Anna Gasser: "Ich hörte auf mein Bauchgefühl"

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Nachgefragt bei einer Olympiasiegerin: Anna Gasser erzählt über die Zeit vor den Spielen, lobt ihren Trainer, freut sich mit der Familie - und erhofft sich jetzt, "dass wieder a bisserl Ruhe einkehrt in meinem Leben."

Silber stand vor ihrem letzten Sprung bereits fest. Wie haben Sie sich oben gefühlt?

Anna Gasser: "Ich habe mir einfach gesagt, ich habe nicht mehr so viel zu verlieren, jetzt kann ich nur noch gewinnen. Ich habe die Silbermedaille. Ich wusste, wenn ich diesen letzten Sprung stehe, reicht es für Gold. Mit der Einstellung bin ich auch rangegangen. Wir haben lange überlegt, soll ich auf Sicherheit machen und versuchen, den zweiten zu verbessern. Da hatte ich ja Wind nach oben bekommen, das hat sich auf die Weite ausgewirkt. Oder soll ich den Plan, den wir von Anfang an hatten und das Risiko für den letzten Sprung nehmen. Und ich bin so froh, dass es geklappt hat."

Trainer Christian Scheidl sagte, die Entscheidung für den Trick fiel erst Sekunden, bevor sie losgefahren sind.

Gasser: "Ja, Gigi sagte mir auch, ich soll beim letzten einfach auf mein Bauchgefühl hören. Und das machen, wonach ich mich fühle. Dadurch, dass ich den anderen noch gezeigt und mit zwei Zehnern gewonnen habe, das macht den Moment noch so viel schöner."

Sie haben schon so viel gewonnen. Wo ordnen Sie den Olympiasieg gefühlsmäßig ein?

Gasser: "Das ist sicher einer meiner größten Erfolge und größten Momente, weil das Level so hoch war, weil ich wirklich alles dafür gegeben musste. Olympia ist einfach im Sport der größte Wettkampf. Olympiasiegerin hört sich gut an, das ist ein Wahnsinn, daran kann ich mich gewöhnen. Es ist ein ganz schöner Titel."

Und wo liegt er vom Stellenwert her?

Gasser: "Bei mir kommt sehr viel drauf an, wie ich selbst fahre und wie das Level war. Und das hier war das bis jetzt höchste Level im Big Air überhaupt. Es gab noch nie zwei Zehner in einem Bewerb, da dies heute das erste Mal war, ist das der höchste meiner sportlichen Erfolge."

Haben Sie das Niveau so hoch erwartet?

Gasser: "Ich habe das gewusst, ich habe das gespürt. Ich bin als Favoritin hier gestanden und wusste, dass es Überraschungen geben wird. Ich wusste, dass die Mädels noch nicht alles in den Wettkämpfen davor zeigen werden. Deshalb ist es noch schöner, dass es gereicht hat und dass sich das Extra-Training und das Auslassen von Bewerben sehr ausgezahlt hat, weil ich an diesen Tricks arbeiten konnte."

Wann war Ihnen klar, dass es Gold ist?

Gasser: "Es ist, als wäre dieser Sprung nicht passiert. Es war alles so wie in Trance. Als ich ihn hingestellt habe, dauerte es ein paar Sekunden, bis ich es realisiert habe. Aber in dem Moment, als ich unten raus gefahren bin, wusste ich vom Gefühl her, dass es für den Sieg reicht. Ich habe mich gewundert, warum es so lange braucht, bis die Punkte kommen."

Macht es alles nochmals schöner, dass auch die Eltern und die Schwester hier sind?

Gasser: "Ja, ich freue mich schon, wenn heute ein bisserl Ruhe einkehrt, dass ich sie umarmen kann und wir diese Momente gemeinsam genießen."

Was bedeutet es Ihnen, dass Sie so abgeliefert haben. Sie waren seit Wochen als Goldtipp gehandelt worden?

Gasser: "Die Zeit vor diesem Big-Air-Finale war sicher eine der schwersten in meinem Leben. Wir sind seit dreieinhalb Wochen in Korea und die ganze Spannung baut auf diesen einen Tag auf. Und dieser Druck ist auch noch größer geworden nach dem Slopestyle. Dann die Verschiebungen und der Wind. Das war jetzt schon vom Mentalen her einer der schwersten Bewerbe, die ich je gefahren bin."

Sie haben erst mit 18 zum Snowboarden begonnen. Viele sprechen nach einem Olympiasieg von der Verwirklichung eines Kindheitstraumes. Wie ist das bei Ihnen?

Gasser: "Als ich zum Snowboarden begonnen habe, waren Big Air und Snowboard noch nicht olympisch. Mein Traum war, Profisportlerin zu sein. Aber es war noch nicht mit Olympia verbunden. Zwei Jahre später wurde bekanntgegeben, dass Slopestyle dabei ist. Das war dann auch der Zeitpunkt, wo ich mir gedacht habe, das wäre richtig cool, wenn ich da dabei sein könnte und eine Medaille machen könnte. Als noch Big Air dazu kam, was meine Spezialdisziplin ist mittlerweile, war der Wunsch nach einer Medaille schon sehr groß."

Was raten Sie Jugendlichen, die auch Ihren Traum leben wollen?

Gasser: "Ich habe die Schule nicht abgebrochen, ich habe meine Matura gemacht. Das war für mich und meine Eltern wichtig. Egal wie alt man ist, man kann immer seine Träume verfolgen, das würde ich Jüngeren auch raten. Das macht das Leben lebenswert. Aber natürlich auch mit gewissem Maß und Ziel. Ich glaube, man muss es einfach richtig managen."

(APA)

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