Nulldefizit – für Wien (un-)erreichbar?

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Gernot Blümel, Minister und Wiener VP-Chef, nutzt das angekündigte Nulldefizit im Bund für einen Angriff auf Rot-Grün, der Stadtrechnungshof zeigt Verbesserungspotenzial auf.

Wien. Die türkis-blaue Bundesregierung hat ein Nulldefizit für das Jahr 2019 angekündigt. Das nutzte Kanzleramtsminister Gernot Blümel am Donnerstag, diesmal in seiner Funktion als Chef der Wiener ÖVP, zu einem Angriff auf die rot-grüne Wiener Stadtregierung.

„Beim Budget sollte sich Rot-Grün in Wien ein Beispiel an Türkis-Blau im Bund nehmen“, erklärte Blümel. Statt einzusparen, mache Wien aber jedes Jahr neue Schulden. Gleichzeitig bezweifelte der Wiener VP-Obmann, dass Wien (wie angekündigt) im Jahr 2020 einen ausgeglichenen Haushalt ohne neue Schulden erreicht. Das Vorhaben der Bundesregierung, zwei Prozent bei der Verwaltung in den Ministerien, fünf Prozent bei den Förderungen und zwei Prozent bei ausgelagerten Gesellschaften einzusparen, könnte man auch auf Wien umlegen, so Blümel. Der nicht amtsführende ÖVP-Stadtrat Markus Wölbitsch kritisierte „die Art und Weise, wie in Wien mit Steuergeld umgegangen wird“. Und nannte als Beispiel das Krankenhaus Nord.

Kritik vom Stadtrechnungshof

Apropos Finanzen und Umgang mit Steuergeld. Der Wiener Stadtrechnungshof (StRH) hat sich nun (auch) das Ressort der zuständigen Finanzstadträtin Renate Brauner angesehen. Und dort einiges gefunden. So wurde die wirtschaftliche Entwicklung des Hauses der Musik kritisiert, das zur Wien-Holding des Finanzressorts gehört. Konkret sind im Haus der Musik alle Teile schwer defizitär – sogar der Museumsshop. Für diesen fordert der StRH nun ein Konzept, damit er zumindest die Kostendeckung erreicht. Denn: Einnahmen konnten von 2012 bis 2016 zwar um 4,5 Prozent gesteigert werden. Im selben Zeitraum stiegen allerdings die Kosten um 18,4 Prozent.

Hart kritisiert wird der geringe Durchschnittsertrag der Eintrittskarten. Pro verkauftes Vollpreisticket bleiben dem HdM nur 53,4 Prozent Ertrag. Das müsste erhöht werden, fordert der StRH – selbst wenn das HdM antwortet, die 53,4 Prozent seien national und international als überdurchschnittlich zu bewerten. Denn der StRH hält dazu auch noch fest: 2015 wurde der Ticketpreis um einen Euro erhöht. Der Durchschnittsertrag pro Ticket (im Fünfjahresvergleich) ist aber nicht um einen Euro gestiegen, sondern nur um 37 Cent. Anders formuliert: Rund zwei Drittel der Einnahmensteigerung wurden durch massive Kostensteigerungen sofort aufgefressen.

Zwar gab es seit 2014 eine positive wirtschaftliche Entwicklung, wie der StRH festhält. Aber: Diese beruhte nur auf sogenannten Sondereffekten und nicht auf einen sparsameren bzw. effektiveren Umgang mit Steuergeld.

Kranke Mitarbeiter

Einer der weiteren Berichte beschäftige sich mit der Frage: Wie fördert die Stadt den beruflichen Wiedereinstieg ihrer Mitarbeiter nach längerer oder häufiger Krankheit? Vor allem, wenn ein Mitarbeiter seinen bisherigen Job aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr bestreiten kann und in einen anderen Beruf wechseln muss? Dazu gibt es ein 2013 gestartetes Pilotprojekt, dessen formale Beendung der Stadtrechnungshof nun fordert.

Eine erfolgreiche (Wieder-)Eingliederung scheitere „auch an den organisatorischen Rahmenbedingungen innerhalb der Dienststellen“, wird dazu festgehalten. Also an der Bürokratie – nachdem die zuständige MA3 (Berufliche Gesundheitsförderung) bei ihrer Tätigkeit auf alle anderen Magistratsabteilungen angewiesen war. Diese meldeten oft nicht, wenn ein Dienstposten frei war, um kranken Mitarbeitern eine Alternative zu bieten. Oder stellten Bedingungen, die Kranken den Wiedereinstieg in das Berufsleben unmöglich machten.

Wer bei diesem Projekt betreut wurde, erfuhr eine gute Betreuung, nimmt der StRH zur Kenntnis – weshalb die Prüfer fordern, dass diese Erfahrungen in die Neuorganisation im Bereich der Wiedereingliederung einfließen. Nur: Der Andrang war mit unter 100 Personen pro Jahr (bei Zehntausenden Beschäftigten der Stadt) mehr als überschaubar – weshalb der StRH sinngemäß meint: Es wäre vielleicht hilfreich, wenn Betroffene informiert werden, dass es diese Unterstützung zum Wiedereinstieg in den Job gibt. (stu/kb/red.)

AUF EINEN BLICK

Keine neuen Schulden, also ein Nulldefizit für Wien analog zu den Plänen im Bund, forderte der türkise Minister und Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel am Donnerstag – womit er sich auf Rot-Grün in Wien einschoss.

Der Stadtrechnungshof zeigte am Donnerstag Verbesserungspotenzial im Umgang mit Steuergeld in mehreren Teilen der Stadtverwaltung auf. Darunter auch bei der Wien-Holding, die zum Finanzressort der Stadt gehört.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2018)

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