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Suche nach einem Handbuch gegen Judenhass

French Der französische Starphilosoph Bernard-Henri Lévy.Bernard-Henri Levy arrives for a meeting with French President and a delegation of Iraqi-Kurdish Peshmerga fighters at the Elysee Palace in  Paris
French Der französische Starphilosoph Bernard-Henri Lévy.Bernard-Henri Levy arrives for a meeting with French President and a delegation of Iraqi-Kurdish Peshmerga fighters at the Elysee Palace in Paris(c) Reuters (Philippe Wojazer)
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Der französische Starphilosoph Bernard-Henri Lévy eröffnete im Wiener Rathaus eine viertägige Antisemitismus-Konferenz. Er zählt auf das Bündnis mit den christlichen Kirchen – und hofft auf eine Allianz mit dem Islam.

Wien. Die Vorreden und die Grußworte – unter anderem von Papst Franziskus und dem erkrankten Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen – waren mitunter ein wenig ausschweifend. Darauf erhob zum Auftakt der Konferenz „An End to Antisemitism!“ am Sonntagabend im neogotischen Festsaal des Wiener Rathauses eigentlich der Ehrengast Anspruch.

Auftritt Bernard-Henri Lévy im blütenweißen Auslegerhemd, mit nonchalantem Lächeln und grau melierter Mähne – seinen Markenzeichen. Der flamboyante Pariser Starphilosoph und intellektuelle Tausendsassa borgte sich von Mitinitiator Ariel Muzicant eine Uhr aus, um ein Auge auf die Redezeit zu haben, hielt sich jedoch nicht lang mit Höflichkeiten auf. Am Titel der Konferenz schätze er am meisten das Rufzeichen, sagte der streitbare 69-Jährige, der in den Nachwehen der Studentenproteste im Mai 1968 mit André Glucksmann und Alain Finkielkraut die Schule der Noveaux Philosophes gegründet hatte, um mit den Neomarxisten ins Gericht zu gehen. Antisemitismus gebe es seit Beginn des Judentums, und darum denke er nicht, dass die Plage je ganz ausgelöscht werden könne.

Es ist ein profunder Befund von einem der weltweit bekanntesten Publizisten, der im Vorjahr das Buch „The Genius of Judaism“ vorgelegt hat. Das Symposium, das in Zusammenarbeit mit dem European Jewish Congress, der Tel Aviv University und der New York University bis Donnerstag am Campus der Uni Wien stattfindet, hat es sich zur Aufgabe gesetzt, ein praktisches Handbuch für den Kampf gegen den Antisemitismus zu erstellen.

BHL, wie sie Lévy – den Globetrotter in Sachen Menschenrechten – in Frankreich salopp nennen, hat selbst ein „kleines Programm“ ersonnen, wie er sagt. Er zählt dabei auf das Bündnis mit den christlichen Kirchen, den katholischen und protestantischen „Brüdern“. „Das war eine Revolution.“ Der christlich fundierte Antisemitismus sei weitgehend passé. Nun hat er eine ähnliche, weit diffizilere Allianz auch mit dem Islam im Sinn.

Holocaust-Mahnmal für Wien

In Europa erhebe der Antisemitismus neuerdings seine Fratze – in Polen, Ungarn, Österreich und nicht zuletzt in seiner Heimat, wo der Fall der im Vorjahr von einem Balkon gestoßenen jüdischen Ärztin Sarah Halimi großes Aufsehen erregt hat. „Antisemitismus wird wieder ein brennendes Thema.“ Für Wien schwebt ihm ein Holocaust-Mahnmal à la Paris vor, in dem die Namen jener eingraviert sind, die nicht nach Österreich zurückgekommen seien.

Am gefährlichsten artikuliere sich der Judenhass in der Form des grassierenden Antizionismus, der Kritik am Staat Israel. Bei allen Fehlern und Missständen: „Israel ist der einzige Ort der Welt, wo über Nacht eine pluralistische Demokratie entstanden ist.“ Israel sei eine Kraftquelle. „Die Stärke der Juden liegt nicht im Geld oder im Militär, sondern im Wort.“ Insbesondere den Holocaust-Leugnern müsse man energisch entgegentreten, fordert BHL. „Der Holocaust ist einzigartig und unvergleichbar.“ Dies sagt der Aktivist, der stets seine Stimme erhebt, wo immer er einen Völkermord wittert: in Sarajewo, in Ruanda, in Darfur oder in Libyen, wo er 2011 Präsident Nicolas Sarkozy zur Intervention überredete.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2018)

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