Folge 63: Hannes R. erhält sein Gehalt regelmäßig erst am zehnten Werktag des Folgemonats auf sein Konto überwiesen. Er hat seinen Arbeitgeber auf diesen Umstand bereits hingewiesen. Eine Änderung ist nicht eingetreten.
Die Hauptpflicht des Arbeitsnehmers besteht in der Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung. Die Hauptpflicht des Arbeitgebers liegt hingegen darin, dem Arbeitnehmer das vertraglich geschuldete Entgelt zu leisten. Es gilt der Grundsatz: „Ohne Arbeit, kein Entgelt“. Eine Abweichung davon besteht nur in einigen gesetzlich geregelten Fällen, wie etwa bei der Dienstverhinderung infolge einer Krankheit.
Der arbeitsrechtliche Entgeltbegriff ist weit zu verstehen. „Entgelt“ bezeichnet sämtliche Leistungen, die der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber dafür erhält, dass er ihm seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt. Die Entlohnung erfolgt üblicherweise durch „Barentgelt“; dazu zählt auch das bargeldlose Entgelt. Daneben kommt eine Entlohnung durch Naturalleistungen, wie etwa die Zurverfügungstellung eines Dienstwagens in Betracht. Die Verpflichtung zur Entgeltzahlung ist prinzipiell eine Holschuld, weil sich der Arbeitnehmer regelmäßig im Betrieb des Arbeitgebers befindet und das Entgelt dort leichter entgegennehmen kann, als etwa in seiner Wohnung. In der Praxis erfolgt die Auszahlung des Entgelts aber überwiegend durch Überweisung auf ein Gehaltskonto des Arbeitnehmers. Wurde dem Arbeitnehmer das Gehalt regelmäßig auf sein Gehaltskonto überwiesen, kann der Arbeitgeber von dieser Zahlungsform auch nicht mehr einseitig abgehen. Gleiches gilt für den Fall einer vertraglichen Vereinbarung.
Der Entgeltanspruch wird grundsätzlich erst nach erbrachter Leistung fällig. Anderes gilt nur, wenn der Arbeitgeber sich zur Vorauszahlung verpflichtet hat. Für Arbeiter sieht das Gesetz eine wöchentliche Entlohnung im Nachhinein vor. Davon abweichende Vereinbarungen sind zulässig. Für Angestellte gilt, dass die Zahlung des laufenden Gehalts spätestens am 15. und Monatsletzten in annährend zwei gleichen Beträgen zu erfolgen hat. Abweichend davon darf die Zahlung des gesamten Betrages zum Schluss jedes Kalendermonats vereinbart werden. Vereinbarungen, wonach das Entgelt zu einem späteren Zeitpunkt, als dem Schluss des Kalendermonats fällig ist, sind nichtig.
Arbeitszurückhaltung bei Zahlungsverzug
Sowohl für Arbeiter, als auch für Angestellte gilt, dass der Arbeitgeber bei bargeldloser Überweisung das Entgelt so rechtzeitig zu überweisen hat, dass die Arbeitnehmer bei Fälligkeit darüber verfügen können. Wird das Entgelt trotz Fälligkeit nicht (rechtzeitig) bezahlt, so befindet sich der Arbeitgeber im Zahlungsverzug. Der Arbeitnehmer ist sodann berechtigt, seine Arbeitsleistung – ohne Angabe von Gründen – zurückzuhalten, bis der Arbeitgeber seiner Zahlungspflicht nachkommt.
Zusätzlich berechtigt das Vorenthalten des Entgelts den Arbeitnehmer zur fristlosen Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Die Rechtsprechung fordert dafür, dass die Vertragsverletzung durch den Arbeitgeber derart gravierend ist, dass dem Arbeitnehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar ist. Eine bloß einmalige und kurzfristige Verzögerung wird den Arbeitnehmer daher für gewöhnlich noch nicht zum vorzeitigen Austritt berechtigen. Hat der Arbeitnehmer die Zahlungsrückstände zudem über einen längeren Zeitraum hingenommen, ist ein plötzlicher Austritt ebenfalls nicht gerechtfertigt. Der Arbeitnehmer wird dem Arbeitgeber zuvor eine kurze Nachfrist einräumen müssen, ehe er berechtigt austreten kann.
Eine weitere Folge des Zahlungsverzugs bildet der Anfall von Verzugszinsen. Der Arbeitnehmer hat ab dem Fälligkeitszeitpunkt Anspruch auf Verzugszinsen in (derzeitiger) Höhe von 9,2 % über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank. Beruht die Verzögerung hingegen auf einer vertretbaren Rechtsansicht des Arbeitgebers, so gebühren dem Arbeitnehmer Zinsen in Höhe von lediglich 4 %.
Fazit
Das Entgelt ist spätestens am Schluss eines jeden Kalendermonats fällig. Bei bargeldloser Zahlung ist das Entgelt so rechtzeitig zu überweisen, dass es dem Arbeitnehmer zum Fälligkeitszeitpunkt zur Verfügung steht. Im Ausgangsfall erfolgt die Auszahlung des Gehalts offensichtlich verspätet. Der Arbeitgeber befindet sich daher im Zahlungsverzug. Angesichts dessen ist Hannes R. berechtigt, seine Arbeitsleistung ohne Angabe von Gründen zurückzuhalten, bis sein Arbeitgeber seiner Zahlungspflicht nachgekommen ist. Zusätzlich hat Hannes R. ab dem Fälligkeitszeitpunkt Anspruch auf Verzugszinsen. Schließlich wird Hannes R. mangels Änderung der Umstände auch zum vorzeitigen Austritt aus dem Arbeitsvertrag berechtigt sein.

Sebastian Ksiazek ist Associate bei der Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH (fwp).