Sicherheitspaket: Regierung leuchtet tote Winkel aus

Bis jetzt konnte man von SMS auf Whatsapp ausweichen: Das geht nun nicht mehr. Jedenfalls nicht unbeobachtet, wenn man einer Straftat verdächtig ist.
Bis jetzt konnte man von SMS auf Whatsapp ausweichen: Das geht nun nicht mehr. Jedenfalls nicht unbeobachtet, wenn man einer Straftat verdächtig ist. (c) REUTERS (Dado Ruvic)
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Türkis-Blau beschloss das „Sicherheitspaket“: Künftig werden auch WhatsApp und Skype überwacht, Bilder der Section Control genützt und Daten für zwölf Monate gespeichert.

Wien. Nüchtern, sachlich, im Juristenjargon – Verweis auf diverse Paragrafen inklusive – referierte Justizminister Josef Moser die Eckpunkte des komplexen neuen Sicherheitsgesetzes. Herbert Kickl hingegen, der langjährige FPÖ-Generalsekretär, brachte die Botschaft dann plakativer, in bildhafter Sprache, an: „Die Kriminellen rüsten auf.“ Die Regierung ziehe nach. Das Netz werde engmaschiger. „Wir leuchten die toten Winkel aus.“ In den „unverdienten Schutzzonen“, in denen sich die Verbrecher eingerichtet hätten. „Es ist keine Überwachung in der Breite, sondern in der Tiefe.“

Der FPÖ-Innenminister und der ÖVP-Justizminister präsentierten gestern das „Sicherheitspaket“, das in der rot-schwarzen Version unter dem damaligen Innenminister Wolfgang Sobotka schon für größere Aufregung gesorgt hatte.

Nunmehr sollen alle Maßnahmen erst auf Anordnung der Staatsanwaltschaft und erst ab einem bestimmten Strafrahmen, mit dem die entsprechende Tat bedroht ist, durchgeführt werden.

So wird nun etwa die Überwachung auch auf WhatsApp und Skype ausgedehnt. Und zwar auf diejenigen Personen, die miteinander kommunizieren. Bisher seien diese etwa von SMS zu WhatsApp gewechselt, wenn sie nicht überwacht werden wollten. Erfolgen soll diese Überwachung verschlüsselter Nachrichten mittels sogenannter Bundestrojaner.

Auch die visuelle und akustische Überwachung des öffentlichen Raums – etwa auf Flughäfen oder Bahnhöfen – wird ausgeweitet. Für die Aufnahmen soll es eine vierwöchige Speicherpflicht geben. Auch die Bilder der Section Control auf Autobahnen werden nun genützt. Nicht nur die Kennzeichen betreffend, sondern auch das Auto an sich, dessen Farbe, dessen Insassen.

Mittels „IMSI Catcher“ sollen Standortdaten geortet werden können. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft. Gesprächsinhalte sollen nicht abgehört werden. Zudem werden die verfahrensrechtlichen Bestimmungen bei der Beschlagnahmung von Briefen gelockert – bei vorsätzlich begangenen Straftaten, die mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht sind. Notwendig geworden sei das vor allem wegen der Zunahme der im Darknet angebotenen Suchtmittel, so Moser.

Und es werde eine „Anlassdatenspeicherung“ geben: Diese werde von drei Monaten auf zwölf Monate ausgeweitet, in dieser Zeit dürften die Daten nicht gelöscht werden. Sollte sich der Anfangsverdacht nicht erhärten, soll die Anordnung zur Datenspeicherung außer Kraft treten und der Verdächtige über den Vorgang informieren werden müssen.

Es müsse jedenfalls, so Moser, immer ein konkreter Verdacht, eine konkrete Straftat gegeben sein. Eine Massenüberwachung werde es nicht geben. Dafür eine gerichtliche Kontrolle und die Möglichkeit, jederzeit den Rechtsschutzbeauftragten einzuschalten.
Außerdem soll ein Kostenersatz eingeführt werden, wenn Polizeikräfte vorsätzlich oder mutwillig falsch gerufen werden.

Uni-Räte und Bierlein

Weiters im Ministerrat gestern beschlossen wurde die Liste der von der Regierung entsandten Uni-Räte – „Die Presse“ berichtete darüber vorab am Mittwoch. Und Brigitte Bierlein wurde als neue Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs nominiert. (oli)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.02.2018)

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