Oscar-Outfits: Feministinnen in der Geschenkverpackung

Nicole Kidman mit Riesenmascherl.
Nicole Kidman mit Riesenmascherl.imago/ZUMA Press
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Die Schauspielerinnen zeigten am roten Teppich durchwegs alte Muster des Gefallenwollens.

Glamour und Politik stehen eigentlich umgekehrt proportional zueinander. Umso neugieriger war die Öffentlichkeit, welche visuellen Codes nach der Harvey-Weinstein-Affäre bei der Verleihung der Academy Awards in Hollywood aufblitzen würden. Der brancheninterne Aufschrei gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz ist ja rasch zur internationalen Pose geworden. Nach der in alle Richtungen ausgereizten #MeToo-Debatte folgte die Initiative „Time's Up“, mit der Hollywood-Celebrities das Problem des sexuellen Abusus in möglichst allen Bereichen der Gesellschaft lösen wollen. Waren die Golden Globes noch von Kleidern in Betroffenheitsschwarz dominiert, waren es beim Grammy weiße Roben oder zumindest weiße Rosen.

Die Oscars waren, was die Zeichensprache der Mode anlangt, überraschend pluralistisch. Das Defilee wurde weder ein Exzess in Schwarz noch in der anderen Nichtfarbe Weiß. Ashley Judd wählte Lila in schlichtem Schnitt, Salma Hayek ein verschwenderisches, durch allerlei Blingbling aufgehübschtes fliederfarbenes Gucci-Teil. Punkto Stoffverbrauch legte Mira Sorvino vor: Ihre zartrosa Robe prunkte mit einer Schleppe, auf der locker drei Lustknaben Platz finden hätten können. Das passte ideal zur Zuckerbäckerarchitektur des Dolby-Theatre, in dem seit 2002 die Oscars verliehen werden.

Seltsam bloß, dass in Zeiten, in denen die Selbstermächtigung der Frauen Top-Agenda ist, manche Damen in Geschenkverpackung defilierten. Nicole Kidman etwa, deren scharf geschnittene, blitzblaue Robe in der Leibesmitte von einem Riesenmascherl dominiert war. Popsängerin Annie Clarke alias St. Vincent spazierte in einem von einer schwarzen Schleife abgebundenen Hybrid aus Playsuit und Kleid vor die Augen der Welt. Das für dieses Design verantwortliche Label Saint Laurent deutete solcherart dezent an, dass Regression und Avantgarde durchaus zusammengehen können.

Jane Fonda: betörend schlicht

Selbst Emma Stone, die zum roten Seidenjackerl von Louis Vuitton coole Hosen trug, ließ sich die Taille mit einer rosa Masche drapieren. Ein Anblick, der an Coco Chanels Diktum denken ließ, dass es manchmal wohl einfacher ist, ohne Geld elegant zu wirken. Betörende Schlichtheit strahlte die mittlerweile 80-jährige Ikone Jane Fonda aus. Ihr apartes weißes Balmain-Kleid hatte ein originell geschnittenes Dekolleté. Dazu trug sie den Sticker der Time's-Up-Bewegung.

Visuelle Sexyness ist offenbar auch in Zeiten eines puritanischer werdenden Zeitgeists unverzichtbar. Während die Besetzung des hochpolitischen „Black Panther“-Films in dezenten güldenen, weißen und schwarzen Outfits einherschritt, fielen Fans wie Patrisse Cullors, Mitbegründerin der „Black Lives Matter“-Bewegung, mit Tätowierungen in Strafgefangenenästhetik und zu viel nackter Haut negativ auf.

Konsequent sperrig gegenüber Perfektionsansinnen und Statusrelevanz zeigte sich die belgische Filmemacherin Agnès Varda. Die von vielen als Grande-mère de la Nouvelle Vague bezeichnete Intellektuelle bezirzte in einer rosenverzierten Kimono-Hosen-Kombination, die sich mit hintergründigem Humor den dominierenden Dresscodes entzog. So ein Signal des Asexuellen zur Jahresfeier einer durchsexualisierten Branche zu setzen, das verband auf erfrischende Weise Renegatentum mit Poesie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.03.2018)

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