Warum sich Putin Zeit für Kurz nimmt

Wladimir Putin
Wladimir PutinAPA/AFP/Sputnik/ALEXEY NIKOLSKY
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Der russische Präsident Putin empfängt mitten im Wahlkampf den österreichischen Kanzler. Sebastian Kurz kommt in Moskau der FPÖ zuvor.

Moskau/Wien. Knapp drei Wochen vor der russischen Präsidentenwahl wird Bundeskanzler Sebastian Kurz den russischen Staatschef, Wladimir Putin, in Moskau treffen. Die 24-Stunden-Visite beginnt am kommenden Dienstagabend. Der Besuch im Kreml ist für den darauffolgenden Tag um 14 Uhr angesetzt. Samt Arbeitsessen und Pressekonferenz hat Putin für Kurz drei Stunden freigeschlagen.

Die Agenda klingt harmlos. Offiziell geht es einerseits um Bilaterales, um Tourismus und Energiefragen, auch um Wissenschaftskooperation und um das gemeinsame „Musikjahr“, das gerade läuft. Es wird jedoch auch politisch zur Sache gehen, wenn Krisenherde zwischen Syrien und der Ukraine zur Sprache kommen. Und da will Kurz, das richtet er schon vorab aus, EU-Positionen vertreten – insbesondere im Hinblick auf die Umsetzung des Minsker Abkommens, das die Lage im Kriegsgebiet in der Ostukraine beruhigen sollte.

Bilaterales und Europäisches sollen sich also ergänzen, gemäß der von Kurz gern vorgetragenen Überzeugung, dass man mit dem Kreml im Dialog bleiben müsse. Man wolle ein Ende des Blockdenkens und eine Trendumkehr in den Ost-West-Beziehungen, heißt es im Außenamt. Ob das derzeit möglich ist, darf bezweifelt werden. Aber Wien kann zumindest auf eine bilaterale Dividende hoffen.

Das Treffen ist vor allem wegen des Zeitpunkts erstaunlich. Der erste Tag von Kurz' Visite ist ein belastetes Datum: 2015 wurde an diesem Tag der Oppositionspolitiker Boris Nemzow unweit des Kreml erschossen. Zudem befindet sich der russische Präsident derzeit mitten im Wahlkampf. Putins Terminplan ist übervoll. In Russland wird seine für den 1. März festgesetzte Jahresansprache vor der Föderalen Versammlung, ursprünglich für Anfang Februar geplant, mit Spannung erwartet. Darin wird er einen Ausblick auf die Schwerpunkte seiner nächsten Amtszeit geben.

Zwischen EU-Linie und FPÖ

Kurz wollte schon als OSZE-Vorsitzender in Moskau mit Putin am Tisch sitzen. Doch damals kleisterte der Nationalratswahlkampf den Terminkalender zu. Nun kommt Kurz mit seinem Besuch Außenministerin Karin Kneissl zuvor, die im April in Moskau erwartet wird.

Indem der Kanzler den Moskau-Besuch zur Chefsache macht, signalisiert er zweierlei: Erstens, dass Wien enge bilaterale Beziehungen sehr wichtig sind. Und zweitens steckt er damit die inhaltliche Linie seines Kabinetts ab. Kurz will EU-Kurs halten und das Definitionsmonopol über die Beziehungen zu Moskau nicht dem Koalitionspartner überlassen, der dezidiert Kreml-freundlich agiert und offen für ein Ende der EU-Sanktionen wirbt. FPÖ-Politiker reisten in den letzten vier Jahren wiederholt auf die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim – zur „Wahlbeobachtung“ und zu Veranstaltungen der dortigen, international nicht anerkannten Behörden. Zuletzt kurz vor der türkis-blauen Regierungsbildung im November 2017. Zudem schloss die FPÖ im Dezember 2016 ein Kooperationsabkommen mit der Kreml-Partei Einiges Russland und schickte im Mai 2017 Vertreter zu Parteikonsultationen nach Moskau.

Moskau hat zu Österreich wegen seines neutralen Status ein historisches Naheverhältnis. Auch in der europäischen Sanktionendebatte schätzt man die sanfte Haltung Wiens – und hoffte wohl mit dem Antritt der türkis-blauen Regierung auf eine weitere Lockerung des Kurses. Selbst wenn Kurz' Kabinett seine Position, wie der Kanzler mehrfach betont hat, nicht ändert, betrachtet Moskau Wien doch als Gesprächspartner und möglichen Verbündeten. Dass der damalige Präsident Heinz Fischer Putin im Juni 2014 auf dem Höhepunkt der europäischen Entrüstung über die Krim-Annexion und die Eskalation in der Ostukraine empfing und ihm den Rücken nicht nur stärkte, sondern sogar streichelte, hat die russische Führung nicht vergessen. In Österreich fühlt sich Putin von der politischen Mitte gehört.

Putins Gegenbesuch am 1. Juni

Für Österreich machen sich die guten diplomatischen Beziehungen wirtschaftlich bezahlt. Beide Seiten verbinden langjährige Geschäfte im Finanzwesen, in Bauwirtschaft, Tourismus – und Energie. Am 1. Juni, zum 50. Jahrestag des österreichischen Erdgasliefervertrags mit der Sowjetunion, wird der jetzige und vermutlich auch künftige russische Staatschef in Wien erwartet. Russland und Österreich knüpfen derzeit enge Bande.

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