China: Wie Xi Jinping die Internet-Rebellion unterdrückt

Beobachter sehen unter Xi Jinping eine neue Mao-Ära angebrochen.
Beobachter sehen unter Xi Jinping eine neue Mao-Ära angebrochen.APA/AFP/DALE DE LA REY
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Die Kommunistische Partei will die Amtszeitbegrenzung für Staatschef Xi aufheben. Mit rigoroser Akribie gehen Chinas Zensoren gegen Online-Kritik vor. Es ist nur ein Vorgeschmack auf die Führung unter dem erstarkten Herrscher.

In China - und unter Beobachtern der Volksrepublik im Ausland - schlug die nüchterne Meldung der chinesischen Nachrichtenangentur Xinhua vom Wochenende ein wie eine Bombe: Die Kommunistische Partei will die Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten aufheben. Die seit nunmehr rund drei Jahrzehnten geltende Regel, dass der Staatschef maximal zwei fünfjährige Amtsperioden regieren darf, soll aus der Verfassung gestrichen werden. Staats- und Parteichef Xi Jinping kann sich damit zum Autokraten auf Lebenszeit machen - und seine jetzt schon beispiellose Macht weiter ausbauen.

Welche Bedeutung diese Verfassungsänderung für die chinesische Bevölkerung haben wird, wurde bereits in den vergangenen Tagen deutlich: Mit rigoroser Härte und einer unbeschreiblichen Akribie gehen Chinas Internetzensoren gegen kritische Kommentare in Sozialen Netzwerken vor. Binnen Stunden wuchs die Liste der von den Kontrolleuren verbotenen Inhalte auf Dutzende Zeichen an: Begriffe wie "Xi Jinping", "lebenslange Kontrolle", "Verfassungsänderung" oder "das Amt weiter ausüben" waren schnell gesperrt, berichtet die "China Digital Times".

Doch die Zensurwelle nimmt zum Teil lächerliche Ausmaße an: Das jahrelange Katz-und-Maus-Spiel mit den Behörden hat Chinas Nutzer erfinderisch gemacht. So finden sich nicht nur die Buchtitel "1984" oder "Animal Farm" von George Orwell unter den gesperrten Inhalten, sondern auch Disneys Winnie Puuh, der Name des Zeichentrickstudios und Bilder der berühmten Figur.

Buchstabe "n" fällt Zensoren zum Opfer

Seit 2013 kursiert der scherzhafte Vergleich Xis mit dem pummeligen Bären im Internet. Kurz nach Bekanntgabe der geplanten Verfassungsänderung teilten Nutzer des chinesischen Twitter-Pendants Weibo ein Bild von Winnie Puuh auf der Kurznachrichtenplattform. Darauf umarmt er einen großen Topf mit Honig. "Finde das, was du liebst, und gib es nicht mehr aus der Hand", steht darüber.

Screenshot

Um Kritik an dem Machtausbau Xis zu üben, ohne sofort erwischt zu werden, gruben Regime-Kritiker sogar noch tiefer bis in die Kaiserzeit zurück. So benutzten sie Screenshots aufmüpfiger Charaktere historischer Fernsehserien, die den Tod des Herrschers forderten, oder verwiesen auf den ersten Präsidenten der Republik China, Yuan Shikai, der sich 1915 selbst zum Kaiser ernannte. Kurzfristig sperrten die Zensoren auch den Buchstaben "n": Sie reagierten auf den scherzhaften Versuch der Internetnutzer, Xis Amtsdauer zu berechnen.

So gründlich gingen die "Krabben", wie die Kontrolleure auch genannt werden, vor, dass selbst Kommentare von Unterstützern der Verfassungsänderung der Löschoffensive zum Opfer fielen.

"Periode langer Unterdrückung  wahrscheinlich"

Einige Kritiker aber traten aus der Online-Anonymität hervor. In einem offenen Brief an den Nationalen Volkskongress, das chinesische Scheinparlament, kritisierte der ehemalige Herausgeber Li Datong das Vorhaben als "Rückschritt in der Geschichte" und als neu gesäten "Keim des Chaos". Denn nach den Schrecken der Kulturrevolution unter Staatsgründer Mao Zedong hatte der ehemalige Staats- und Parteichef Deng Xiaoping die Amtszeitbegrenzung 1982 in der Verfassung verankert. Dies sei die "effektivste rechtliche Beschränkung gewesen, um die Diktatur und die Herrschaft des Einzelnen über die Partei und Regierung zu verhindern", schrieb Li in dem auf dem Kurznachrichtendienst Wechat verbreiteten Text. Die Maßnahme "war eines der wichtigsten politischen Erben Deng Xiaopings. China kann sich nur auf dieser Grundlage weiter entwickeln."

Dass die Zensur trotz ihrer skurrilen Auswüchse nicht zum Lachen ist, beweist ein weiterer Internettrend: Binnen kurzer Zeit schossen auf der chinesischen Suchplattform Baidu Anfragen zu dem Begriff "auswandern" in die Höhe. Nur wenig später fand sich auch dieser Terminus auf der schwarzen Liste. Denn, so schreibt der China-Beobachter Jerome Cohen, die chinesische Bevölkerung müsse sich auf dunkle Zeiten gefasst machen. Die Abschaffung der Amtszeitbegrenzung mache "eine weitere lange Periode schwerer Unterdrückung" wahrscheinlich. Das habe auch Auswirkungen auf die Weltordnung: So werde Xi künftig im Ausland bestimmter auftreten. Bereits jetzt warnen Thinktanks in Europa und den USA vor der wachsenden politischen Einflussnahme Pekings.

Chinas Zeitungen signalisieren breite Unterstützung

Die offizielle Propagandamaschinerie holte angesichts der Kritik aus der Bevölkerung bereits zum Gegenschlag aus: "Die breite Masse der Kader unterstützt die vorgeschlagene Verfassungsänderung", titelte etwa die "Volkszeitung". Und auch das Militär stellte sich in seinem Sprachrohr, dem "People's Liberation Army Daily", hinter die "sehr notwendige und zeitgemäße" Reform.

"Die starke Führung der KP war ausschlaggebend für die politischen und wirtschaftlichen Errungenschaften dieses Landes in den vergangenen vier Jahrzehnten", schrieb "China Daily" in einem an das Ausland gerichteten Kommentar. Die Abschaffung der Amtszeitbegrenzung sie notwendig, um das System unter der Führung von Staat und Partei zu perfektionieren.

Noch bestimmter äußerte sich die nationalistische "Global Times", eine Tochter der "Volkszeitung". Sie verwies auf die von der KP ausgegebenen Entwicklungsziele, China bis 2050 zu einem großen, modernen, sozialistischen Staat zu machen: "China darf keine Pause machen. Unser Volk glaubt, dass jedes Jahr wichtig ist. (...) Unser Land darf nicht von der Außenwelt gestört werden oder sein Selbstbewusstsein verlieren, während der Westen seine Wachsamkeit gegenüber China erhöht."

>>> Liste zensierter Inhalte in der "China Digital Times".

>>> Free Weibo. (Chinesisch)

>>> Brief Li Datongs in englischer Übersetzung.

>>> Kommentar von Jerome Cohen.

>>> Artikel in der "Volkszeitung" (Chinesisch).

>>> Artikel in der "PLA Daily". (Englischer Bericht)

>>> "Global Times".

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