Ein bisschen im Binnenmarkt bleiben, ohne seine Regeln voll zu befolgen: Das wird es für die Briten nach ihrem EU-Abschied nicht spielen.
Brüssel. Wie soll das Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der Europäischen Union nach dem Brexit aussehen? Donald Tusk, Präsident des Europäischen Rates, zerstreute am Mittwoch jegliche Hoffnungen der britischen Regierung, auch künftig in ausgewählten Bereichen von den Vorzügen des Binnenmarktes und der Zollunion profitieren zu können.
„Es sollte keine Überraschung sein, dass das einzige mögliche Modell ein Freihandelsabkommen ist“, sagte Tusk in Luxemburg, wo er seinen Entwurf für jene Leitlinien vorstellte, welche die führenden Verhandlungen zwischen Brüssel und London seitens der Europäer prägen sollen. Er warnte zugleich, dies werde „das erste Freihandelsabkommen in der Geschichte sein, das wirtschaftliche Verbindungen lockert, statt sie zu stärken. Unser Abkommen wird den Handel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU nicht reibungsloser oder einfacher machen. Es wird ihn komplizierter und teurer machen als heute, für uns alle. Das ist die Essenz des Brexit.“
Auch die Wallonen reden mit
Doch ob sich dieses Freihandelsabkommen nahtlos an die nach mehr als vier Jahrzehnten endende Mitgliedschaft der Briten im europäischen Klub fügen wird, ist zweifelhaft. Es müsste nämlich in der kurzen Zeit zwischen dem Brexitstichtag am 29. März nächsten Jahres und dem Ablauf der Übergangsfrist danach, derzeit voraussichtlich Ende 2020, unterschriftsreif verhandelt und von allen beteiligten Parlamenten ratifiziert werden. Letzteres ist an sich schon herausfordernd. Ein hoher EU-Diplomat erinnerte am Mittwoch daran, dass unter anderem auch das Regionalparlament der belgischen Provinz Wallonien darüber abstimmen wird. Dieses hatte 2016 aus innenpolitischer Taktiererei fast das Freihandelsabkommen mit Kanada verunmöglicht.
Doch selbst wenn man diese organisatorischen Herausforderungen beiseite räumt, offenbart sich der Blick auf das grundlegende Problem des Brexit, welches auch eineinhalb Jahre nach dem Referendum darüber nicht gelöst ist: Die Regierung in London weiß nicht, was sie will – und will Dinge, die unmöglich sind.
Der erwähnte EU-Beamte sprach von „nebulösen Konzepten“ in der jüngsten Rede von Premierministerin Theresa May, die nur den Schluss zuließen, dass London eine Art „Binnenmarkt light“ oder „Zollunion light“ wünsche. „Das ist etwas, das es nicht gibt, und das es aus unserer Sicht aus gutem Grund nicht geben soll“, sagte er und verwies darauf, dass nach 60 Jahren Zollunion und 43 Jahren Binnenmarkt ein „Ökosystem“ an Europarecht samt Kontrolle durch den Gerichtshof der EU gewachsen sei, aus dem man sich nicht einfach herauspflücken könne, was einem gefalle.
Flugverkehr gefährdet
Die Chefs der 27 Unionsmitglieder werden diese Leitlinien bei ihrem nächsten Europäischen Ratstreffen im März beschließen. Eines der drängendsten praktischen Probleme besteht darin, dass die Briten auch den europäischen Binnenmarkt für den Flugverkehr verlassen und es somit – wenn keine Nachfolgelösung gefunden wird – keine Flüge zwischen der Union und Großbritannien geben würde. „Wir wollen ununterbrochenes Reisen sicherstellen“, sagte der EU-Diplomat. Soferne britische Fluggesellschaften Flüge innerhalb der EU anbieten wollten, müssten sie sich freilich hinten anstellen: „Das wird keine Teilnahme am Binnenmarkt für Luftfahrt bedeuten.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.03.2018)