Regierung bremst Wien Energie aus, SPÖ warnt vor Blackout

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ÖVP-Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger friert die geplanten Förderungen für Gaskraftwerke in Österreich ein.

Das rote Wien ist außer sich. Seit Jahren ringen die Sozialdemokraten um frische Förderungen für die Gas-Heizkraftwerke des stadteigenen Versorgers Wien Energie. Seit Jahren scheitern sie mit ihrem Ansinnen entweder am Koalitionspartner oder aber spätestens in Brüssel, da das EU-Beihilfenrecht direkte Förderungen verbietet. Letzten Sommer hatte die SPÖ mit dem damaligen Regierungspartner ÖVP endlich eine Version für das schon 2011 einstimmig beschlossene Gesetz gefunden, die auch in der EU ihren Segen finden sollte - und nun stoppt die neue Nachhaltigkeitsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) selbst die Notifizierung in Brüssel. Das wirft ihr zumindest der rote Energiesprecher und künftige ÖGB-Chef Wolfgang Katzian in einer entsprechenden parlamentarischen Anfrage vor. Die neue türkis-blaue Regierung spiele mit der Versorgungssicherheit des Landes, so der SP-Politiker. Sollte das sogenannte KWK-Punktegesetz (KWK steht für Kraft-Wärme-Kopplung) verhindert werden, stünde die Stromversorgung des Landes an der Kippe. "Für Ausreden und Verzögerungstaktik ist keine Zeit mehr. Sonst droht uns bald der Blackout", so Katzian zur "Presse".

Bauern behalten Förderungen

Konkret geht es um rund 23 Millionen Euro, die im Rahmen der kleinen Ökostromnovelle für effiziente Gaskraftwerke mit Kraftwärmekopplung vorgesehen waren. Bis 2010 gab es eine derartige Förderung bereits. Die Wien Energie war mit Abstand der größte, aber nicht der einzige Nutznießer in Österreich. Auch der Verbund, sowie die landes- und stadteigenen Versorger in Salzburg, Oberösterreich, Kärnten und Niederösterreich kamen zum Zug.

Die neue Umwelt- und Energieministerin Köstinger versucht gar nicht erst zu dementieren, dass sie die umstrittenenen Subventionen auf Eis gelegt hat. "Ja wir haben beim Bewilligungsverfahren auf die Pause-Taste gedrückt, weil wir gerade intensiv an einer integrierten Klima- und Energiestrategie arbeiten", sagt ein Sprecher des Nachhaltigkeitsministeriums zur "Presse". Auch dieses Papier ist schon seit Jahren in der Warteschleife und soll nun bis Ende März vorgestellt werden. Ob und in welcher Form sich die Wiener darin wiederfinden werden, ist unklar. Im derzeitigen Stadium seien Einzelmaßnahmen jedenfalls nicht zielführend, heißt es aus Köstingers Ressort.

Das gilt freilich nicht für alle Einzelmaßnahmen. Denn gemeinsam mit dem KWK-Punktegesetz wurde im Sommer auch ein 35 Millionen Euro schweres Rettungspaket für marode Biogasanlagen geschnürt, die mehrheitlich in Besitz von Bauern sind. Daran will Köstinger, die in der Regierung auch die Landwirtschaftsagenden über hat, nicht rütteln.

Brüssel drückt beide Augen zu

"Die Regierung muss umsetzen, was im Parlament beschlossen wurde und kann nicht einfach tun und lassen, was ihre Klientel will", ärgert sich Wolfgang Katzian. Die Aufregung der SPÖ ist durchaus nachvollziehbar. Denn nie waren die Chancen, dass die EU die Subvention für die Wiener Kraftwerke durchwinkt, so gut wie heuer.

In ganz Europa hat der starke Ausbau von Wind- und Solaranlagen zu starken Schwankungen in der Stromproduktion geführt. Um das Stromnetz in Balance zu halten, sind die nationalen Netzbetreiber auf Gas- und Kohlekraftwerke angewiesen, die ansonsten jedoch kaum noch rentabel zu betreiben sind.

In Österreich gab der Übertragungsnetzbetreiber APG dafür im Vorjahr rund 100 MIllionen Euro aus. Ein Vielfaches dessen, was noch vor wenigen Jahren zur Sicherung der Netzreserve fällig war. KWK-Anlagen, wie die Wiener sie haben, sind für die Stabilisierung der Netze gut geeignet. Auch die Politik hat daher ein Interesse, dass sie nicht allzubald vom Netz gehen.

In diesem Umfeld drückt offenbar auch die EU gerne ein bis zwei Augen zu: Erst vor wenigen Wochen bewilligte Brüssel spezielle Fördermechanismen für Gas- und Kohlekraftwerke in Deutschland, Frankreich, Italien, Polen, Belgien und Griechenland. Gut möglich, dass auch das KWK-Punktegesetz mit einem forsch vorgetragenen Blackout-Argument durchgekommen wäre. Die ÖVP hingegen wiegelt ab: Die Argumentation der SPÖ, dass das Aussetzen des Bewilligungsverfahrens einen Blackout nach sich ziehen könne, sei schlichtwegan den Haaren herbeigezogen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.02.2018)

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