Sachwalterschaft: Wie die Reform bezahlt wird, ist offen

"Das Erwachsenenschutzgesetz wird ohne weitere Verzögerungen umgesetzt",Beate Hartinger-Klein (FPÖ).
"Das Erwachsenenschutzgesetz wird ohne weitere Verzögerungen umgesetzt",Beate Hartinger-Klein (FPÖ).(c) APA/HERBERT PFARRHOFER
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Am Montag gab es wieder Verwirrung um das neue Erwachsenenschutzgesetz. Auch durch Hartinger-Klein.

Wien. Das neue Erwachsenenschutzgesetz kommt, und es kommt fristgerecht: Die Regierung blieb am Montag beinahe stur bei ihrer Kommunikationslinie, die sie in der vergangenen Woche ausgegeben hat: Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) will es so, Justizminister Josef Moser sowieso. Und auch Finanzminister und Parteikollege Hartwig Löger peilt für den Start der Reform wie geplant den 1. Juli 2018 an.

Also sind sich alle einig? Naja, fast. Denn da wäre noch Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ): Sie erklärte am Montag zunächst, von der geplanten Verschiebung des Erwachsenenschutzgesetzes „überrascht“ zu sein. Man sei davon ausgegangen, dass die Reform der Sachwalterschaft planmäßig in Kraft trete. Dass andere Regierungskollegen allerdings betonen, die Neuerung komme wie geplant, beeindruckte die Sozialministerin wenig. „Wenn es nicht finanziell abgedeckt ist, kann es ja nicht kommen“, heißt es in ihrem Büro zur „Presse“. Später meldete sie sich allerdings nochmals zu Wort – und sprach sich ausgerechnet für ein „Ende der Verunsicherung aus“. Sie habe mit dem zuständigen Justizminister telefoniert. Und er habe ihr zugesichert, dass das Gesetz ohne Verzögerung umgesetzt werde.

Was stimmt nun? Tatsache ist: Wie die Reform genau bezahlt werden soll, steht noch nicht fest. Zumindest gibt es kein zusätzliches Geld aus dem Finanzministerium. Das war auch der Grund, warum in der vergangenen Woche die Wogen bei dem Thema hochgegangen waren. Zur Erinnerung: Zunächst sickerte durch, dass der Start des Projekts aus Geldmangel um zwei Jahre verschoben werden müsse. Das wurde revidiert, Justizminister Moser bestätigte allerdings, dass die Reform teurer sei als ursprünglich gedacht: Für die Umsetzung brauche er 17 Millionen Euro pro Jahr. Sein Regierungskollege im Finanzministerium konterte: Mehr Mittel werde es nicht geben, Moser müsse in seinem Ressort umschichten. Diesen Aussagen wollte man am Montag nichts mehr hinzufügen.

Dafür meldeten sich neben der Sozialministerin auch die Behindertenvertreter zu Wort – und zwar recht deftig: „Wir werden im wahrsten Sinne des Wortes verarscht“, sagten Interessensvertreter am Montag bei einer Pressekonferenz. Wenn das Gesetz ohne Budget in Kraft trete, nütze es den Betroffenen nichts. Auch die Vereine, die künftig mehr Aufgaben zu erfüllen hätten, bräuchten zusätzliche Mittel.

Was sieht die Novelle nun genau vor? Das Gesetz wurde im Vorjahr von allen Parteien einstimmig im Parlament beschlossen. Es löst das alte Sachwalterrecht ab, das immerhin 30 Jahre lang in Kraft war. Die neue Regelung soll die Handlungsfähigkeit von Menschen mit psychischen Erkrankungen oder intellektuellen Beeinträchtigung nicht mehr pauschal einschränken. Stattdessen soll die Vertretung in abgestuften Formen passieren, je nachdem, in welchem Ausmaß ein Mensch Unterstützung benötigt. Betroffene sollen sich leichter aussuchen können, wer sie vertritt. Auch Verwandte sollen mehr Rechte erhalten.

Die derzeit bestehenden Sachwalterschaften werden unter anderem überprüft, ob ihre Vertretung noch nötig ist bzw noch Alternativen bestehen. Neben dem nötigen Personal für die Erwachsenenschutzvereine werden dafür auch zusätzliche Richter, Rechtspfleger und Kanzleimitarbeiter benötigt. Die Richterschaft forderte daher bereits das nötige Budget ein.

Rauchverbot im Parlament

Weniger Verwirrung gibt es diese Woche dafür um das Kippen des Rauchverbots in der Gastronomie: Die Regierung ist nun bemüht Harmonie zu demonstrieren. In einer gemeinsamen Aussendung gaben ÖVP und FPÖ am Montag bekannt, dass die Verlängerung der derzeitigen Raucherregelung in der Gastronomie diese Woche im Parlament eingebracht wird. Welche Konsequenzen das Volksbegehren haben wird, ließ man aber offen. Die SPÖ kündigte Proteste gegen den Initiativantrag an, die Neos wollen eine Volksbefragung beantragen.

Das jetzige Volksbegehren hat seit Montag übrigens einen weiteren Unterstützer, wenn auch nicht formal: „Wenn ich nicht gerade Bundespräsident wäre, würde ich das auch unterschreiben“, sagte Alexander Van der Bellen. (ib/APA) [ Foto: APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.02.2018)

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