Cernko: "Banken müssen auch untergehen können"

(c) Michaela Bruckberger
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Bank-Austria-Chef Willibald Cernko ruft seine Branchenkollegen auf, sich den Fragen der Bevölkerung zu stellen. Und selbst Vorschläge zu erarbeiten, um die nächste Krise zu verhindern.

„Die Presse“: Es gab Zeiten, da waren Banker hoch angesehene Mitglieder der Gesellschaft – seriös, diskret, kompetent, bescheiden. Heute ist ihr Image schlechter als jenes von Journalisten und Politikern. Können Sie das nachvollziehen?

Willibald Cernko: Durchaus. Ich habe ja auch oft meine liebe Not mit manchen Kollegen. Wenn ich miterlebe, wie die Vertreter der Wall Street auf berechtigte Fragen und Kritik reagieren, verstehe ich das schlechte Image und die Emotionen. Ich denke aber, dass die Menschen zwischen hemmungslosem Nehmen und dem langfristigen Agieren der Geschäftsbanken unterscheiden können.

Die Übeltäter sitzen an der Wall Street, und die braven heimischen Banken sind die Opfer, die das Desaster aufräumen müssen?

Cernko: Das sage ich nicht. Die gesamte Finanzbranche muss sich den Fragen stellen, das sind wir der Öffentlichkeit schuldig. Sorgen bereitet mir der Umstand, dass wir die Prioritäten durcheinanderbringen. Etwa, wenn in Österreich intensiv über die Einführung einer neuen Bankensteuer diskutiert wird.


Dass Sie damit wenig Freude haben, liegt auf der Hand.

Cernko: Das Problem dieser Bankensteuer liegt darin, dass auch jene Institute zur Kasse gebeten werden sollen, die kein staatliches Geld beansprucht haben. Und jene heimischen Institute, die Staatshilfen bekommen haben, zahlen ohnehin dafür (Zinsen von bis zu neun Prozent pro Jahr, Anm.). Das ist übrigens ein gravierender Unterschied zu den USA. Wir wehren uns auch nicht prinzipiell gegen Beiträge. Aber wir sollten die Prioritäten nicht aus den Augen verlieren.

Wo liegen denn die Prioritäten?

Cernko: Vordringlich ist nicht die Aufbesserung des Staatshaushalts, sondern die Vermeidung neuer Krisen. Eines der wichtigsten Themen ist deshalb die bessere Kapitalausstattung der Banken. Je riskanter die Geschäfte sind, desto mehr Eigenkapital sollte das Institut bereitstellen müssen, um diese Geschäfte abzusichern. Wir müssen künftig in der Lage sein, eine Krise aus eigener Kraft zu stemmen. Die Steuerzahler sind ein für allemal draußen zu halten. Es ist unerträglich, sie immer wieder um Hilfe zu bitten.

Sie rufen also nach einer strengeren Regulierung durch den Staat?

Cernko: Das Thema Kapitalausstattung hat eine stark regulierende Wirkung. Das allein wird nicht reichen. Es sind auch jene Bereiche transparenter zu machen, die bisher im Dunkeln lagen. Etwa die Hedgefonds, um ein Beispiel zu nennen. Auch das Thema Kompensation der Bankmanager ist anzugehen.

Der Staat soll Boni regeln?

Cernko: Nein. Die staatliche Aufsicht sollte Vorschläge machen, entscheiden müssen die Aktionäre und der Aufsichtsrat. Bei der UniCredit gibt es Boni nur noch für längerfristigen Erfolg. Das ist auch sinnvoll: Man orientiert die Mitarbeiter an nachhaltigen Zielen, bindet sie an das Unternehmen. Wenn aber die Politik Obergrenzen vorschreibt, regt sie nur Ideen an, wie man das umgeht. Gerade Banken in Not, die Staatshilfe in Anspruch nehmen müssen, brauchen die besten Leute. Solange der Markt ganz andere Möglichkeiten bietet, stellt sich die Frage, warum sich ein Topmanager diese Wahnsinnsherausforderung antun soll, wenn er gleichzeitig jeden zweiten Tag in den Medien geprügelt wird, weil er angeblich einen nimmersatten Kragen hat.

Offen ist auch die Frage, wie zu verhindern ist, dass Banken so groß werden, dass sie im Falle des Scheiterns vom Staat zu retten sind.

Cernko: Interessant ist, dass US-Präsident Barack Obama permanent auf die Gefahr der Größe hinweist. Gemessen an der Wirtschaftsleistung eines Landes sind diese großen Banken nämlich nicht in Amerika, sondern in Europa. Die USA versuchen, Wettbewerbsvorteile zu lukrieren. Hier wird das Florianiprinzip auf Staatsebene gehoben. Dabei sind nicht große und breit diversifizierte Banken das Problem. Sondern jene, die alles auf eine Karte setzen.


In Schweden gibt es einen Notfallfonds, der mit Beiträgen von Banken gespeist wird und für die Kosten künftiger Krisen zur Verfügung steht. Eine gute Idee?

Cernko: Ich stehe diesem Vorschlag kritisch gegenüber, weil so ein Fonds nur auf europäischer Ebene sinnvoll ist. Sonst erreicht er nicht die nötige Größe. Viel effektiver ist es, risikoreiche Geschäfte stärker mit Eigenkapital zu unterlegen. Dann ist es auch nicht mehr möglich, dass Banken mit dem geringst möglichen Eigenkapital das größte Rad drehen.

Und wenn doch etwas schiefgeht?

Cernko: Man muss mit der Aufsicht ein Insolvenzrecht für Banken entwickeln. Es geht nicht um eine Insolvenz im klassischen Sinn, sondern darum, ein komplexes Ganzes zu entflechten und die guten Teile wieder rasch auf neue Beine zu stellen. Die Teile, die von der Pest befallen sind, bleiben bei dem, der die Verantwortung dafür zu übernehmen hat.


Banken müssen also untergehen können, zulasten der Eigentümer?

Cernko: Ja, wie im normalen Wirtschaftsleben auch.

In Österreich scheint die Bankensteuer das brennende Thema zu sein. Bezahlen würden die Steuer doch die Kunden, oder?

Cernko: Klar ist: Was sich die Politik am Vormittag wünscht, muss am Nachmittag bezahlt werden. Ich habe grundsätzlich Verständnis für politische Maßnahmen, wenn die Volksseele kocht. Aber es ist wichtig, die Auswirkungen geplanter Maßnahmen zu prüfen. Denken Sie nur an die Abhängigkeit unserer Wirtschaft von den Banken. In den USA sind nur sechs Prozent der Großunternehmen auf Bankkredite angewiesen. In Österreich ist es ein Drittel, bei kleineren Firmen sind es 70 bis 90 Prozent.

Wenn eine Bankensteuer kommt, wird die UniCredit ihr Osteuropageschäft aus Wien abziehen? Gerüchte darüber gibt es schon lange.

Cernko: Das ist eine liebevoll gepflegte Geschichte. Die Bank Austria hat bis 2016 saubere vertragliche Vereinbarungen, den „Vertrag der Regionen“. Aber was passiert, wenn die Politik das Geschäft für Konzernzentralen unattraktiver macht? Niemand wird von heute auf morgen seine Büros zusammenklappen und nach Bratislava gehen. Aber der Investor wird sich fragen: Wo investiere ich weiter? Wir brauchen Kapital, und wir stehen im Wettstreit mit anderen Investitionsmöglichkeiten. Ein unattraktives Umfeld bedeutet Erosion, über wenige Jahre. Das ist keine Drohung, das ist Realität. Und falls jemand auf die absolut verwerfliche Idee kommt, das Osteuropageschäft stärker zu belasten – da würden wir jedes Headoffice hier mittelfristig platt machen.

Deutschland zahlt Millionen für gestohlene Bankkundendaten. Was haben Sie da für ein Gefühl dabei?

Cernko: Aus einer rechtsstaatlichen Sicht kann ich das nicht akzeptieren. Wie kommt jemand, der auf dieser CD aufscheint und alles korrekt gemacht hat, dazu, dass er der breiten Öffentlichkeit vorgeführt wird? Für mich ist das ein Ausdruck von Hilflosigkeit. Zwei Rechtsstaaten müssen das Thema Steuerflucht doch anders lösen können. Die Vorstellung, dass Diebsgut angekauft wird, ist schrecklich. Wo ist denn da Schluss? Da besorgt sich dann jemand Daten der Sozialversicherung und stellt fest, dass Leute dreimal im Jahr auf Kur fahren – das ist ja auch Sozialmissbrauch. Sie sehen, da tun sich bei mir viele Fantasien auf. Nein, hier überschreitet der Rechtsstaat Grenzen. Das ist eine Einladung zum Diebstahl.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2010)

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