Die Schauspielerinnen zeigten am roten Teppich durchwegs alte Muster des Gefallenwollens.
Glamour und Politik stehen eigentlich umgekehrt proportional zueinander. Umso neugieriger war die Öffentlichkeit, welche visuellen Codes nach der Harvey-Weinstein-Affäre bei der Verleihung der Academy Awards in Hollywood aufblitzen würden. Der brancheninterne Aufschrei gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ja rasch zur internationalen Pose geworden. Nach der in alle Richtungen ausgereizten #MeToo-Debatte folgte die Initiative „Time's Up“, mit der Hollywood-Celebrities das Problem des sexuellen Abusus in möglichst allen Bereichen der Gesellschaft lösen wollen. Waren die Golden Globes noch von Kleidern in Betroffenheitsschwarz dominiert, waren es beim Grammy weiße Roben oder zumindest weiße Rosen.
Bei der wichtigsten Red-Carpet-Veranstaltung des Jahres muss alles sitzen. Nicht nur das richtige Outfit ist bei den Oscars ein Must-Have, auch Haare und Make-up müssen perfekt sein. So stellt man sich den richtigen Glow vor: Lupita Nyong'o. (c) REUTERS (DANNY MOLOSHOK) Ein Statement setzte Francis Dormand, die als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet wurde. Sie verzichtete auch bei den Oscars auf Make-up. (c) imago/MediaPunch (Faye Sadou) Natürlich gewelltes Haar, geschwungene Smokey Eyes und orangeroter Lippenstift: So konnte Jennifer Lawrence überzeugen. (c) imago/UPI Photo (JIM RUYMEN) Grüner Lidschatten machte sich an Plus-Size-Model Ashley Graham gut. (c) APA/AFP/GETTY IMAGES/Dia Dipasupil (Dia Dipasupil) Emma Watson mit wuscheligen Haaren und natürlichem Make-up. (c) REUTERS (DANNY MOLOSHOK) Emma Stone stimmte ihr Make-up farblich auf ihr Sakko ab. (c) imago/Picturelux (Todd Wawrychuk) Auf ausdrucksstarke Augenbrauen setzte Sängerin Zendaya. (c) APA/AFP/GETTY IMAGES/Frazer Harrison (Frazer Harrison) Dass Dreadlocks auf dem roten Teppich der Oscars gut aussehen können, bewies Whoopi Goldberg. (c) APA/AFP/KYLE GRILLOT (KYLE GRILLOT) Saoirse Ronan kam ganz natürlich in Rosétönen und färbte sich auch ihren Haaransatz nicht nach. (c) imago/Picturelux (Phil McCarten) Ganz klassisch mit Glamourlocken und rotem Lippenstift erschien Sängerin Miley Cyrus zur Aftershowparty. (c) REUTERS (DANNY MOLOSHOK) Mit üppiger Haarpracht gefiel sich Viola Davis. (c) APA/AFP/ANGELA WEISS (ANGELA WEISS) Danai Gurira setzte dafür ihren rasierten Kopf in Szene. (c) imago/Picturelux (Phil McCarten) Halle Berry sah mit natürlichem Make-up und langen Haaren gleich 20 Jahre jünger aus. (c) imago/ZUMA Press (Birdie Thompson) Auf die 80er setzte dafür Kerry Washington mit ihrem Look. (c) APA/AFP/GETTY IMAGES/Dia Dipasupil (Dia Dipasupil) Kunstvoll war die Frisur von Sängerin Andra Day. (c) imago/UPI Photo (JIM RUYMEN) Glamour pur: Allison Williams. (c) APA/AFP/ANGELA WEISS (ANGELA WEISS) Die Beauty-Looks der Oscars Die Oscars waren, was die Zeichensprache der Mode anlangt, überraschend pluralistisch. Das Defilee wurde weder ein Exzess in Schwarz noch in der anderen Nichtfarbe Weiß. Ashley Judd wählte Lila in schlichtem Schnitt, Salma Hayek ein verschwenderisches, durch allerlei Blingbling aufgehübschtes fliederfarbenes Gucci-Teil. Punkto Stoffverbrauch legte Mira Sorvino vor: Ihre zartrosa Robe prunkte mit einer Schleppe, auf der locker drei Lustknaben Platz finden hätten können. Das passte ideal zur Zuckerbäckerarchitektur des Dolby-Theatre, in dem seit 2002 die Oscars verliehen werden.
Seltsam bloß, dass in Zeiten, in denen die Selbstermächtigung der Frauen Top-Agenda ist, manche Damen in Geschenkverpackung defilierten. Nicole Kidman etwa, deren scharf geschnittene, blitzblaue Robe in der Leibesmitte von einem Riesenmascherl dominiert war. Popsängerin Annie Clarke alias St. Vincent spazierte in einem von einer schwarzen Schleife abgebundenen Hybrid aus Playsuit und Kleid vor die Augen der Welt. Das für dieses Design verantwortliche Label Saint Laurent deutete solcherart dezent an, dass Regression und Avantgarde durchaus zusammengehen können.
Allison Williams glänzte in Diamant-Schmuck von Harry Winston mit der Oscar-Statue um die Wette: Ohrringe (16,03 Karat) und Armband (10,15 Karat). Quelle: Forbes (c) APA/AFP/VALERIE MACON (VALERIE MACON) Meryl Streep trägt Kostbarkeiten von Fred Leighton: Die goldenen pfeilförmigen Ohrringe bestehen unter anderem aus einem alten Bergdiamanten. Ihr Armreif glänzt in Gold. (c) REUTERS (Mario Anzuoni) Mary J. Blige wählte erlesene Accessoires von Forevermark zu ihrem Kleid: Zu den tropfenförmigen Ohrringen aus Weißgold (12,28 Karat) kombiniert die Oscar-Nominierte Diamantringe aus Gold (3,90 Karat) und Platin (6,96 Karat). (c) APA/AFP/VALERIE MACON (VALERIE MACON) Nicht nur ihre Schauspielleistungen sind hochkarätig: Helen Mirren trug zur Verleihung Platin-Schmuck im Wert von über 3,8 Millionen Dollar von Harry Winston: Halskette (115,27 Karat) und Ohrringe (25,22 Karat) sind mit Diamanten und Saphiren besetzt. Der "Winston Cluster"-Diamantring kann mit 3,92 Karat glänzen. (c) REUTERS (Mario Anzuoni) Sally Hawkins, war als beste Hauptdarstellerin nominiert, entschied sich für Juwelen von Chopard: Die weiß-goldenen Ohrringe (18 Karat) aus der “Temptations Collection” bestehen aus rosa Quarz (11,69 Karat), Rubelliten (2,26 Karat), rosa Rubelliten (1,96 Karat) und Diamanten (1,37 Karat). Der Ring aus Roségold und Platin aus der "High Jewelry Collection” ist mit einem braun-rosa Diamanten besetzt (3,44 Karat). (c) APA/AFP/VALERIE MACON (VALERIE MACON) Nicole Kidman schmückte ihr Oscar-prämiertes Haupt dieses Jahr mit Diamant-Schmuck von Harry Winston: Kronleuchter-Ohrringe (23,52 Karat), Armbänder (37,62 Karat bzw. 12,86 Karat) und Ring (4,73 Karat). (c) REUTERS (Mario Anzuoni) Auch Hollywoods Männerriege wusste durchaus zu glänzen - vor allem am Handgelenk: Richard Jenkins wählte die IWC Schaffhausen "Portofino Hand-Wound Eight Days" im Wert von 9.900 Dollar für das richtige Timing am roten Teppich. (c) imago/UPI Photo (JIM RUYMEN) Gal Gadot strahlte dank Tiffany & Co. und der neuen "2018 Blue Book Collection": Die Halskette um ihr Dekolleté besteht aus hunderten aquamarinblauen Steinen und Diamanten. (c) REUTERS (Mario Anzuoni) Den Oscar als beste Nebendarstellerin hat sie in der Tasche. Am Körper trug Allison Janney lieber diamantbesetzte Geschmeide von Forevermark im Wert von über 4 Millionen Dollar. Unter anderem eine Halskette aus Platin (55,26 Karat), einen Ring (18,10 Karat), Platin-Ohrstecker (11,13 Karat), zwei Armbänder aus Weißgold (10,12 bzw. 6,80 Karat) und eines aus Platin (27,02 Karat). (c) APA/AFP/KYLE GRILLOT (KYLE GRILLOT) Salma Hayek spazierte mit Juwelen im Wert von über 4,2 Millionen Dollar von Harry Winston über den roten Teppich. Darunter diamantbesetzte Ohrringe mit 27,5 Karat. (c) APA/AFP/GETTY IMAGES/Christopher (Christopher Polk) Samara Weaving rundete ihre rote Robe mit roségoldenen Juwelen von Bulgari ab- und hat dabei schwer zu tragen: Ein, mit Rubelliten und Amethysten besetzter, Ohrring soll allein bereits 20 Karat wiegen. (c) REUTERS (CARLO ALLEGRI) Onyx und roségoldene Manschettenknöpfe von Montblanc - so unterstreicht Daniel Kaluuya seinen Smoking. (c) imago/UPI Photo (JIM RUYMEN) Greta Gerwig entschied sich für Vintage-Schmuck von Tiffany & Co.: Eine Mondstein-Halskette, kreiert von Louis Comfort Tiffany im Jahr 1910, durfte es für die Regisseurin sein. (c) REUTERS (Mario Anzuoni) Jennifer Garner setzte mit Piaget Akzente: Die "Piaget Sunny Side of Life"-Ohrringe bestehen aus Weißgold und sind mit Diamanten und blauen Saphiren besetzt (18 Karat). Auch die Diamantringe auf ihren Fingern stammen vom Schweizer Juwelier. (c) REUTERS (CARLO ALLEGRI) Jede Ski-Trophäe erblasst hier vor Neid: Lindsay Vonn wechselte in Bulgari und jeder Menge Platin, Gold, Rubine und Diamanten auf Hollywoods wichtigste Piste. Halskette (etwa 1969), Ohrringe (etwa 1955) sowie das Armband (1930er) haben bereits einige Jahre auf dem Buckel. (c) REUTERS (CARLO ALLEGRI) Tom Holland schmückte, wie viele seiner männlichen Kollegen, lieber sein Handgelenk. Eine Piaget "Altiplano Skeleton" aus 18-Karat Weißgold sollte es für den 21-jährigen Briten sein. (c) REUTERS (Mario Anzuoni) Ashley Judd und Bulgari gingen für die diesjährige Verleihung eine glänzende Liaison ein: Weißgold, Platin und Diamanten bestimmten das edle Schmuckset aus den 1930er Jahren. (c) REUTERS (Mario Anzuoni) Zendaya, ebenfalls in Bulgari-Schmuck, trumpft mit diamantbesetzten Art-Deco-Ohrringen in Platin, drei Platin-Armbändern und zwei Diamantringen auf. (c) REUTERS (Carlo Allegri) Jane Fonda und Chopard - eine funkelnde Kombination: Die Ohrringe aus der "High Jewelry Collection" und der Ring aus der "L'Heure Du Diamant Collection" sind in 18 Karat diamantbesetztes Weißgold gefasst. (c) REUTERS (Mario Anzuoni) Sir Elton John wertete sein Outfit für seine Oscarparty mit Bulgari auf: Am Handgelenk trug er eine "Bulgari's Octo Finissimo"-Uhr aus Platin. Auf seinem Sakko steckte eine, im Jahr 1969 gefertigte, Brosche aus Saphiren, Rubinen, Smaragden und Diamanten. Zwei "Serpenti"-Ringe verliehen dem britischen Superstar Glanz bis in die Fingerspitzen. (c) REUTERS (GUS RUELAS) Jane Fonda: betörend schlicht Selbst Emma Stone, die zum roten Seidenjackerl von Louis Vuitton coole Hosen trug, ließ sich die Taille mit einer rosa Masche drapieren. Ein Anblick, der an Coco Chanels Diktum denken ließ, dass es manchmal wohl einfacher ist, ohne Geld elegant zu wirken. Betörende Schlichtheit strahlte die mittlerweile 80-jährige Ikone Jane Fonda aus. Ihr apartes weißes Balmain-Kleid hatte ein originell geschnittenes Dekolleté. Dazu trug sie den Sticker der Time's-Up-Bewegung.
Visuelle Sexyness ist offenbar auch in Zeiten eines puritanischer werdenden Zeitgeists unverzichtbar. Während die Besetzung des hochpolitischen „Black Panther“-Films in dezenten güldenen, weißen und schwarzen Outfits einherschritt, fielen Fans wie Patrisse Cullors, Mitbegründerin der „Black Lives Matter“-Bewegung, mit Tätowierungen in Strafgefangenenästhetik und zu viel nackter Haut negativ auf.
Von dunklen Kleidern hatten die Schauspielerinnen bei den Oscars genug. Während sie bei den Golden Globes noch Schwarz als Zeichen für die Time's Up-Initiative trugen, tobten sie sich am Höhepunkt der Awardsaison modisch wieder aus. Die beiden Gewinnerinnen Allison Janney (beste Nebendarstellerin) und Frances McDormand (beste Hauptdarstellerin). (c) REUTERS (MIKE BLAKE) Viel Bling-Bling war in diesem Jahr zu sehen. Jennifer Lawrence etwa trug eine Glitzerrobe von Christian Dior und machte darin eine gute Figur. (c) imago/UPI Photo (JOHN ANGELILLO) Damit konnte auch Gal Gadot (in Givenchy) überzeugen. (c) imago/Picturelux (Michael Baker) Mehr ist mehr, das dachte sich Salma Hayek in einem Paillettenkleid von Gucci und Schmuck von Harry Winston. (c) APA/AFP/GETTY IMAGES/KEVORK DJAN (KEVORK DJANSEZIAN) Margot Robbie, nominiert als beste Hauptdarstellerin für "I Tonya", hatte zwar die gleiche Idee, setzte sie in Chanel aber dezenter um. (c) imago/UPI Photo (JOHN ANGELILLO) Klassisch und elegant: Meryl Streep in Christian Dior. (c) imago/UPI Photo (JOHN ANGELILLO) Emma Stone setzte in ihrem Hosenanzug von Louis Vuitton zwar ein Zeichen, neben den ganz großen Roben wirkte sie trotzdem underdressed. (c) imago/Picturelux (Michael Baker) Saoirse Ronan, nominiert als beste Hauptdarstellerin für ihre Rolle in "Lady Bird", zeigt sich in einem Kleid von Calvin Klein betörend schön. (c) imago/Picturelux (Michael Baker) Auch ein Hingucker: Sally Hawkins, nominiert als beste Hauptdarstellerin in "Shape of Water". Sie trug ein Kleid von Armani Privé. (c) imago/UPI Photo (JIM RUYMEN) Haley Bennett versteckte sich hinter Steppengras. So sah zumindest das Kleid von Christian Dior aus. (c) imago/Picturelux (Michael Baker) Lupita Nyong'o machte in Atelier Versace der Oscar-Statue Konkurrenz. (c) imago/Picturelux (Michael Baker) Sandra Bullock konnte in Louis Vuitton locker mithalten. (c) imago/UPI Photo (JOHN ANGELILLO) Schwarz und Gold: Rita Moreno trug dasselbe Kleid, das sie schon 1962 zu den Oscars trug. Damals wurde die 86-Jährige als beste Nebendarstellerin ausgezeichnet. (c) imago/ZUMA Press (Kevin Sullivan) Taraji P. Henson gab sich in Vera Wang vielleicht eine Spur zu sexy für den Oscar-Red Carpet. (c) imago/Picturelux (Michael Baker) Weniger Eleganz, mehr Sex. Das kann wohl auch von Skistar Lindsay Vonn gesagt werden. (c) imago/UPI Photo (JIM RUYMEN) Schön wie eine Statue: Nicole Kidman in Armani Privé. (c) imago/UPI Photo (JOHN ANGELILLO) Blau stand auch Jennifer Garner in Atelier Versace gut. (c) imago/UPI Photo (JOHN ANGELILLO) Viola Davis erinnerte in Michael Kors Collection aber eher an eine Barbie. (c) imago/UPI Photo (JIM RUYMEN) Greta Gerwig griff zwar auch zu einer kräftigen Farbe, das Kleid von Rodarte wirkte aber harmonischer. (c) imago/UPI Photo (JIM RUYMEN) Einen großflächigen Auftritt legte Whoopi Goldberg in Christian Siriano hin. (c) imago/Picturelux (Michael Baker) Camila Alves erinnerte in Vivienne Westwood an eine Braut. (c) imago/UPI Photo (JOHN ANGELILLO) Paz Vega konnte in dem Asia-Blumenkleid von Christopher Bu überraschen. (c) imago/UPI Photo (JIM RUYMEN) Zu viel Spitze, zu viel Vorhang: Emily Blunt in Schiaparelli. (c) imago/Picturelux (Michael Baker) Helen Mirren machte in Reem Acra eine gute Figur. (c) imago/Picturelux (Michael Baker) Jane Fonda in Balmain ebenfalls. (c) imago/UPI Photo (JOHN ANGELILLO) Die Tops und Flops vom roten Teppich Konsequent sperrig gegenüber Perfektionsansinnen und Statusrelevanz zeigte sich die belgische Filmemacherin Agnès Varda. Die von vielen als Grande-mère de la Nouvelle Vague bezeichnete Intellektuelle bezirzte in einer rosenverzierten Kimono-Hosen-Kombination, die sich mit hintergründigem Humor den dominierenden Dresscodes entzog. So ein Signal des Asexuellen zur Jahresfeier einer durchsexualisierten Branche zu setzen, das verband auf erfrischende Weise Renegatentum mit Poesie.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2018)
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