Landeshauptmann in Tirol zu sein. Wenn man, wie Günther Platter, seit mehr als zehn Jahren an der Spitze des Landes steht, dann hat man ziemlich viele der 750.00 Einwohner schon irgendwann einmal persönlich getroffen. Und die merken sich das.

„Griaß di, Herr Landeshauptmann. Wir kennen uns“, sagt der mindestens schon Vierte an diesem Tag bei einer Wahlveranstaltung im Einkaufszentrum Inntalcenter in Telfs. „Ja, griaß di“, antwortet Platter, der den Mann vielleicht wirklich erkennt – oder es nur gut vortäuscht.

Das vertrauliche Du ist übrigens nicht auf die vermeintlich alte Bekanntschaft zurückzuführen und ist auch nicht Garant dafür, dass einen der Duz-Freund wählt. In Tirol ist man generell per Du, auch mit dem Landeshauptmann. Nur Touristen, in manchen Regionen noch „Fremde“ genannt, werden mit Sie angesprochen.

Es wird also interessant, wie viele Tiroler am 25. Februar Günther, Elisabeth, Ingrid, Markus, Andrea, Dominik, Andrea oder Josef wählen. Für Restösterreich: die Spitzenkandidaten von ÖVP (Günther Platter), SPÖ (Elisabeth Blanik), Grüne (Ingrid Felipe), FPÖ (Markus Abwerzger), Liste Fritz (Andrea Haselwanter-Schneider), Neos (Dominik Oberhofer), Family (Andrea Krumschnabel) oder Impuls Tirol (Josef Schett).

Eines ist aber schon jetzt klar: Es wird nur Gewinner geben. Denn acht Parteien, die landesweit bei der Wahl am 25. Februar antreten, mag viel erscheinen. Allerdings ist für sie auch viel zu holen: Denn auf dem Markt sind etwa 18 Prozent an Stimmen von drei Parteien, die diesmal nicht mehr antreten (Vorwärts Tirol, Bürgerklub Tirol, Team Stronach). 2013 hatten sie noch bei allen Parteien außer den Grünen für teils herbe Verluste gesorgt.

Für die ÖVP geht es diesmal darum, das historisch schlechteste Ergebnis (39,35 Prozent) vergessen zu lassen. Und Platter ist auf dem besten Weg dahin: Der ehemalige Innen- und Verteidigungsminister, der nach seiner Rückkehr ins Land 2008 im Umgang mit der Bevölkerung noch etwas unbeholfen war, blüht jetzt im Wahlkampf auf. In Telfs greift er zur Gitarre und spielt und singt mit der kleinen Band recht passabel „Proud Mary“. Er sei, enthüllt er später, in seiner Jugend Mitglied einer Band gewesen. Der Name: „Satisfaction of the Night.“

Platter, der seit 2013 in einer Koalition mit den Grünen regiert, hat auch das bestimmende Thema des Wahlkampfs vorgegeben und fest in der Hand. Der Transitverkehr im Land hat mit 2,25 Millionen Lkw, die 2017 von Kufstein über den Brenner nach Italien fuhren, eine neue Dimension erreicht. Morgendliche Staus und erhöhte Luft- und Lärmbelastung sind die Folge. Platter nutzte seine Funktion als Landeshauptmann, um einen öffentlichkeitswirksamen Transitgipfel in München abzuhalten und mit Fahrverboten zu drohen. Damit hat er den Grünen, die die Transitproblematik seit vielen Jahren aufzeigen, ihr ureigenstes Wahlthema weitgehend weggenommen.


Die SPÖ machte einen radikalen Schritt und stellte sich für diesen Urnengang völlig neu auf. Nur Spitzenkandidatin Blanik, Bürgermeisterin von Lienz, ist schon bisher im Landtag vertreten. Alle anderen Kandidaten (fünf Frauen, fünf Männer) sind neu. Auch für die SPÖ gibt es viel zu gewinnen, sie fiel 2013 auf den Tiefstand von 13,7 Prozent. Bei der Nationalratswahl 2017 kam die Partei in Tirol auf fast 21 Prozent, Listenzweiter Georg Dornauer will das noch toppen und spricht von „18 bis 25 Prozent“ als Wahlziel.

SPÖ – eine Partei, die sich ziert

Dass man mit solchen Zuwächsen in die Regierung ginge, ist aber nicht vorgegeben. Im Gegensatz zu allen anderen Parteien ziert sich die SPÖ mit klaren Koalitionsansagen. Man wolle gestalten, und das betrifft vor allem die Wohnungsfrage. Nirgendwo sonst in Österreich ist das Wohnen so teuer wie in Innsbruck. Das zu ändern, ist ein Wahlversprechen der Sozialdemokraten. Man wolle „das soziale Gewissen im Land“ sein, erklärt Blanik.

Als drittstärkste Partei gehen die Grünen in die Wahl – und müssen um diesen Platz zittern. Den 12,6 Prozent bei der Landtagswahl 2013 stehen 4,46 Prozent bei der Nationalratswahl 2017 gegenüber. Spitzenkandidatin Felipe war in ihrer Funktion als Bundessprecherin für das katastrophale Abschneiden der Grünen und den Parlamentsrauswurf mitverantwortlich. Ob sie die Parteigänger in ihrer Heimat für den Wien-Ausflug bestrafen, wird man bald sehen.

In Tirol konzentriert man sich ganz auf Umweltthemen – gegen neue Kraftwerke, Straßen und Skigebiete – und versucht, beim Verkehrsproblem zu holen, was die ÖVP noch nicht besetzt hat. Und auch eine altbekannte Strategie kommt in Tirol zur Anwendung, die aber schon bei der Nationalratswahl nicht funktioniert hat: Man warnt vor einer schwarz-blauen Regierung und der Gefahr, dass die FPÖ im Umweltbereich in Tirol alle Fortschritte rückgängig macht.

Womit wir bei der FPÖ sind, die auf jeden Fall zulegen wird. 2013 kamen die Freiheitlichen nur als Vierter ins Ziel, mit 9,34 Prozent blieb man weit unter den Erwartungen. Jetzt will man sich verdoppeln und hofft, dafür mit dem Rechtsanwalt Abwerzger den richtigen Mann an der Spitze zu haben. Geholfen hat ihm zweifellos ein dumm geschnittener Beitrag des ORF Tirol, der es so aussehen ließ, als habe er zu einer antisemitischen Tirade eines Wählers genickt (wenn er tatsächlich widersprach).

Im Wahlkampf setzt man auf die klassischen FPÖ-Themen Ausländer, Flüchtlinge, Migration. Gegen die „organisierte Bettelmafia auf den Weihnachtsmärkten“ wettert etwa Innsbrucks Stadtparteiobmann Rudi Federspiel. Dass diese Meldung vom 12. Dezember die aktuellste auf der Webseite der Partei ist, zeigt schon, dass die Organisation nicht die beste ist. Schaden wird es der FPÖ wohl nicht: Bei der Nationalratswahl stimmten 25 Prozent der Tiroler für die Partei, mit der Regierungsbeteiligung auf Bundesebene hat man an Profil gewonnen.

Was bleibt, sind all die Parteien, die – je nach Sichtweise – die Pluralität der politischen Landschaft Tirols zeigen oder das politische Chaos. Die Liste Fritz beispielsweise, gegründet vom ehemaligen schwarzen Tiroler Arbeiterkammer-Chef Fritz Dinkhauser, erreichte beim erstmaligen Antreten im Jahr 2008 auf Anhieb Platz zwei mit 18,35 Prozent. Danach aber gab es internen Streit und eine Absplitterung (Bürgerklub Tirol), die Partei stürzte prompt fünf Jahre später auf 5,61 Prozent ab, der Bürgerklub scheiterte überhaupt knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Diesmal geht es für die Liste Fritz daher um das politische Überleben und den Absturz in die Bedeutungslosigkeit.

Schaffen Neos Sprung in den Landtag?

Das Antreten der restlichen zwei landesweiten Bewerber – Family und Impuls Tirol, beide eine Absplitterung von Vorwärts Tirol – ist sportlich zu sehen: Hauptsache dabei gewesen.

Dafür könnten am Sonntag kommender Woche die Neos erstmals den Sprung in den Tiroler Landtag schaffen. Sie spüren Rückenwind durch den erst jüngst erfolgten Einzug in den niederösterreichischen Landtag. Ähnlich wie dort versuchen die Neos auch hier mit Kritik am „politischen Stillstand“ in Tirol, der schon Machtmissbrauch sei, zu punkten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.02.2018)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

TIROL-LANDTAGSWAHL: WAHLKAMPFAUFTAKT DER TIROLER FP�: ABWERZGER
premium

FPÖ-Tirol-Chef Abwerzger: „Ich muss mich durchsetzen, obwohl es wehtut“

FPÖ-Spitzenkandidat Markus Abwerzger spricht über Bedingungen für eine mögliche Regierungsbeteiligung, das schlechte Image der Politiker und die „linkslinke Jagdgesellschaft“.
FPÖ-Tirol-Chef Markus Abwerzger hofft, dass keine andere Partei hinter den Plakaten stehe.
Tirol-Wahl

Tiroler FPÖ leitet rechtliche Schritte wegen Fake-Plakaten ein

Auf Plakaten in FPÖ-Optik ist ein Flüchtlingskind mit Schnuller hinter einem Zaun zu sehen - samt dem Slogan: "Augen auf, Brenner zu - endlich echter Grenzschutz".
Medien

Der ORF Tirol, die FPÖ und die "stinkerten Juden"

Eine Wahlkampfreportage über Markus Abwerzger sorgte für Aufregung. Dass der Tiroler FPÖ-Spitzenkandidat sehr wohl auf eine despektierliche Juden-Äußerung reagierte, zeigte der ORF erst am Samstag.
Landeshauptmann Günther Platter.
Tirol-Wahl

Der Gendarm mit dem langen Atem

Der gelernte Buchdrucker und Exekutivbeamte hat es über Umwege und mit Beharrlichkeit zum Landeshauptmann geschafft.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.