Stadttipps von der Spionin

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Maier(c) Clemens Fabry
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Mehr als 7000 Frauen wollen regelmäßig von Sabine Maier erfahren, wo sie in Wien am besten Hingehen sollen. Die Stadtspionin gibt jede Woche die Antwort in einem Newsletter.

Irgendwann hatte es Sabine Maier satt, am Frühstückstisch den Veranstaltungsteil des „Falter“ von vorne bis hinten durchzulesen, um auf die ein oder zwei Tipps zu stoßen, die sie interessierten. Was sie suchte, war ein kleiner Ratgeber mit einigen wenigen Veranstaltungs- und Freizeittipps, die dafür speziell auf Frauen zugeschnitten sind. „Eigentlich dachte ich, so etwas muss es doch geben“, erzählt sie. Aber Fehlanzeige. Und so beschloss sie, einfach selbst die Initiative zu ergreifen.

Rund zwei Jahre später gibt es schon mehr als 7200 Menschen in Wien und Umgebung, die Woche für Woche darauf warten, welche Geschäfte, Restaurants und Events sie diesmal wohl empfohlen bekommen werden – per wöchentlichem Newsletter. Wer hinter diesem Service wirklich steckt, das wissen allerdings die wenigsten. Denn ihre eigentliche Identität ist sekundär, für ihre Leser ist sie einfach nur – so wie auch der Name des Newsletters – „die Stadtspionin“.


Rasanter Zuwachs. „Ich habe am Anfang gedacht, ich mache das einmal in der Woche ohne großen Aufwand“, erzählt sie. Einfach ein paar Tipps zusammenschreiben und per Newsletter versenden. „Blauäugig“ sei das gewesen, denn mittlerweile ist aus ihrem Vorhaben schon eine kleine Firma geworden. „Den ersten Stadtspion habe ich an 50 oder 60 Frauen geschickt, die ich kannte.“ Den folgenden rasanten Zuwachs an Leserinnen hat sie vor allem Mundpropaganda zu verdanken.

Aber woher kommt dieser Erfolg? Denn glaubt man Newsletter-Experten und Medienagenturen, macht die gebürtige Oberösterreicherin in ihrem Newsletter so ziemlich alles falsch, was man nur machen kann. „Möglichst weiß, wenig Bilder, kurze Texte, die man anklickt, um auf eine Website zu gelangen“, erzählt sie, so stehe es im Lehrbuch. „Und ich mache es genau umgekehrt.“ Der wöchentliche Newsletter ist voll mit Bildern, aufwendiger Grafik und längeren Texten, in denen alle relevanten Informationen stehen. Und er sieht jedes Mal anders aus: „Ich liebe Muster“, erzählt die 50-Jährige, „darum gibt es jede Woche eine andere Tapete als Hintergrund.“

Aber es ist nicht nur das Layout, auch die Art und Weise, wie sie zu ihren Tipps kommt, hebt die Stadtspionin von Listen und Datenbanken ab: „Ich bin keine Wienerin“, erzählt Maier, „und obwohl ich schon seit zwölf Jahren hier lebe, habe ich noch immer den Touristenblick.“ Denn auf Distanz sieht man Dinge, die die Bewohner einer Stadt gar nicht mehr bemerken.

Auf diese Art hat sie sich im Laufe ihrer beruflichen Karriere – unter anderem war sie Journalistin und leitende Redakteurin in deutschen Großverlagen – schon viele Städte erarbeitet. „Man muss viel zu Fuß gehen, da sieht man die kleinen und versteckten Dinge.“ Und Kleinanzeigen in Zeitungen lesen – „da erfährt man Stimmungen und Dinge, die nicht auf einer offiziellen Basis laufen.“ Dementsprechend kommt sie auch zu einem breiten Spektrum an Tipps, die sie weitergeben kann: „Da sind sündteure Sachen dabei, aber auch Dinge, die überhaupt nichts kosten. Dazu auch Tipps, die ich von Migrantinnen bekomme.“ Die einzigen Überbegriffe der Stadtspionin sind „Wien“ und „Frau“.


Expansion.Mittlerweile kann Maier schon gut von der Stadtspionin leben, beschäftigt drei Anzeigenverkäuferinnen und ist gut gebucht. Und sie denkt sogar an Expansion. Neue Ideen, die in Richtung Newsletter gehen, aber auch einige Buchprojekte liegen in der Schublade. Aber eines ist klar: „Die Stadtspionin bleibt, wie sie jetzt ist.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2010)

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