Shine on, you crazy Rauhaardackel

Kampfhund
Kampfhund(c) Clemens Fabry
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Vor lauter Gerede über Kampfhunde vergisst man völlig auf den König der kynologischen Evolution.

Fast scheint es, als würde die Hundewelt nur noch aus Pitbulls, Terriern und Rottweilern bestehen, von Rassen wie dem Tosa Inu (gibt es den in Österreich überhaupt?) ganz zu schweigen. Vor lauter Gerede um sogenannte Kampfhunde denkt man gar nicht mehr an den eigentlichen König der kynologischen Evolution: den Rauhaardackel. Kaum ein anderer Hund ist von Aussehen und Wesen so nahe an Michael Endes Glücksdrachen, kein anderer repräsentiert eine derartige Lässigkeit, die Äußerlichkeiten wie starken Körperbau und stattliche Figur zu oberflächlichem Tand degradiert.

Mein persönlicher Lebensdackel hörte auf den Namen Borsti, stammte von einem Bauern namens Böswarth aus Ludmerfeld (nahe Neulengbach, wer's kennt) und war ein Prachtexemplar seiner Gattung. Abends bestand er darauf, im Ehebett bei den Füßen meiner Eltern einzuschlafen – beim Aufwachen hatte er längst zwischen ihren Gesichtern Stellung bezogen. Und tagsüber verteidigte er heldenhaft den Garten gegen unsichtbare Feinde – abgesehen von der Nachbarskatze war zumindest nie ganz ersichtlich, was er gerade anbellte.

Sie verzeihen, dass ich bei der Frage nach seinem Stammbaum nicht den billigen Kalauer vom Apfelbaum im Garten bringe, sondern lieber einen Dialog zwischen meiner Mutter und einer Bekannten, die besonders stolz von ihrem Rassehund erzählte. „Meiner“, zitierte die Dame aus dem Zuchtbuch „ist ein Horand von Grafrath“ (oder so) und blickte skeptisch auf unseren Dackel, der freundlich hechelnd danebensaß. „Unserer“, sagte meine Mutter, „ist ein Borsti Böswarther von Ludmerfeld.“ Kurzes Schweigen, bis die Bekannte ihre Contenance wiedergefunden hatte: „Diese Linie“, meinte sie, „kannte ich gar nicht.“


erich.kocina@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.02.2010)

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