Arbeitsinspektor an die kurze Leine

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein will die Arbeitsinspektion verschlanken.
Sozialministerin Beate Hartinger-Klein will die Arbeitsinspektion verschlanken.(c) APA/ROLAND SCHLAGER)
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Die Wirtschaft sieht sich von der Arbeitsinspektion schikaniert und vorverurteilt. Die Sozialministerin springt ihr bei - was die Arbeitnehmervertreter auf die Barrikaden treibt.

Wien. Irgendeine Geschichte über die absurden Auswüchse des Arbeitnehmerschutzgesetzes hat jeder schon einmal gehört. Unternehmer erzählen sie gern hinter vorgehaltener Hand – schließlich will es sich niemand mit den Behörden verscherzen. Zum Beispiel die vom steirischen Firmenchef, der wegen Umbauarbeiten sein Büro in einen Container übersiedeln musste. Zur Freude seiner Mitarbeiter ließ er diesen mit einem Laminatboden aufpeppen. Die Arbeitsinspektoren beanstandeten, dass sich die Raumhöhe dadurch von 250 auf 248 cm reduzierte. Der Holzboden musste weg.

2016 brachten die Kontrolleure 1606 Strafanzeigen wegen Verstoßes gegen den Arbeitnehmerschutz ein und verlangten fünf Mio. Euro Strafe. Die Inspektoren suchten oft so lange, bis sie etwas finden, sagen Unternehmer. Die Behörden wiesen das stets zurück.

Nun scheint aber doch etwas dran zu sein: Im Sozialministerium kursiert laut „Falter“ ein Erlass, der vorschreibt, dass bei 38 Prozent der Kontrollen in den Betrieben Mängel beanstandet werden müssen. Im Vorjahr soll der „Zielwert“ bei 45 Prozent gelegen sein.

Das ist deshalb pikant, weil die türkis-blaue Regierung eine großflächige Entbürokratisierung versprochen hat. Auch beim Arbeitnehmerschutz. Verständlich also, dass sich die zuständige Sozialministerin, Beate Hartinger-Klein (FPÖ), beeilte, klarzumachen, dass die „Zielvorgabe“ von ihrem Vorgänger, Alois Stöger, eingeführt wurde. Das entspreche nicht der Philosophie der neuen Bundesregierung, sagte sie am Donnerstag und kündigte an, den Erlass zu überarbeiten.

„Missverständlich formuliert“

„Wir haben immer befürchtet, dass es solche Quoten gibt“, sagt Martin Gleitsmann von der Wirtschaftskammer. Eine fixe Zahl an Beanstandungen sei „einfach nur Schikane“, der Schwerpunkt müsse Beraten und nicht Strafen sein. „Das atmet den Geist der Vorverurteilung“, hieß es in der Industriellenvereinigung, die die angekündigte „Kursänderung“ begrüßt.

Anders klingt das bei den Arbeitnehmervertretern. Der designierte Boss des Österreichischen Gewerkschaftsbundes, Wolfgang Katzian, sieht Hartinger-Klein als „Erfüllungsgehilfin der Wirtschaftskammer“: Arbeitnehmer seien bei der FPÖ und ihren Ministern „offenbar total abgemeldet“, sagt Katzian und fordert den Ausbau der Inspektorate. Die Arbeiterkammer spricht von einer „missverständlichen Formulierung“: Es gebe keine fixe „Mängelquote“. Sondern: Wenn bei Kontrollen Mängel festgestellt werden, müsse in 38 Prozent der Fälle überprüft werden, ob die Mängel behoben wurden, so Alexander Heider, Leiter des AK-Arbeitnehmerschutzes.

Absurd klingt auch der Fall der Reinigungskraft, die Privatwohnungen putzen darf, aber keine Büros. Oder der Modedesignerin, die sich ohne Meisterprüfung nicht als Schneiderin selbstständig machen darf. Das sind Geschichten über die Gewerbeordnung. Diese hätte 2016 reformiert werden sollen – geworden ist es ein sehr kleiner Wurf. Der Widerstand der Wirtschaftskammer war zu stark. (bin)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2018)

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