Der steirische Grünen-Chef pocht auf die Ruhestellung der Parteimitgliedschaft von Glawischnig. Sie habe den Kärntner Grünen knapp vor der Wahl einen "Bärendienst" erwiesen.
Entsetzt und empört haben grüne Politiker auf den Wechsel von Ex-Parteichefin Eva Glawischnig zum Glücksspielkonzern Novomatic reagiert. Der steirische Grünen-Chef Lambert Schönleiter zeigte sich "sprachlos". "Ich gehe davon aus, dass Bundessprecher Werner Kogler jetzt handelt und die Parteimitgliedschaft von Eva Glawischnig sofort ruhend stellt", sagte Schönleitner im "Standard". Glawischnig habe mit diesem Schritt dem Kärntner grünen Spitzenkandidaten Rolf Holub , der am Sonntag Landtagswahlen zu schlagen hat, einen "Bärendienst" erwiesen.
Ähnlich sieht es der Vorarlberger Grünen-Sprecher und Umweltlandesrat Johannes Rauch. Er zeigt null Verständnis für das Engagement Glawischnigs bei Novomatic. "Glücksspiel gehört wieder unter die vollständige Kontrolle der Republik Österreich, im Sinne eines bestmöglichen SpielerInnenschutzes. Private Glücksspielkonzerne wie Novomatic tun das Gegenteil." Rauchs Forderung: "Ich gehe davon aus, dass Eva Glawischnig mit dem Tag ihres Dienstantrittes bei Novomatic ihre Mitgliedschaft bei den Grünen zurücklegt."
"Jetzt ist der Zeitpunkt, die Führung abzugeben", sagte Eva Glawischnig im Mai 2017 - und trat als Grünen-Chefin ab. Nun, nach einem Dreivierteljahr des Pausierens, suchte sie die Öffentlichkeit wieder auf und verkündete ihren Wechsel zum Glücksspielkonzern Novomatic - als Nachhaltigkeitsmanagerin. Mancher Kommentatoren fühlten sich bei dieser Nachricht an Alfred Gusenbauer erinnert. Doch auch andere legten nach der Politik eine zweite Karriere ein. Ein Überblick. (hell) APA/GERT EGGENBERGER Zwei Jahre hielt sich Viktor Klima einst im Kanzleramt, bevor er es wieder räumen musste. Die SPÖ trat damit Anfang des Jahres 2000 nach 30 Jahren Regierungsverantwortung den Weg in die Opposition an - ohne ihren obersten Roten. Klima, damals 52 Jahre alt, aktivierte vielmehr seine Kontakte, die er (unter anderem) aus seiner Zeit als OMV-Manager zur SPD hatte und begann schon im Oktober bei VW Argentinien. Knappe sechs Jahre später avancierte er zum Südamerika-Chef von VW, der er bis 2012 blieb. (c) APA (VOLKSWAGEN ARGENTINA) Im Jahr 2000 erklomm Wolfgang Schüssel von Platz drei in der Wählergunst aus mit Hilfe des Freiheitlichen Jörg Haider die Regierungsspitze. Bald sollte Schwarz-Blau I scheitern und eine Neuauflage kommen. 2006 endete die Kanzlerschaft dann aber doch für den promovierten Juristen: Die SPÖ zog bei der Nationalratswahl an der ÖVP vorbei - Schüssel wurde Klubchef, später einfacher Abgeordneter und zog sich im Herbst 2011 im Zug der Telekom-Affäre gänzlich zurück. Daneben sicherte er sich als Aufsichtsrat des deutschen Energiekonzerns RWE ein einträgliches Nebengeschäft. Weiters ist er Kuratoriumsmitglied der Bertelsmannstiftung. Die Presse Am 8. Februar 2002 legte Susanne Riess (damals noch mit dem Doppelnamen-Zusatz Passer) ihre Posten als FPÖ-Obfrau, Vizekanzlerin sowie Ministerin für öffentliche Leistung und Sport zurück. Seit 2004 ist sie als Generaldirektorin der österreichischen Wüstenrot-Gruppe und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende der Bundestheater Holding tätig. Acht Jahre lang war sie zudem Verwaltungsrat-Mitglied bei der Privatbank IHAG Zürich AG. Gemeinsam mit Gusenbauer sitzt Riess im Beirat der Signa Holding und war außerdem Mitglied des Aufsichtsrats der ÖIAG. Die Presse Erst ins Kanzleramt und von dort weiter in die Privatwirtschaft, zog es Alfred Gusenbauer (SPÖ). Er baute sich – nach einem Intermezzo bei der Arbeiterkammer Niederösterreich – ein florierendes Consulting-Unternehmen auf und sitzt in etlichen Aufsichtsräten (u.a. bis 2017 bei der RHI). Nebenher gingen sich auch einige Lehrtätigkeiten an den prestigereichen US-Universitäten Brown und Columbia aus. Weiters ist Gusenbauer Europa-Direktor des Investmentfonds Equitas European Funds und berät die WAZ-Mediengruppe in Ost-und Südosteuropafragen. Seit Oktober 2017 ist er im Beirat des Alpenländischen Kreditorenverband. Gusenbauer besitzt auch zwei Beteiligungsfirmen. Aus gesundheitlichen Gründen gab Josef Pröll im April 2011 seinen Abschied aus der Politik bekannt - konkret als Vizekanzler und Finanzminister der ÖVP. Nur einen Monat später fand sich eine neue berufliche Aufgabe für den Niederösterreicher: Er wurde Vorstand der Leipnik-Lundenburger, einem Mischkonzern, der zur Raiffeisen-Gruppe gehört. Im April 2012 übernahm Pröll den Posten des Landesjägermeisters, im September desselben Jahres wurde er Präsident der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Die Presse Etwas länger hat die Jobsuche bei Prölls Vorgänger Wilhelm Molterer gedauert. Der Kurzzeit-ÖVP-Obmann, der 2007 Wolfgang Schüssel nachgefolgt war und nach der verlorenen Neuwahl 2008, die er selbst angezettelt hatte („Es reicht!“), wieder abtreten musste, blieb drei Jahre lang einfacher Abgeordneter der ÖVP. Erst dann fand die Partei einen Job und kürte den früheren Finanzminister zum Vizepräsidenten der Europäischen Investitionsbank. APA/ROLAND SCHLAGER Erst war er Außenminister, dann zusätzlich Vizekanzler und ÖVP-Bundesparteiobmann. Von 2013 bis August 2014 wechselte Michael Spindelegger das Ressort und fungierte als Finanzminister. Danach wurde es zunächst ruhig um den Niederösterreicher, der seit dem 1. Jänner 2016 Generaldirektor des Internationalen Zentrums für die Entwicklung von Migrationspolitik gerufen wird. Zuvor hatte er als Präsident der Agentur für die Modernisierung der Ukraine - gegründet von dem umstrittenen ukrainischen Oligarchen Dimitri Firtasch - gewerkt. Die Presse Sein Ruf als politischer Überlebenskünstler war durch mehrere Krisen gewachsen, doch der Druck wurde letztlich zu groß: Im Mai 2016 dankte Werner Faymann als SPÖ-Chef und Bundeskanzler ab - und registrierte sich alsbald im Lobbying- und Interessenvertretungsregister mit dem Tätigkeitsbereich Beratung und Public Affairs. Noch im selben Jahr hob er gemeinsam mit seinem ehemaligen Pressesprecher Matthias Euler-Rolle ein Unternehmen aus der Taufe, der Fokus: die Entwicklung von Immobilienprojekten sowie Öffentlichkeitsarbeit. Seit September 2016 fungiert er zudem als ehrenamtlicher UN-Sonderbeauftragter zur Verhinderung von Jugendarbeitslosigkeit. APA/ROBERT JAEGER Er war federführend am Bundespräsidentschaftswahlkampf von Alexander Van der Bellen beteiligt (obwohl dieser offiziell als unabhängiger Kandidat ins Hofburg-Rennen ging). Dann, nach gewonnenem Urnengang im Dezember 2016, trat er ab: Stefan Wallner. Sieben Jahre lang war er Bundesgeschäftsführer der Grünen gewesen. Eine neue Aufgabe fand der ehemalige Caritas-Generalsekretär bei der Erste Group, wo er für den Bereich "Company Transformation and Civil Society Partnerships" verantwortlich zeichnet. Die Presse Klima, Schüssel, Riess und Co.: Karriere nach der Politik "Was ist mit den Machenschaften des Novomatic-Konzerns? Was ist mit der Spielsucht, die tausende Familien zerstört? (...) Ich kann euch gar nicht sagen, wie enttäuscht ich bin", postete die frühere grüne Abgeordnete Berivan Aslan im Internet.
Etwas sanfter beurteilt die Causa die niederösterreichische Landessprecherin Helga Krismer. "Nach dem Ausscheiden bei den Grünen ist die Wahl des beruflichen Fortkommens eine private Entscheidung, so wie das Gewissen eine private Angelegenheit ist. Das Verhältnis der Grünen zu Novomatic bleibt unverändert. Insbesondere, da Novomatic ein niederösterreichischer Konzern ist, werde ich weiterhin gegen das kleine Glücksspiel ankämpfen, weil es Menschen und Familien in den Ruin treibt."
Nach einem knappen Jahr Auszeit hat Eva Glawischnig einen neuen Job: Sie wird sich beim Glücksspielkonzern Novomatic um das Nachhaltigkeitsmanagement kümmern. An Novomatic reize sie die "Internationalität, Innovation und High Tech als gesellschaftliche Herausforderung", sagt sie in einer ersten Stellungnahme. Und Glücksspiel sei ein gesellschaftlicher Faktor. Und deshalb: "Man kann Glücksspiel nicht wegverbieten." APA/HERBERT-PFARRHOFER Erst im Mai 2017 hatte Glawischnig die Politik verlassen. Mit ihr haben die Grünen ihre bisher größten politischen Erfolge eingefahren - allen voran den Sieg Alexander Van der Bellens bei der Bundespräsidentenwahl. Nach achteinhalb Jahren an der Parteispitze gab die gebürtige Kärntnerin im vergangenen Mai überraschend ihren Rücktritt bekannt. Ein Rückblick auf ihren politischen Werdegang. APA/GEORG HOCHMUTH Als Langzeitparteichef Alexander Van der Bellen nach der Nationalratswahl 2008 von der Parteispitze abtrat, war die langjährige "Kronprinzessin" Glawischnig zwar die logische Nachfolgerin. Die Ausgangslage der heute 48-Jährigen war allerdings durchaus schwierig: Unter Van der Bellen hatten die Grünen erstmals zweistellige Ergebnisse auf Bundesebene geschafft, und ob die Ökopartei das auch ohne ihr bürgerliches Aushängeschild schaffen würden, galt vielen als zweifelhaft. APA/HANS PUNZ Doch Glawischnig überzeugte: Bei der Nationalratswahl 2013 schafften die Grünen das beste Ergebnis der Parteigeschichte (12,4 Prozent). Die Regierungsbeteiligung in Oberösterreich wurde zwar an die FPÖ verloren, dennoch regieren die Grünen derzeit in fünf Bundesländern mit (Wien, Kärnten, Salzburg, Tirol und Vorarlberg). Und seit Jänner sitzt erstmals ein grüner Bundespräsident in der Hofburg. Die Presse Unmittelbar nach dem Urnengang im Dezember 2016 begann es jedoch zu kriseln: Den Anfang machte ein Konflikt mit dem Langzeitabgeordneten Peter Pilz, der nach der gewonnenen Präsidentschaftswahl zum wiederholten Mal eine Strategiedebatte vom Zaun brach. Pilz traf sich mit anderen Kritikern, die dem Führungsteam um Glawischnig vorwarfen, im Kampf um Wählerstimmen zu stark auf stromlinienförmiges Politmarketing zu setzen und den inhaltlichen Kurs zu verwischen. (Bild aus dem Jahr 2007, Van der Bellen, Glawischnig, Pilz) APA Im März 2017 eskalierte schließlich der Konflikt mit der Führung der "Jungen Grünen": Weil die bei der ÖH-Wahl eine Abspaltung der offiziellen Grünen Studentenvertretung (Gras) unterstützen wollten, drehte die Partei der Jugendorganisation den Geldhahn zu. Zwar trat der Vorstand der Jungen Grünen und Glawischnig-Kritikerin Flora Petrik zurück. Intern gab es allerdings viel Kritik am Krisenmanagement der Parteispitze. Dazu kamen gesundheitliche Probleme: Anfang April erlitt Glawischnig einen allergischen Schock und musste eine Woche pausieren. APA/GEORG HOCHMUTH Den nun anlaufenden Nationalratswahlkampf wollte sich Glawischnig nun offenbar nicht mehr antun. Dabei hatte sie schon vor ihrer Kür zur Parteichefin gezeigt, dass sie Wahlkampf kann - und dass die medial oft ein wenig unterkühlt wirkende Juristin auch den Bürgerkontakt nicht scheut: Im Landtagswahlkampf 2004 übersiedelte sie kurzerhand nach Kärnten, tourte mit Spitzenkandidat Rolf Holub durch die Wirtshäuser des Landes und ermöglichte den Grünen damit erstmals den Einzug in den Kärntner Landtag. APA/GERT EGGENBERGER Geboren wurde Eva Glawischnig am 28. Februar 1969 in Seeboden am Millstätter See. Die Schulbank drückte sie unter anderem mit dem heutigen FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Ins Rampenlicht zog es die Wirtstochter schon früh: Bereits mit 18 Jahren war sie als Keyboarderin der "Gerald Gaugeler Band" mit dem Song "Gelati" in den Top 10 der Austro-Hitparade, davor spielte sie in der "Hausmusik Glawischnig" am Hackbrett. APA/ROLAND SCHLAGER Drei Jahre später schaffte Glawischnig als Spitzenkandidatin der Wiener Grünen den Sprung in den Nationalrat. Dort konnte sie sich als Umweltsprecherin rasch etablieren und rückte 2002 zur stellvertretenden Parteichefin auf. Im selben Jahr dann ein Rückschlag für die ehrgeizige Kärntnerin: Bei den Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP war sie schon als Umweltministerin einer schwarz-grünen Regierung gehandelt worden, doch die Gespräche scheiterten. APA/GEORG HOCHMUTH Während ihres Studiums in Graz baute Glawischnig praktisch im Alleingang die Landesgruppe von Global 2000 auf. Aus der gemeinsamen Zeit bei der Umweltorganisation stammt auch die langjährige Freundschaft mit der Wiener Umweltstadträtin Ulli Sima von der SPÖ. Glawischnigs Start in die Parteipolitik über die Wiener Grünen war dagegen ein Fehlstart: Bei den Landtagswahlen 1996 verfehlte sie den Einzug in den Landtag und arbeitete ohne Mandat als Umweltsprecherin der Wiener Grünen. 2006 wurde sie Dritte Nationalratspräsidentin. APA/ROLAND SCHLAGER Kritik brachte Glawischnig auch ihre Nähe zu den Society-Seiten des Landes ein: Ihre Hochzeit mit dem TV-Moderator Volker Piesczek im Jahr 2005 wurde ebenso öffentlichkeitswirksam vermarktet wie ihre anschließende Schwangerschaft. In der Folge ging Glawischnig merkbar auf Distanz, ihre beiden Söhne versucht sie bis heute aus der Öffentlichkeit völlig herauszuhalten. APA/HERBERT P. OCZERET Immer wieder gab es Häme von den anderen Parteien: So wurde Glawischnig vom damaligen Nationalratspräsidenten Andreas Khol (ÖVP) einst als "radikale, aber wunderschöne Marxistin" bezeichnet. Die Grüne Frontfrau schenkte aber den anderen Parteien nichts. Einige "Sager" von Glawischnig: "Der sich virusartig ausbreitende Realitätsverlust scheint von der FPÖ auf die ÖVP übergesprungen zu sein", die "unverschämte" Parteienförderung in Kärnten für FPÖ, SPÖ und ÖVP, "Haider ist ein Pensionsräuber", "Schüssel ein unehrlicher Spieler" oder "Schwarz-Blau ist ein totes Projekt". APA/HERBERT PFARRHOFER Lieblingsmusikstil: Gutes aus allen Genres von Klassik (Puccini, Beethoven) über Jazz, Funk, Soul (von Ray Charles bis Vienna Art Orchestra und Vienna Scientists) aber auch Michael Jackson oder Prince. Seit dem Regierungswechsel wieder vermehrt Kärntner Lieder. Lieblingsbuch: Douglas R. Hofstadter: "Gödel, Escher, Bach" Hobbys: Laufen, Musik, Sport, Zeit in der Natur, Wandern APA/ROBERT JAEGER Eva Glawischnig wechselt die Fronten Der EU-Abgeordnete Michel Reimon ist überrascht, er schreibt auf Twitter, dass "Novomatic ein Konzern ist, der mit Süchtigen Profit macht und bekämpft gehört". Und er bereut anscheinend, vor einem Jahr Glawischnig als Parteichefin verteidigt zu haben: "Wennst dich für jemanden in die Schusslinie stellst, schau drauf, dass du dich ein Jahr später nicht wie ein Volltrottel fühlst."
"Das ist ungefähr so, wie wenn man Bio-Beauftragter bei Monsanto wird. Ich bin persönlich maßlos enttäuscht. Das geht überhaupt nicht", sagt der Salzburger Landtagsabgeordnete der Grünen, Simon Heilig-Hofbauer, der sich seit Jahren für strengere Auflagen und Strafen beim Glücksspiel einsetzt.
(APA)
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