"Empörend", "erschüttert": Kritik an Regierungsplänen zum Erwachsenenschutzgesetz

Vom Österreichischen Behindertenrat über die Diakonie bis hin zu Neos und Liste Pilz: Dass das Inkrafttreten des Erwachsenenschutzgesetzes um zwei Jahre verschoben werden soll, sorgt für Aufregung.

"Inakzeptabel und ein Schritt in die absolut falsche Richtung" ist die Verschiebung des Erwachsenenschutzgesetzes um zwei Jahre aus Sicht des Österreichischen Behindertenrates. Die gesetzlich anerkannte Interessensvertretung betonte in einer Aussendung, dass sie - obwohl offizielles Beratungsgremium - nicht in diese Entscheidung eingebunden war. Die Überarbeitung der Sachwalterschaft sei bereits lange überfällig gewesen, um der UN-Behindertenrechtskonvention zu entsprechen. Nun die Umsetzung zu verschieben, sei unvertretbar, erklärte Behindertenrats-Präsident Herbert Pichler.

"Das ist eine falsche Prioritätensetzung" kritisierte auch der Direktor der Diakonie Österreich, Michael Chalupka, dass "dieses Vorzeigeprojekt nun auf die lange Bank geschoben" werden soll. Auch er trat der Darstellung entgegen, es wären Behindertenvertreter in die Entscheidung eingebunden gewesen: "Dies wäre uns neu. Wir haben die Neuigkeiten leider aus den Medien erfahren." Lebenshilfe-Generalsekretär Albert Brandstätter verwies darauf, dass das neue Gesetz - nach den nötigen Anfangsinvestitionen - Kosten verringern werde. Schließlich habe die bisherige Rechtslage in der Hälfte der Fälle zu einer - aufwändigen - Sachwalterschaft für alle Anliegen geführt.

"Das kann ich mir nicht vorstellen. Das ist nicht nachvollziehbar", meinte Volksanwältin Gertrude Brinek zur angekündigten Verschiebung: "Die Finanzierung wurde vor einem Jahr zugesichert. Ich gehe davon aus, dass das gesetzeskonform umgesetzt wird." Österreich sei vom Ausland kritisiert worden, weil hierzulande zu viele Menschen besachwaltet und damit entmündigt seien. Das Gesetz müsse wie geplant am 1. Juli in Kraft treten. "Auf eine andere Variante will ich mich gar nicht einlassen", sagte Brinek.

"Menschenrechtsverletzungen nicht prolongieren"

"Was in den letzten Tagen die Runde macht, erschreckt uns nachhaltig", zeigte sich Monika Schmerold vom Verein "Selbstbestimmt Leben Österreich" entsetzt. Mit einer Verschiebung des Gesetzes "blieben rund 60.000 Personen im alten System der Sachwalterschaft gefangen", so Schmerold. Eine Verschiebung des Gesetzes würde bedeuten, dass eines der Vorzeigeprojekte zur Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen in Österreich infrage gestellt würde, ergänzte Christina Wurzinger, Vorsitzende des Unabhängigen Monitoringausschusses zur Umsetzung der UN-Konvention.

Neos-Justizsprecherin Irmgard Griss übte ebenfalls Kritik: "Das Sachwalterrecht ist mittlerweile über 30 Jahre alt und längst nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Die Reform, die letztes Jahr einstimmig im Nationalrat beschlossen wurde, hätte nun endlich ein flexibles Sachwalterrecht gebracht, das die Freiheit und Selbstbestimmung betroffener Personen bestmöglich schützt. Es ist unverständlich, warum die ÖVP-FPÖ-Regierung nun einen Rückzieher macht." Sie fordere die Regierung auf, die Umsetzung nicht länger hinauszuzögern.

Als "empörend" bezeichnete es Liste-Pilz-Klubobmann Peter Kolba, "dass diese Regierung beschlossene Gesetze offenbar reihenweise wieder ändern, abschaffen oder verschieben will". Im konkreten Fall des Erwachsenenschutzgesetzes sei das "ein Schlag ins Gesicht all jener Menschen mit Behinderung, die - entgegen allen Hoffnungen - nun weitere Jahre 'besachwaltet" bleiben sollen".

(APA/Red.)


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.