Justiz: Härtere Strafen bei "religiöser Gewalt"

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Justitia(c) Michaela Bruckberger
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Das Justizministerium bestätigte Überlegungen, wonach die im Strafgesetzbuch aufgelisteten Erschwerungsgründe ausgeweitet werden sollen: Der Erschwerungsgrund "religiös motivierte Gewalt" soll neu hinzukommen.

WIEN. Männer, die Frauen nötigen, misshandeln oder verletzen, könnten künftig vor Gericht einen neuen Erschwerungsgrund zu spüren bekommen: Ein Richter könnte ihnen ihre Taten nämlich als „religiös motiviert“ auslegen. Etwa dann, wenn es sich um Täter handelt, die aus einem islamischen Land eingewandert sind.

Das Justizministerium bestätigte am Mittwoch konkrete Überlegungen, wonach die im Strafgesetzbuch aufgelisteten Erschwerungsgründe ausgeweitet werden sollen: Der Erschwerungsgrund „religiös motivierte Gewalt“ soll neu hinzukommen.

Generell sind Erschwerungsgründe für die Strafbemessung ausschlaggebend: Je mehr Erschwerungsgründe ein Gericht bei einem Angeklagten findet, desto eher wird es den gesetzlich vorgegebenen Strafrahmen bis an die Obergrenze ausnützen.

Das Vorgehen des Justizressorts hat offenbar einen aktuellen Hintergrund: das Mitte Jänner in Wien ergangene und seither heftig umstrittene Totschlagsurteil – ein Familienvater türkischer Abstammung hatte seine Frau lebensgefährlich verletzt und wurde unter Hinweis auf seine Herkunft und seine Sittenvorstellungen „nur“ wegen versuchten Totschlags und nicht wegen versuchten Mordes verurteilt.

Im Zuge der Debatte erklärt nun ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger, Gewalt in der Familie müsse hart geahndet werden. „Es ist Aufgabe der Politik, den gesetzlichen Rahmen an gesellschaftliche Entwicklungen anzupassen.“ Und: „Religiöser, meist fundamentalistischer Hintergrund von Gewalt“, so heißt es in der ÖVP-Aussendung weiter, solle bei der Strafbemessung erschwerend wirken. Dieser VP-Vorstoß war, wie berichtet, auch in der „Krone“ vom Dienstag zu lesen. Eine nahezu gleichlautende Erklärung von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner folgte. Allerdings mit der Einschränkung, dass das Ganze „keine Reaktion“ auf das Totschlagsurteil sei.

Bandion-Ortner verweist darauf, dass keine neuen Straftatbestände geschaffen würden. Zwangsehen, Ehrenmorde oder Genitalverstümmelungen könne man mit den vorhandenen Mitteln bekämpfen. „Von den Tatbeständen haben wir alles, was wir brauchen. Mord bleibt Mord, mehr als lebenslänglich kann nicht verhängt werden.“ Insofern sei die jetzige Entwicklung auch keine Fortsetzung der von Innenministerin Maria Fekter begonnenen Debatte um „Kulturdelikte“. Zum nunmehrigen Vorhaben ergänzt Bandion-Ortner: Es könnte auch festgeschrieben werden, „dass religiöse Motive niemals ein Milderungsgrund sein können“.

Zusätzlicher Erschwerungsgrund könnte künftig sein: „Ein Gesamtverhalten, das darauf abzielt, jemandem eine andere Lebensweise aufzuzwingen, die mit unserer Gesellschaft nicht konform ist.“ Als Beispiel nennt die Ministerin Eltern, die ihren Kindern aus religiösen Gründen die Schulbildung oder Mädchen den Kontakt mit Männern verwehren. Eine daraus abgeleitete Nötigung könnte somit automatisch als schwere Nötigung mit höherer Strafdrohung qualifiziert werden.

Muslime protestieren

Gelten würde dieser Erschwerungsgrund dann für jede Form religiös motivierter Gewalt, nicht nur in Zusammenhang mit dem Islam – also auch bei einer etwaigen gefährlichen Drohung christlicher Fundamentalisten gegen eine Abtreibungsklinik.

Kritik in Sachen „religiös motivierte Gewalt“ kommt von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Sprecherin Carla Amina Baghajati meint, Gewalt gegen Frauen könne auch unter Bezugnahme auf islamische Quellen bekämpft werden. „Die Religion ist hier also nicht das Problem, sondern vielmehr ein Teil der Lösung“. Das hätten auch Erfolge im Kampf gegen die weibliche Genitalverstümmelung gezeigt.

Baghajati fordert die Politik daher auf, die Zuschreibung als „religiös motiviert“ zu unterlassen. Sie schlägt stattdessen den international etablierten Begriff „traditionsbedingte Gewalt“ vor.

Indessen warnt SP-Justizsprecher Hannes Jarolim davor, dass der Verweis auf religiöse Motive im Strafrecht zu „erheblichsten Auslegungsproblemen“ führen könnte. Er befürchtet, dass Gerichte künftig feststellen müssen, ob etwa der Islam oder die katholische Kirche die Ausübung von Gewalt als „Züchtigungsmittel“ gegen Frauen für möglich erachten oder nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.02.2010)

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