Lange waren sie im Abseits, erst vor 14 Jahren gelang der Sprung in Kärntens Landtag. Nun müssen die Grünen ausziehen, 18 Mitarbeiter verlieren ihren Job. Die Gründe des Debakels? Machtspiele, fehlende Krisenkommunikation – und ein beharrlich schweigender Spitzenkandidat.
Wien/Klagenfurt. Ein Krimi um jede Stimme wurde von den Demoskopen erwartet. Doch es war eindeutig. Kurz nach 17 Uhr stand am Sonntag fest: Die Grünen stürzen auf knapp drei Prozent ab, müssen den Kärntner Landtag nach 14 Jahren verlassen – und kehren zurück ins politische Abseits. Schuldzuweisungen folgten unmittelbar. Der Tenor: Die anderen waren es. Marion Mitsche, Eva Glawischnig, die Bundespartei. Tatsache ist: Das grüne Debakel ist hausgemacht.
Oberflächlich betrachtet heißt das: Den Grünen fehlten die Themen. Konnte sich Spitzenkandidat Rolf Holub im Wahlkampf 2013 als Korruptionsjäger und Aufdecker präsentieren (Stichwort: Hypo), fielen durch die Aufräumarbeiten von Justiz und rot-schwarz-grüner Dreierkoalition nun die Aktionsfelder des 61-Jährigen weg.
Tiefer gehend waren aber wohl die internen Machtspiele, die sich seit der Kür der damaligen Finanzreferentin, Marion Mitsche, zur grünen Landessprecherin im Mai 2015 intensiviert haben – und im Juli 2017 in ihrem Rücktritt und der Gründung der Liste Fair (0,2 Prozent) gipfelten. „Man hat mir damals gesagt: Du hast eine tote Funktion, bist eine Königin ohne Land“, sagt Mitsche rückblickend. Das habe sie nicht hingenommen und den Unmut ihres Stellvertreters Michael Johann und Landesgeschäftsführers Christoph Gräfling auf sich gezogen. Beide waren für die „Presse“ nicht erreichbar.
„Flüchtlinge“ als Wähler
In der Partei gärte es. Von zwei Lagern war hinter vorgehaltener Hand die Rede. Zur offenen Kontroverse kam es im Juni 2017 bei der Listenerstellung für den Wahlkreis Klagenfurt für die Landtagswahl. Klubobfrau Barbara Lesjak, eine Vertraute von Mitsche, fiel in der Abstimmung durch. „Eine gezielte Aktion“, hieß es.
Gemeint war: Im Vorfeld sollen viele neue Parteimitgliedschaften abgeschlossen worden sein, darunter „einige Flüchtlinge“. „Ihnen wurde bei der Abstimmung angezeigt, wo sie ihr Kreuzerl machen sollen“, sagt Mitsche – ein Vorwurf, gegen den die Landesgrünen mittlerweile rechtlich vorgehen. Wer waren die Antreiber? Johann und die Klagenfurter Gemeinderätin Margit Motschiunig, hieß es. Sie wurden auf die Plätze eins und zwei gewählt.
Ein ähnliches Spiel vier Wochen später: Bei der Landesversammlung am 1. Juli stand die Erstellung der Liste für den Urnengang am 4. März auf der Agenda. Wieder sollen Flüchtlinge „gezielt“ für die Reihung gesorgt haben, wie Thomas Winter-Holzinger, damals grüner Klubchef in Klagenfurt, beobachtet haben will. Während die graue Eminenz Holub den ersten Platz erreichte, rutsche Parteichefin Mitsche auf den aussichtslosen neunten Platz ab. Sie ortete eine Verschwörung, forderte die Trennung von Gräfling und eine juristische Prüfung. Allesamt abgelehnt.
Die Fronten verschärften sich. „Die Stimmung am Parteitag und darüber hinaus war geradezu hasserfüllt“, schildert ein Parteimitglied. „Viele hofften, dass Holub, der nach Mitsches Abgang als Parteisprecher einsprang, die Wogen glätten könnte.“ Doch der sonst so Redefreudige schwieg. Die Partei konzentrierte sich auf das Feindbild Mitsche. Wirklich punkten konnte sie damit nicht. Und so wurde Holub zum prominentesten Opfer der grünen Querelen.
Kündigungen im Landesbüro
„Eine gute interne Krisenkommunikation ist nicht gelungen“, räumt Regina Petrik, stellvertretende grüne Bundessprecherin, ein. Wie es weitergehen soll? „Die Kärntner werden sich ausmachen, wer in welcher Funktion weiterarbeitet.“ Aber: „Die Konstellation muss eine neue sein.“ Wann die Entscheidung fällt, ist offen. Ebenso offen ist Holubs Zukunft. Am Wahlabend hatte er gemeint, weiter für die Grünen tätig sein zu wollen, „aber das wird wohl eher ehrenamtlich, also mit keinem Job verknüpft sein“. Für die „Presse“ war er nicht erreichbar.
Fest steht: „Das Landesbüro in Klagenfurt ist schon geschlossen“, sagt Sprecherin Elke Galvin. 18 Mitarbeiter verlieren ihre Anstellung, die Partei 1,2 Millionen Euro Parteien- und 280.000 Euro Klubförderung pro Jahr. Ob man 2023 wieder kandidieren wird? „Das ist ein anderes Kapitel“, sagt Galvin. Möglicherweise wird es ein Krimi.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2018)