Ankara und Wien: Annäherung mit Lipizzanerschritten

Die Außenministerin Kneissl mit ihrem türkischen Amtskollegen ¸Cavu¸so˘glu in der Spanischen Hofreitschule.
Die Außenministerin Kneissl mit ihrem türkischen Amtskollegen ¸Cavu¸so˘glu in der Spanischen Hofreitschule.APA/ROBERT JAEGER
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Die Türkei lockert die Nato-Blockade gegen Österreich.

Wien. Das diplomatische Tauwetter passte zum meteorologischen: Beim Besuch der Außenministerin Karin Kneissl in der Türkei hatte das stürmische Jännerwetter noch eine Überfahrt auf die Prinzeninseln verhindert, am gestrigen Donnerstag hingegen standen alle Zeichen auf (bilateralem) Frühlingsbeginn. Kneissl führte ihren Gast, den türkischen Außenminister, Mevlüt Çavuşoğlu, in die Hofreitschule zu den Lipizzanern, es gab eine kleine Vorführung sowie eine Karottenverköstigung für die Tiere. Kneissl fand gar ein Wort für den Gegenbesuch ihres türkischen Kollegen: „Pferdediplomatie“.

Die schwer strapazierten österreichisch-türkischen Beziehungen haben sich nach Çavuşoğlus Visite in Wien wieder ein wenig verbessert: Ankara will zumindest partiell seine Österreich-Blockade bei der Nato aufheben und auf diplomatischer bzw. ziviler Ebene Wiens Vertreter im Brüsseler Hauptquartier akkreditieren lassen. Die militärische Zusammenarbeit Österreichs mit der Nato bleibt vorerst ungelöst, wiewohl Kneissl betonte, dass die Kooperation auf Soldatenebene in Bosnien sehr gut funktioniere.

Bereits zuvor, bei Kneissls Besuch in Istanbul, hatten die Minister bereits beschlossen, die Ephesos-Ausgrabungen in der Türkei wiederzubeleben, dasselbe gilt für die gemischte Wirtschaftskommission. Für demnächst hat Kneissl den Besuch des türkischen Wirtschaftsministers, Nihat Zeybekçi, angekündigt, jenes Politikers, der im Juni vergangenen Jahres noch eine offizielle Ausladung erhielt; Zeybekçi wollte in Österreich an einer Veranstaltung zum gescheiterten Putsch in der Türkei teilnehmen.

Es waren denn auch Auftrittsverbote wie diese, die das bilaterale Verhältnis in den vergangenen Jahren sukzessive verschlechterten. „Bei Wahlen in der Türkei ist Österreich kein Thema. Warum aber wird in Deutschland oder Österreich ständig über die Türkei gesprochen, und nicht mal über andere Länder“, fragte Çavuşoğlu bei der Pressekonferenz mit Blick auf das wahlkampfreiche vergangene Jahr und dessen spitze Rhetorik.

Allzu groß sind die Schritte, mit denen sich Ankara und Wien nun einander annähern, aber nicht. Allenfalls bewegt man sich im Trabtempo von den weniger schwierigen Themen wie Ephesos zu den profunden Fragen. Dazu gehört sicherlich die grundlegend kritische österreichische Haltung zum türkischen EU-Beitritt. Genau diese Frage haben die Minister bei ihren bisherigen Treffen bewusst ausgeklammert, aber in Wien sagte Çavuşoğlu: Man wolle im Rahmen des Beitrittsprozesses und während der EU-Ratspräsidentschaft Wiens keine Sonderbehandlung von Österreich, „sondern Objektivität“. Das ebenfalls heikle Thema Doppelstaatsbürgerschaften haben Kneissl und Çavuşoğlu zwar besprochen, nannten allerdings keine Einzelheiten.

Protest gegen Syrien-Einmarsch

Fortschritte gebe es auch in Sachen Imam-Ausbildung, die Türkei habe konkrete Maßnahmen ergriffen, wie Kneissl sagte. Imame müssen nach dem neuen Islamgesetz in Österreich ausgebildet werden. Indirekt kritisierte Çavuşoğlu jedoch die neuen Vorschriften, sagte, dass die Zusammenarbeit mit der türkischen Religionsbehörde wichtig sei, um Radikalismus vorzubeugen.

Ankaras Lesart zufolge hat die Türkei mit mehreren Gesten ihren guten Willen gezeigt, nun sei Österreich am Zug. Welchen Schritt Wien setzen könnte, ließen die Minister offen. Jedenfalls stünden neben den baldigen Wirtschaftstreffen noch Gespräche zum Nahen Osten an, wie der türkische Außenminister sagte; Brandfelder gibt es viele, angefangen von Syrien und dem Irak bis hin zum Umgang mit den Flüchtlingen, dazu hat Brüssel ja ein Abkommen mit der Türkei ausgehandelt.

Ankara operiert seit Wochen militärisch in Nordsyrien, um kurdische Milizen zurückzutreiben. Dagegen protestierten am Donnerstag auch Dutzende Menschen lautstark – unweit des Außenministeriums am Minoritenplatz, kurz vor der Ankunft Çavuşoğlus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.03.2018)

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