Gastkommentar

Verfassungswidriges Sprachengesetz

Das ukrainische Sprachengesetz aus dem Jahr 2012 wurde endlich für unrechtmäßig erklärt – und das ist gut so.

Am 28. Februar hat das Verfassungsgericht in Kiew das ukrainische Sprachengesetz aus dem Jahr 2012 endlich für verfassungswidrig erklärt. Vielleicht wird man nun wieder aus gewissen Kreisen hören, dass in der Ukraine die russische Sprache verboten werde. Aber das ist blanker Unsinn.

Als das Gesetz nach der Eskalation der Ereignisse auf dem Kiewer Maidan im Februar 2014 schon einmal für ungültig erklärt werden sollte, wurde eben dieser Unsinn allen Ernstes lanciert, auch in westlichen Medien.

Die Russische Föderation gab das angebliche „Verbot der russischen Sprache“ damals sogar als Grund für die militärische Aggression an, die sie zunächst mittels „grüner Männchen“ auf der Krim, danach mittels ihrer Agenten an der Spitze der Separatisten im Donbass in Gang setzte. All dies, obwohl das Gesetz damals in Kraft blieb.

Im Jahr 2014 habe ich mich als Präsident der Internationalen Ukrainisten-Vereinigung übrigens noch dafür eingesetzt, das Sprachengesetz zunächst noch intakt zu lassen, obwohl ich ein Buch geschrieben hatte, in dem die skandalöse Geschichte dieses Gesetzes erklärt wird. Nun aber hat das Gesetz das Zeitliche gesegnet – und das ist gut so.

Ein Gesetz als Spaltkeil

Das Gesetz war sowohl in der Ukraine als auch auf internationaler Ebene (von der OSZE, von der Venedig-Kommission) in allen Expertisen nachhaltig kritisiert worden, bevor es vom Janukowitsch-Regime unter Verletzung aller demokratischer Grundregeln im Sommer 2012 durchs Parlament geboxt wurde.

Das Gesetz sollte zwar den Anschein erwecken, dass die Minderheitensprachen in der Ukraine geschützt werden sollten, hatte aber eigentlich zum Ziel, einen Keil zwischen Ukrainischsprachigen und Russischsprachigen zu treiben, den es trotz aller Schwierigkeiten in diesem Land nicht gegeben hatte. Die Minderheitensprachen der Ukraine waren nämlich schon vom Vorgängergesetz aus dem Jahr 1989 geschützt worden, wobei das Russische im Text ausdrücklich hervorgehoben wurde.

Das Russische wird geschützt

Die Minderheitensprachen werden außerdem von der ukrainischen Verfassung aus dem Jahr 1996 geschützt, in der das Russische ebenfalls ausdrücklich hervorgehoben wird. Hinzu treten die Verpflichtungen der Ukraine, die diese auf sich nahm, als sie das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie die Europäische Charta für Regional- und Minderheitensprachen unterzeichnete und auch ratifizierte.

Das Russische wird also in der Ukraine auch ohne das skandalöse Gesetz aus dem Jahr 2012 geschützt. Immer wieder wird ja der Ukraine von den internationalen Institutionen bescheinigt, wie hervorragend sich die Situation für das Russische im Land gestaltet, und zwar unabhängig vom besagten Sprachengesetz (Straßburg führt regelmäßige Monitorings durch).

Kaum jemand weiß übrigens, dass die Ukrainer in der Russischen Föderation nach den Tataren die zahlenmäßig zweitstärkste unter den zahlreichen Minderheiten dieses Landes stellen. Die Ukrainer wären heilfroh, wenn ihre Sprache dort auch nur ansatzweise so geschützt würde wie die russische in der Ukraine. In der Russischen Föderation gibt es keine ukrainischsprachigen Schulen, keine ukrainischsprachigen Medien, während das Russische in der Ukraine allgegenwärtig ist. Ein neues ukrainisches Sprachengesetz ist in Vorbereitung. Hoffentlich wird es einen Beitrag zur Konsolidierung der Ukraine leisten.

Univ. Prof. Mag. Dr. Michael Moser (*1969 in Linz) lehrt am Institut für Slawistik der Universität Wien. Seit 2013 Präsident der Internationalen Ukrainisten-Vereinigung. Herausgeber der Reihe „Slavische
Sprachgeschichte“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2018)

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