Selbst bei der Wurstverkäuferin: Kunst und Poesie im Alltag

Auf Bühnen im In- und Ausland als Schauspieler unterwegs: Rudi Widerhofer.
Auf Bühnen im In- und Ausland als Schauspieler unterwegs: Rudi Widerhofer.(c) Clemens Fabry
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Schon als Kind hatte er das Gefühl, mit Menschen etwas „machen“ zu müssen: der Schauspieler Rudi Widerhofer, demnächst in Wien zu erleben.

Ich gehe einfach so gern auf die Bühne und erzähle den Leuten etwas.“ Mit dieser Aussage trifft der Schauspielautodidakt Rudi Widerhofer aus Oberösterreich sogleich den Kern seines Daseins: Er lebt praktisch für die Bühne. Film ist dagegen kein Thema für ihn, weil er den Kontakt zum Publikum – und sogar das Lampenfieber! – nicht missen will: diese Unmittelbarkeit zwischen ihm und den Menschen, denen er etwas „vorspielen“ will, was er aber zugleich ernst meinen muss – sonst glauben sie ihm nicht.

Sitzt man mit Rudi Widerhofer heute privat in einem Café, kann es leicht passieren, dass er irgendwann meint: „Jetzt hätt ich schon wieder Lust aufzustehen, in die Hände zu klatschen und den Leuten zuzurufen: ,So, nun passen wir einmal alle kurz auf . . .!‘“ Er habe schon seit Kindesbeinen an das Gefühl, „to be in charge“, das Sagen und auch die Verantwortung zu haben, etwas mit den Menschen „machen“ zu müssen. Das komme davon, dass er als erstgeborener Sohn des Dorfarztes oftmals ebenso Dr. Rudi genannt und in den Mittelpunkt gerückt wurde.

Über erste Bühnenerfahrung in der Schule fand er den Weg zum Kabarett, und so führte Widerhofer sein erstes Kabarettprogramm im November1977 in einem Studentenheim in Graz auf; der Stadt ist er bis heute treu geblieben. Mit Freunden und Kollegen wurde 1979 das Feinkunst Cabaret Wawa gegründet, das bis 1984 bestand; außerdem eröffneten sie im Rotlichtviertel ein Lokal mit dem Namen Feinkunstwerk und Tingeltangel. Polizei wie Strizzis gingen ein und aus; von Letzteren gab es wohlwollenden Zuspruch.

Die Off-Szene und große Stätten wie Oper und Burgtheater koexistieren generell heute problemlos, erzählt Widerhofer; früher allerdings sei das Verhältnis zwischen den Institutionen sehr angespannt gewesen. Das provinzielle Graz befand sich früher ja praktisch am Rand des Universums, die letzte Bastion vor dem Eisernen Vorhang. Dennoch – oder gerade deshalb? – war es möglich, dass ein so kontroverses und subversives Haus wie das Forum Stadtpark entstehen und sich letztlich etablieren konnte, das Menschen von nah und fern anzog und unterschiedliche Gesellschaftsschichten vereinte.

Widerhofer ist seit jeher gern abwechselnd Gast in größeren Häusern, etwa am Schauspielhaus Graz, sowie in der Off-Szene umtriebig; im Ausland, in Deutschland, der Schweiz und Slowenien, trat er ebenso schon auf. Der Gedanke, fixer Teil eines Theaterensembles zu sein, behagte Widerhofer darum von Anfang an nicht.

In Wien feiert Rudi Widerhofer, dessen Urgroßonkel Leibarzt der kaiserlichen Kinder war – Widerhoferplatz und -gasse zeugen davon –, am 12. März in einem Einpersonenstück Premiere: in „Rudi langt's“ im Theater in der Drachengasse. Dieses Stück fordert Rudi auf ganz spezielle Weise, da es ohne Text auskommt. So liegt der Fokus nicht auf der Sprache, sondern auf dem Körper – wie früher in Stummfilmen, in der Vaudeville-Tradition.

In dem Fall muss die körperliche Betonung ganz anders sein, als wenn die Stimme als Transportmittel dient – der Ausdruck muss stimmen. Zugleich wird der eigene Körper surrealer und zum alleinigen Instrument.

Wenn Rudi dagegen mit leuchtenden Augen von der „Magie des Textes“ spricht, die sich beim Lesen eines Theaterskripts eröffnet – manchmal sofort, manchmal auf der Bühne, manchmal gar nicht –, spürt man, wieso ihm das Theater, die Kunst so viel bedeuten.

Liebe zum Leben

Auch im täglichen Leben entdeckt er kleine „Kunststücke“ oder „Künstler“, die gar nicht wissen, dass sie welche sind. Etwa früher beim Fleischer – die Frau, die Wurstsemmeln herrichtete: die Art, wie, wohin sie schaute, während sie das Messer nahm, wie sie dastand, mit welcher Hingabe sie die Semmel aufschnitt, Wurst hineinlegte. Die Kunst, die Poesie des Alltags beschreibt er – und verrät seine große Liebe zum Leben, zu den Menschen.

ZUR PERSON

Schauspieler mit Leib und Seele. Geboren am 30. 12. 1958 in Braunau/Inn, hat Rudolf Editha Widerhofer nie eine Schauspielschule besucht. Studium der Amerikanistik und Germanistik, steht seit 40 Jahren auf der Bühne, macht Kabarett und Lesungen.

Theaterpremiere: 12. März, Theater in der Drachengasse: „Rudi langt's“, ein Musiktheater von Alexander Kukelka.

Seit 2. März ist er auch im Schauspielhaus Graz in „Jedem das Seine“ zu sehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2018)

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