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Donaufestival: In Krems steht heuer die Zeit still

Thomas Edlinger
Thomas Edlinger(c) APA/HANS KLAUS TECHT
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Sechs Tage Musik und Performance unter dem Motto „Endlose Gegenwart“: Es kommen etwa Popchronist Simon Reynolds, Daniel Lanois und Liquid Loft.

Nie versiegender schwarzer Rauch in Form einer Flagge, der aus einer erschöpften Ölquelle in Texas dringt: „Western Flag“ heißt diese Installation des irischen Künstlers John Gerrard. Sie soll das düstere Thema des heurigen Donaufestivals emblematisch fassen: Die Krise ist zum Dauerzustand geworden. „Diese Gegenwart vergeht nicht mehr, die Zukunft ist abgesagt“, erklärt Thomas Edlinger, der das renommierte Festival zum zweiten Mal leitet: „Das Regime des Algorithmus bedeutet die Absage an den Geist der Freiheit.“ In der Ortlosigkeit der Datenräume soll das Donaufestival „nach etwas Altmodischem“ suchen: „nach Präsenz, nach Momenten der Nähe, nach Offlineritualen, nach den eigensinnigen Zeiterfahrungen der Musik und der Kunst“.

Etwa im babylonischen Sprachengewirr, das die Gruppe Liquid Loft in die säkularisierte Dominikanerkirche bringen will. Oder in „Wild Vlees“, einer Performance mit Gips und nackten Körpern. Oder in „The Agency“, einem Trainingscamp, in dem wieder einmal der neue Mensch geformt werden soll. Mit „Trophée“ erobert das Kremser Publikum erstmals auch den Schlosspark von Grafenegg, der Südafrikaner Rudi van der Merwe verspricht einen „choreografierten Kreuzzug“.

Den Stillstand und die Vergangenheitsseligkeit in der Popmusik analysiert hat der britische Popjournalist Simon Reynolds in „Retromania“, 2017 ist seine ebenso kluge Popgeschichte „Glam“ erschienen. Er kommt zu einem Gespräch nach Krems. An die Neunzigerjahre, als man zumindest noch auf dem Dancefloor an die Zukunft glaubte (oder so tat), erinnern Mouse on Mars, Grouper spielt verdämmernden Folk, Godspeed You! Black Emperor bringen wuchtiges Endzeitpathos. Vielleicht der überraschendste Gast: Daniel Lanois, der z. B. U2 und Bob Dylan in breiten Klang gehüllt hat, trifft auf die Hochgeschwindigkeitsbeats von Venetian Snares. All das und viel mehr an zwei Wochenenden: 27. bis 29. April, 4. bis 6. Mai. (tk)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2018)

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