Gold in der Kombination war eine Überraschung, der Sieg im RTL ein Erfolg mit Ansage für Marcel Hirscher. Jetzt will der Salzburger im Slalom gewinnen, das Gold-Triple verwirklichen.
Marcel Hirscher hatte es eilig. Der Tag war lang, um 21 Uhr erhielt er aus den Händen von ÖOC-Präsident Karl Stoss Gold für den Gewinn im Riesentorlauf. Der Salzburger war hungrig, nahm es aber gelassen. „Zeit, dass das Mittagessen kommt“, feixte er. Dass er davon ja jetzt, nach zwei Goldmedaillen ohnehin genug habe, zudem die Spiele in Korea nun doch mehr genießen könne, all das ist bloß die Vorstellung seiner Bewunderer. Hirscher, 28, ist noch nicht fertig: „Nein. Denn ich bin nur zum Arbeiten hier.“
War Gold in der Kombination letzten Endes noch eine Überraschung, war der Gewinn des RTL bloß die Erfüllung der (eigenen) Erwartungshaltung. In dieser Disziplin ist Hirscher seit Jahren quasi unschlagbar. Es war ein Triumph mit Ansage. Nun hat Hirscher nur noch ein Ziel, er will auch den Slalom gewinnen und damit das Gold-Triple verwirklichen. Um das zu bewerkstelligen, muss sein „Team“ Überstunden leisten.
92 Paar Rennski
Nach der Übersiedlung vom Skigebiet in Jeongseon in jenes in Yongpyong hat sich Hirscher kurz wie um Jahre zurückversetzt gefühlt. Trotz ungewohnten Gedränges auf der Trainingspiste gelang es dem Doppel-Olympiasieger, („Daran muss ich mich erst gewöhnen“), mit Unterstützung seines Teams ein perfektes Material-Set-up für den Riesentorlauf auszutesten.
Hirscher ist es gewöhnt, Test- und Trainingspisten für sich allein zu haben. Keine Spuren anderer im Schnee, nur seine eigenen, keine gefährlichen Schläge und damit ein verringertes Risiko. Beim freien Fahren auf der Rennstrecke am Samstag sei alles gut gelaufen und das perfekte Set-up für die speziellen Schneebedingungen gefunden worden. Atomic bestätigte, dass er mit 92 Paar Rennski vor Ort ausgestattet worden sei. „Meine Leute reißen sich den Arsch auf, dass ich das beste Zeugs, die besten Infos habe. Mehr können wir alle nicht tun, wir können nicht zaubern.“
Techniker, Serviceleute, Trainer – zusammen habe man einen Höhepunkt bei diesen Winterspielen erreicht. Eine weitere Vorstellung bei Olympia wird es nicht geben. 2022 in Peking wird Hirscher maximal als Gast auftauchen. Auch deshalb liegt ihm nun so viel daran, Slalom-Gold zu gewinnen. 2014 in Sotschi ist er knapp davor gewesen, doch Mario Matt ist einen Hauch schneller gewesen.
In Sailers und Killys Spur
Hirscher weiß, dass vor dem Slalom (Donnerstag, 2./5.45 Uhr, live ORF1) die Erwartungshaltung an ihn wieder enorm hoch sein wird und in der Heimat alle nach der dritten Medaille rufen, nein: sie verlangen werden. Das Gold-Triple ist in der Alpingeschichte der Herren bei Olympia jedoch kein Leichtes, es ist eher ein Kunststück. Bislang haben es nur Toni Sailer (1956) und Jean-Claude Killy (1968) geschafft. „Ich bin dankbar, dass ich zwei Goldene habe“, sagt Hirscher. „Es ist mir bewusst, dass ich eine höhere Ebene erreicht habe. Auf der Erfolgsleiter nach oben geklettert bin. Es ist eine Genugtuung für mich. Das hilft und nimmt den Druck ordentlich raus.“ Es ist Understatement in Reinkultur, aber auch darin ist der Annaberger bestens geübt.
Zwei Bewerbe, Trainings, Anreise – Hirscher fühle, dass er langsam müde werde. Die Kälte verlangte ihren Tribut, auch beim Essen macht sich schön langsam ein europäischer Lagerkoller in Asien bemerkbar. Er könne keinen Reis mehr sehen, sagt der Skistar. Die Belastung erreiche ihre maximale Ausreizung, mit PR-Terminen, Pressestunden und Skifahren. Deshalb hatte es Hirscher eilig. „Man bekommt bei Olympia den Kopf nicht mehr frei. Es rattert permanent durch.“ (fin)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2018)