Erwachsenenschutz: Sozialministerin Hartinger von Gesetzes-Stopp überrascht

INTERVIEW: BEATE HARTINGER
INTERVIEW: BEATE HARTINGER(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Die FPÖ-Politikerin will nichts von der Verschiebung des Erwachsenenschutzgesetzes gewusst haben. Am Zug sei in ihren Augen Justizminister Moser (ÖVP), der umgekehrt Geld von Finanzminister Löger (ÖVP) verlangt.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ist von der geplanten Verschiebung des Erwachsenenschutzgesetzes, mit dem das Sachwalterrecht im Sinne der Betroffenen modernisierte werden sollte, überrascht. Man sei davon ausgegangen, dass das Gesetz planmäßig mit 1. Juli in Kraft tritt, sagte die Sprecherin der Ministerin am Montag auf APA-Anfrage. Am Zug sei nun Justizminister Josef Moser (ÖVP). Dieser müsse schauen, welche Dinge er priorisiere.

Tatsächlich hatte es nach der Empörung um die geplante Verschiebung des Gesetzes vonseiten der Regierung geheißen, es werde an dem Gesetz festgehalten, die Finanzierung sei allerdings nicht klar.

Das Erwachsenenschutzgesetz sollte mit 1. Juli in Kraft treten. Es wurde im Vorjahr von allen Parteien im Parlament einstimmig beschlossen und würde das 30 Jahre alte Sachwalterrecht ablösen. Mit den neuen Bestimmungen soll die Handlungsfähigkeit von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder intellektuellen Beeinträchtigung nicht mehr pauschal eingeschränkt werden. Stattdessen soll - dank des neuen Gesetzes - die Vertretung in abgestuften Formen passieren, je nachdem, in welchem Ausmaß ein Mensch Unterstützung benötigt.

Schöngerechnete Zahlen?

Die Umsetzung des Erwachsenenschutzgesetzes kostet 17 Millionen Euro im Jahr - nun soll es aus Geldmangel um mindestens zwei Jahre verschoben werden. Es stellte sich heraus, dass der finanzielle Aufwand für die Umsetzung der Maßnahmen im Zuge der Gesetzwerdung wohl absichtlich schöngerechnet wurde. Im Begutachtungsentwurf aus dem Jahr 2016, der vom damaligen Justizminister und künftigen Verfassungsrichter Wolfgang Brandstetter (ÖVP) erstellt wurde, war man von einem Finanzierungsaufwand von rund 17 Millionen Euro im Jahr ausgegangen. Im späteren Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2017 wurden die Kosten nur mehr mit rund zehn Millionen Euro im Jahr angegeben. Die Kosten sollten demnach in den Folgejahren kontinuierlich sinken und bis 2022 auf Null zurückgehen.

Das dürfte allerdings nicht der Realität entsprechen: Laut Begutachtungsentwurf werden die Kosten in den kommenden Jahren nicht sinken, sondern steigen. Auch Justizminister Moser bestätigte, dass er für die Umsetzung 17 Millionen Euro im Jahr brauche - und forderte von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) zusätzliches Geld. Dieser erteilte diesem Ansinnen bisher eine Absage.

Für die gemeinnützigen Erwachsenenschutzvereine, die sich um Sachwalterschaften kümmern, kam die Ankündigung, dass das Gesetz nicht wie geplant in Kraft tritt, vergangenen Montag völlig überraschend. Sie waren mitten in den Vorbereitungen zur Umsetzung der neuen gesetzlichen Bestimmungen und mussten dutzenden Menschen, die bereits eine Jobzusage hatte, wieder absagen.

(APA)

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