Bosnien: Kneissl-Reise im Schatten umstrittener FPÖ-Sager

APA/AFP/TIZIANA FABI
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Am Donnerstag bestreitet die Außenministerin ihren fünften Staatsbesuch. Doch sie wird sich nach einem Interview von Vizekanzler Strache unangenehmen Fragen stellen müssen.

Ihre fünfte Auslandsreise als Außenministerin führt Karin Kneissl (FPÖ) am Donnerstag und Freitag nach Sarajevo. Im Mittelpunkt des zweitägigen Besuches werden vor allem EU-Themen stehen. Nachdem sich Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) in einem kürzlich veröffentlichten Interview klar gegen den Gesamtstaat Bosnien-Herzegowina ausgesprochen hat, wird Kneissl aber wohl auch kritische Fragen beantworten müssen.

In einem im Jänner bekannt gewordenen Interview, das bereits im September aufgezeichnet wurde, meinte Strache, dass der Republika Srpska die "Möglichkeit der Unabhängigkeit" gegeben werden solle. Für Bosnien-Herzegowina als Gesamtstaat sehe er "keine positive Zukunft", so der FPÖ-Chef. Kritik hagelte es auch für FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus, der im Jänner zu den Feiern des verfassungswidrigen "Nationalfeiertages" der Republika Srpska anreiste und dort von Dodik - ebenso wie Strache - einen Orden verliehen bekommen hatte.

Kneissl wollte beide Fälle damals nicht kommentieren, wird im Zuge ihrer Reie aber im Zuge ihrer Reise damit wahrscheinlich konfrontiert werden. Sowohl die Opposition als auch anerkannte Experten sahen durch die umstrittene Balkan-Politik der FPÖ - nun in Regierungsfunktion - die Glaubwürdigkeit Österreichs am Balkan beschädigt.

"Kein Kandidatenstatus ohne Gegenleistung"

Auf dem Programm stehen am Donnerstag Gespräche mit Regierungschef Denis Zvizdic sowie Außenminister Igor Crnadak sowie am Freitag ein Besuch im Staatspräsidium und Treffen mit den wichtigsten religiösen Vertretern des Landes, Großmufti Husein Kavazovic, Kardinal Vinko Puljic sowie Metropolit Hrisostom.

Am Donnerstag stattet Kneissl zudem dem Österreich-Kontingent (AUTCON) der EU-Mission EUFOR/ALTHEA einen Besuch ab. Die dort stationierten 214 Bundesheer-Soldaten (Stand Februar) und der EUFOR-Kommandant, Generalmajor Anton Waldner, empfangen an diesem Tag gleich zwei österreichische Minister, denn auch Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) befindet sich auf einer Auslandsreise, die ihn nach einem Besuch bei der NATO-geführten Mission KFOR im Kosovo eben auch ins Camp Butmir nahe der bosnischen Hauptstadt führt.

Kneissl hob im Vorfeld ihrer Reise die guten Beziehungen zu Bosnien-Herzegowina auf vielen Ebenen hervor, es solle aber auch über "bekannte Probleme in der Region" gesprochen werden, hieß es auf APA-Anfrage aus dem Außenministerium. Auch werde es um ein "verstärktes Engagement im Bereich EU" gehen. Doch: "Den Kandidatenstatus wird es nicht ohne Gegenleistung geben", stellte die Außenministerin klar. Der EU-Pfad könne nur dann beschritten werden, wenn auch entsprechende Reformen umgesetzt werden.

Langsame Annäherung an die EU

Die EU hatte 2008 ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Bosnien-Herzegowina geschlossen. Dieses ist allerdings erst seit Juni 2015 in Kraft, nachdem sich führende bosnische Politiker zuvor zu Reformschritten zwecks EU-Annäherung des Landes verpflichtet hatten. 2016 hatte Sarajevo seinen Antrag zur Verleihung des Status eines EU-Beitrittskandidaten gestellt. Anfang des Monats übermittelte Bosnien nun einen ausgefüllten Fragebogen an Brüssel, der Grundlage für die Entscheidung über die Verleihung sein werden.

Dass die Beantwortung der Fragen relativ lange dauerte, mag an den vielen Unstimmigkeiten zwischen den politischen Vertretern der verschiedenen Volksgruppen liegen. Oft ist die Politik gelähmt, da die Eigeninteressen der drei Staatsvölker - Bosniaken, Kroaten und Serben - in der Regel weit auseinanderliegen. Das rund 3,9-Millionen-Einwohnerland wurde durch das Dayton-Friedensabkommen, mit dem Ende 1995 der dreijährige Bosnien-Krieg beendet wurde, als ein aus zwei Landesteilen - der Bosniakisch-Kroatischen Föderation und der Serbischen Republik (Republika Srpska) - bestehender Staat auf die Beine gestellt. Die gesamtstaatlichen Institutionen haben allerdings eher geringe Befugnisse und vor allem der Präsident der Republika Srpska fällt immer wieder durch seine separatistischen Tendenzen auf.

(APA)

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