Das Ringen um die Verteilung des Unionsbudgets heizt die Konflikte zwischen Ost und West an. Die Gegensätze gehen weit über Fragen der Flüchtlingsverteilung und Rechtsstaatlichkeit hinaus.
Brüssel. Am Tag vor seiner Abreise zum informellen Gipfeltreffen in Brüssel gab Polens Ministerpräsident, Mateusz Morawiecki, der Nachrichtenagentur Bloomberg ein Interview. In diesem gab der wendige frühere Bankier, der seit ein paar Monaten als technokratisches Gesicht an der Spitze der nationalkonservativen polnischen Regierung die internationale Kritik lindern soll, seine Vision für Polens wirtschaftliche Zukunft zu Protokoll: „Manchmal sind Politiker besser darin zu stimulieren, und sie müssen im Fall von Marktversagen oder in Bereichen wie der Infrastruktur helfen. Hier ist Staatseinfluss erforderlich.“
Dieser Staatsdirigismus mit Anklängen von Planwirtschaft widerspricht krass den ordnungspolitischen Grundsätzen der EU. Doch vor allem verschwieg Morawiecki einen wesentlichen Umstand seiner ökonomischen Visionen: Sie sind davon abhängig, dass weiterhin Milliarden an Fördergeldern aus Brüssel nach Warschau fließen. Fast 62 Prozent der Ausgaben für öffentliche Investitionen kommen aus den europäischen Kohäsionsfonds: Kein anderes Unionsmitglied profitiert finanziell derart stark von den Brüsseler Fördertöpfen. Und kaum ein anderes widersetzt sich derart trotzig den Verpflichtungen, die sich aus der Mitgliedschaft ergeben: ob es um die rechtswidrige Abholzung des letzten europäischen Urwalds geht oder die Annahme einer von den Innenministern beschlossenen Zuteilung von Asylwerbern. Die Gleichschaltung des polnischen Justizwesens wirft in Brüssel und einigen Hauptstädten die Frage auf, wie so eine Missachtung einfachster rechtsstaatlicher Grundsätze mit der EU-Mitgliedschaft vereinbar sein soll.