Sicherheitskonferenz: Kriegsgetrommel in München

Beweis für iranische „Provokation“:  Netanjahu hält ein Metallstück in die Höhe – nach seinen Worten Teil einer Drohne, die in Israels Luftraum eingedrungen war.
Beweis für iranische „Provokation“: Netanjahu hält ein Metallstück in die Höhe – nach seinen Worten Teil einer Drohne, die in Israels Luftraum eingedrungen war.(c) MSC 2018 (Reuters)
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Israels Premier Netanjahu warnt den Iran: Sein Land werde gegen "die fortdauernde Aggression Teherans tätig werden". Teheran spricht von "Hysterie".

München. „Na, das kennen Sie doch, oder?“ Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hebt ein etwa 70 Zentimeter langes, bräunliches Metallstück hoch, das aussieht wie das Leitwerk eines Flugkörpers. Dem iranischen Außenminister Javad Zarif hält er das Metallstück gewissermaßen unter die Nase.

Netanjahu behauptet, dies sei Teil einer iranischen Drohne, die Israel vor gut einer Woche über seinem eigenen Staatsgebiet abgeschossen hat – Beweis, unwiderlegbar sozusagen, der fortdauernden „Aggression“ Teherans. Und der israelische Regierungschef droht: Israel werde dagegen „tätig werden“. Nicht nur gegen die „Stellvertretermilizen des Regimes in Syrien und Libanon, sondern gegen den Iran selbst.“

Wenig später wettert der libanesische Verteidigungsminister Yaqub Sarraf gegen „fortwährende“ militärische Übergriffe Israels auf sein Staatsgebiet: „Wir werden niemals eine Aggression akzeptieren! Zwingen Sie kleine Länder nicht zu verzweifelten Maßnahmen!“ Und als letzter Redner der Münchner Sicherheitskonferenz tönt der Außenminister Saudi-Arabiens Adel bin Ahmed al-Dschubeir: Der Iran exportiere Terror in alle Welt, er „bedroht unser Volk“, und Saudi-Arabien werde „in allen Bereichen, wo wir das können, gegen den Iran vorgehen, so lange er sein Verhalten nicht ändert.“

„Ein Gordischer Knoten“

Umgekehrt stellt sich der Iran – in den Worten seines Außenministers Mohammad Javad Zarif – als das friedlichste Land der Region dar, während die anderen Mächte hinter einer „Hysterie“ gegenüber der Regierung in Teheran nur ihre eigenen Interessen versteckten. Zarif warnt seinerseits vor einem Großkonflikt am Persischen Golf, der „noch für Generationen zu Unruhe führen“ könnte.

Der Nahe Osten bestimmte am gestrigen Sonntag den letzten Tag der Münchner Sicherheitskonferenz – und er tat es in nicht eben beruhigender Weise. „Die Dinge sind viel schlimmer als vor einem Jahr; eine ganze Region im Chaos, ein Gordischer Knoten“, so beschrieb es UNO-Generalsekretär António Guterres, der als „schlimmsten Alptraum“ einen Krieg zwischen der von Iran unterstützten Hisbollah-Miliz und Israel an die Wand malte. Nicht einmal zum gemeinsamen Auftritt für die Fernsehkameras fanden sich die angereisten Spitzenpolitiker in München bereit; sie betraten die Bühne lieber nacheinander und allein.

Nur Netanjahu wittert ein bisschen Morgenluft: Die Angst vor dem nuklearen Potenzial des Iran habe Israel und seine arabischen Nachbarn näher zusammengebracht. „Da haben wir eine Schwelle überschritten; ich hätte mir das nie vorstellen können“, sagte er. Aber dadurch, so paradox das klinge, steige die „Chance auf Frieden mit den Palästinensern.“ Zur Zwei-Staaten-Lösung wollte sich Netanjahu aktuell nicht äußern, er warte auf die von US-Präsident Donald Trump angekündigten neuen Vorschläge: „Geben wir denen eine Chance.“

Eigentlich waren der Nahe Osten und alle am Konflikt beteiligten Staaten in München komplett vertreten; von Netanjahu hieß es, er habe hinter den Kulissen zwei Tage lang „bilaterale Gespräche“ geführt. Über die Inhalte und die Perspektiven war natürlich nichts zu vernehmen.

In den offiziellen, weltweit per Internet übertragenen Veranstaltungen dominierte die Kriegsrhetorik – und von dieser gab es nur eine Ausnahme: Der Emir von Katar, Tamim Al Thani, versuchte die Golfregion von einem Bündnis à la Europäische Union zu überzeugen: „Diese Länder haben ja auch gelernt, nach fürchterlichen Konflikten friedlich zusammenzuleben.“ Aber keiner seiner Kollegen griff das auf. Und der Emir fürchtet angesichts saudischen Drucks weiter um die schiere Existenz seines Landes.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.02.2018)

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