Slowakei: Investigativjournalist erschossen

Der 27-jährige Jan Kuciak hatte im Internetportal Aktuality.sk regelmäßig über Fälle von mutmaßlichem Steuerbetrug berichtet.
Der 27-jährige Jan Kuciak hatte im Internetportal Aktuality.sk regelmäßig über Fälle von mutmaßlichem Steuerbetrug berichtet.APA/AFP/VLADIMIR SIMICEK
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Ein Aufdeckerjournalist wurde in seiner Wohnung hingerichtet. Er hatte Verbindungen zwischen Unternehmen und dem organisierten Verbrechen aufgezeigt.

Bratislava. Der Mord an einem jungen Aufdeckungsjournalisten schockiert die slowakische Öffentlichkeit. Ein Investigativjournalist und seine Verlobte wurden eiskalt ermordet. Selbst der gegenüber kritischen Journalisten sonst gern zynisch auftretende Polizeipräsident, Tibor Gašpar, war am Montag in Bratislava sichtlich betroffen, als er sich vor die Kameras und Mikrofone stellte. „Die Indizien weisen darauf hin, dass die Ermordung geplant war“, sagte Gašpar. Die Opfer seien durch Schüsse in Kopf und Brust getötet worden.

Der 27-jährige Jan Kuciak hatte im Internetportal Aktuality.sk regelmäßig über Fälle von mutmaßlichem Steuerbetrug berichtet. Im Visier hatte er vor allem prominente Unternehmer, die nach seinen Recherchen Geschäftsverbindungen zu den regierenden Sozialdemokraten ebenso wie zu Kreisen der organisierten Kriminalität unterhalten haben sollen. Einer dieser Unternehmer hatte Kuciak im vergangenen Herbst öffentlich gedroht. In der Drohung ging es allerdings nicht um Gewaltanwendung. Der Unternehmer Marián Kočner wollte über Kuciak und seine Familie ähnliche „Schmutzberichte sammeln“, wie dieser über ihn, so hatte er gegenüber Medien erklärt.

Der Journalist hatte deswegen eine Strafanzeige gegen Kočner erstattet und sich später auf Facebook beschwert, dass die Polizei nach seiner Anzeige nichts unternommen habe. Anonym war ihm aber später von wohl anderer Seite auch mit dem „Ausradieren“ seines Lebens gedroht worden.

„Beispielloser Angriff“

Kočner gilt in der Slowakei seit über zwanzig Jahren als besonders schillernde Symbolfigur für Verbindungen zwischen Politik und zwielichtiger Geschäftemacherei. Der nun ermordete Kuciak und andere Journalisten sagten ihm geschäftliche Verbindungen zu Spitzenpolitikern bis hin zum umstrittenen Innenminister Robert Kaliňák nach.

Nach Angaben des Polizeipräsidenten hatte die Mutter der getöteten Frau die Polizei gerufen, weil sie seit Donnerstag nichts mehr von ihrer Tochter gehört hatte. Eine Polizeistreife habe die beiden Toten daraufhin in dem Haus in Vel'ká Mača, einem kleinen Nachbardorf der westslowakischen Bezirksstadt Galanta, gefunden, in dem das Paar wohnte. Nachbarn hatten offensichtlich nichts von der Tat mitbekommen. Das junge Paar habe aber noch nicht lang in dem Dorf gewohnt, berichteten örtliche Medien.

Gašpar versprach, alle verfügbaren Kräfte einzusetzen, um den vorerst unbekannten Täter auszuforschen. „Die Slowakei hat noch nie einen solch beispiellosen Angriff auf einen Journalisten erlebt“, fügte der Polizeipräsident hinzu. Er versprach außerdem vorbeugende Schutzmaßnahmen für andere Journalisten, die wegen ihrer Tätigkeit gefährdet sein könnten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2018)

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