Barrosos Team ist komplett - aber nur zweite Wahl

Barrosos Team ist komplett - aber nur zweite Wahl
Barrosos Team ist komplett - aber nur zweite Wahl(c) Reuters (Thierry Foge)
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Bulgariens neue Kandidatin Kristalina Georgieva meistert ihre Anhörung. Die Kommission kann nun antreten. Doch sie läuft Gefahr, zum bloßen Sekretariat der Mitgliedstaaten zu werden.

Brüssel/Wien. Spätestens nach zwei Stunden und siebzehn Minuten war die Sache gegessen. Denn da, während der Anhörung der bulgarischen Kommissionskandidatin Kristalina Georgieva, hob der britische Sozialdemokrat Michael Cashman zu folgender Eloge an: „Ich bin tief beeindruckt von Ihrer Kompetenz. Sie sind ein leuchtendes Beispiel für politische Kohärenz. Ich habe keine Frage, sondern schlage vor, dass wir möglichst rasch zu Ihrer Bestätigung voranschreiten.“

Vor nur drei Wochen, am selben Ort, sah das noch anders aus. Denn da sah sich Rumjana Schelewa, die ursprüngliche Kandidatin Bulgariens für das Amt als Kommissarin für Internationale Zusammenarbeit, Humanitäre Hilfe und Krisenreaktion, einem Bombardement an äußert kritischen Fragen der Sozialdemokraten und Liberalen hinsichtlich ihrer privaten Vermögensverhältnisse ausgesetzt. Auch inhaltlich machte die damalige, aber mittlerweile zurückgetretene Außenministerin keinen sicheren Eindruck; ihre Verwechslung des „Golfs von Aden“ mit „Kopenhagen“ sorgte im Saal für ungläubiges Staunen.

Barroso wollte lieber Kunewa

Der Rest der Geschichte ist bekannt: Bulgariens Regierung zog Schelewas Nominierung unter schwerem Druck der Öffentlichkeit zurück und nominierte die Weltbank-Vizepräsidentin Georgieva. Sie wird am 9.Februar vom EU-Parlament gemeinsam mit ihren 25 Kollegen bestätigt werden.

Doch wenn es nach Kommissionspräsident José Manuel Barroso gegangen wäre, würde Bulgarien für weitere fünf Jahre von Meglena Kunewa vertreten werden, die bisher für Konsumentenschutz zuständig war.

Kunewa aber, die Seriöse mit dem stets perfekt geföhnten dunkelbraunen Haar, hatte ein entscheidendes Handicap: Sie war 2006 von Bulgariens damaliger Regierung aufgestellt worden, als Mitglied der heute fast in der Versenkung verschwundenen liberalen Partei des Exzaren Simeon Sakskoburggotski. Unter dem neuen Premier Bojko Borissow von der konservativen Konkurrenzpartei Gerb hatte sie keine Chance auf eine erneute Nominierung. Da spielte es auch keine Rolle, dass die 52-jährige Juristin als EU-Ministerin entscheidend dafür verantwortlich war, dass Bulgarien 2007 der Union beitrat.

EU-Posten als Trostpflaster

Wie es aussieht, dürfte sie aber in Brüssel bleiben: Möglicherweise als Direktorin des Bureau of European Policy Advisers (Bepa), eines Thinktank der Kommission, dessen Chefposten zeitgleich mit Antritt der neuen Kommission neu besetzt wird. Eine Sprecherin von Barroso wollte auf Anfrage der „Presse“ entsprechende Gerüchte (auch über ihre Nominierung zur stellvertretenden Generalsekretärin der Kommission wird in Brüsseler Couloirs gemunkelt) nicht kommentieren. Da der Bepa-Posten aber dem eines Generaldirektors der Kommission entspreche, sei vermutlich eine gemeinsame Entscheidung der 27Mitglieder der Kommission erforderlich.

Diese bulgarischen Rochaden veranschaulichen die wesentliche Schwäche bei der Bestellung der Kommission: Der Kommissionspräsident benötigt für die Bewältigung sukzessive komplexer werdender politischer Probleme immer kompetentere Kommissare, bekommt von den Mitgliedstaaten aber oft nicht die Kandidaten vorgeschlagen, die er zur Umsetzung seiner Ziele braucht. Es ist bezeichnend, dass gerade Michel Barnier, der neue Kommissar für den Binnenmarkt und Dienstleistungen, den mit Abstand besten Eindruck bei den Anhörungen gemacht hat. Barnier ist das einzige wirkliche politische Schwergewicht in Barrosos Kollegium.

Das alles ist nicht nur Futter für „Politikjunkies“, sondern wesentlich zum Verständnis der Machtverschiebungen zwischen Kommission, Rat und Parlament – und damit zum Verständnis der Politik, die in den kommenden fünf Jahren die Arbeitslosigkeit wieder auf unter zehn Prozent drücken, die maroden Staatsfinanzen sanieren und den europäischen Energiemarkt reformieren soll.

Die Regierungen sehen nach zwei Jahrzehnten immer tieferer Integration und dem damit einhergehenden Souveränitätsverlust gegenüber „Brüssel“ die Chance, die Kommission vom „Motor der Integration“ zu einem reinen Sekretariat ihrer Pläne zu machen. Einen Vorgeschmack dafür haben sie schon geliefert: Im Juni 2009 beauftragten sie die Kommission, einen Vorschlag zur Reform der Finanzaufsicht vorzulegen. Drei Monate später legten ihn die EU-Kommissare Joaquín Almunia und Charlie McCreevy vor – und er entsprach fast identisch den Überlegungen einer Expertengruppe der Mitgliedstaaten.

Auf einen Blick

José Manuel Barroso hat auch bei der Bildung seines zweiten Kommissionsteams kein Glück. Im Jahr 2004 lehnte das EU-Parlament seine Kandidaten aus Italien und Lettland ab, heuer flog die Bulgarin Rumjana Schelewa bei der Anhörung vor den EU-Abgeordneten durch.

Kristalina Georgieva hingegen, ihre Nachfolgerin, war beim Hearing am Mittwoch tadellos. Die Kommission muss sich nun gegenüber dem viel selbstbewussteren Parlament und dem Rat behaupten, der sie eher nur als Sekretariat betrachtet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 4. Februar 2010)

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